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Warum das Auto für viele Menschen in Sachsen unverzichtbar ist

Der Mobilitätskompass von Sächsische.de zeigt, wie viele Haushalte einen oder mehrere Pkw besitzen – und für welche Zwecke sie vorrangig genutzt werden.

Von Andreas Rentsch
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Familie Müller aus Kurort Hartha bei Tharandt nutzt zwei Autos. Die meisten Kilometer gehen für die Arbeitswege der Eltern drauf. Der Ford Galaxy dient auch als Transportmittel für Urlaubsreisen.
Familie Müller aus Kurort Hartha bei Tharandt nutzt zwei Autos. Die meisten Kilometer gehen für die Arbeitswege der Eltern drauf. Der Ford Galaxy dient auch als Transportmittel für Urlaubsreisen. © Thomas Kretschel

Eigentlich, sagt Uta Müller, habe sie gar nicht so weit von Dresden wegziehen wollen. Doch die Suche nach „halbwegs bezahlbarem Wohneigentum“ habe die Entfernung größer werden lassen als zunächst gedacht. Seit nunmehr vier Jahren wohnt sie mit ihrem Mann Michael und den drei Kindern im Dorf, in dem sie aufgewachsen ist: Hartha bei Tharandt. Das umgebaute Einfamilienhaus hat einen großen Garten, an Platz mangelt es nicht.

Mit dem Umzug aufs Land sei allerdings der Kauf eines zweiten Autos nötig geworden, sagt Müller. Anders sei der Alltag nicht zu bewältigen. „Mein Mann ist bei Siltronic in Freiberg angestellt. Mit dem öffentlichen Nahverkehr käme er nur sehr umständlich dorthin.“ Auch für ihren eigenen Arbeitsweg nutzt die Start-up-Projektmanagerin ein Auto. Zumindest bis Tharandt, dort steigt sie in die S-Bahn nach Dresden. In der Freizeit muss sie Kinder zum Sport chauffieren oder wieder abholen. Bis zum nächsten Lebensmittel-Discounter sind es fünf Kilometer, der besser sortierte Supermarkt ist fast doppelt so weit entfernt.

In jedem zwanzigsten Haushalt drei oder mehr Autos

Müllers stehen exemplarisch für viele Familien in Sachsen, die im Alltag aufs Auto setzen. Laut Sächsische.de-Mobilitätskompass, einer Umfrage im Verbreitungsgebiet der Zeitung mit 9.000 Teilnehmern, verfügen rund sechs von sieben Haushalten zwischen Zittau und Döbeln über einen Wagen. In etwa jedem dritten Haushalt sind es zwei, in jedem zwanzigsten sogar drei oder mehr Autos. Dem gegenüber stehen 1.284 Haushalte ohne Pkw. Das entspricht einem Anteil von gut 14 Prozent.

Je nachdem wie ländlich oder urban die jeweilige Region ist, weichen die Anteile in die eine oder andere Richtung ab. In den Landkreisen Bautzen und Meißen ist nicht mal jeder zwanzigste Haushalt autofrei, in Dresden dagegen jeder vierte.

Daten des Kraftfahrtbundesamts (KBA), die im Auftrag des MDR analysiert worden sind, zeigen allerdings, dass die Pkw-Dichte in Sachsen noch vergleichsweise gering ausfällt. Ausreißer nach unten ist Leipzig mit 388 privat und gewerblich genutzten Fahrzeugen auf 1.000 Einwohner. Niedrigere Werte erreichen nur Berlin und Heidelberg. Dresden kommt laut KBA auf 415, Chemnitz auf 518.

Abseits der drei Städte ist die Pkw-Dichte deutlich höher, variiert aber nicht sonderlich: Gemessen an der Einwohnerzahl hat der Landkreis Görlitz die wenigsten und der Vogtlandkreis die meisten Autos (siehe Tabelle).

Autos pro 1.000 Einwohner

  • Stadt Dresden: 415
  • Stadt Leipzig: 388
  • Stadt Chemnitz: 518
  • Landkreis Görlitz: 579
  • Landkreis Bautzen: 615
  • Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: 596
  • Landkreis Meißen: 586
  • Landkreis Mittelsachsen: 601
  • Erzgebirgskreis: 617
  • Landkreis Zwickau: 603
  • Vogtlandkreis: 619
  • Landkreis Nordsachsen: 596
  • Landkreis Leipzig: 604
  • Sachsen gesamt: 540

(Quelle: KBA, Stand: 1.01. 2023; private und gewerblich genutzte Pkw)

Auf Länderebene wird der Freistaat nur von Berlin (338) sowie Bremen und Hamburg (jeweils 439) unterboten. Die bundesweit höchste Pkw-Dichte verzeichnet Wolfsburg: Am Stammsitz des VW-Konzerns kommen statistisch gesehen auf 1.000 Einwohner fast genauso viele Pkw.

Dass Sachsen von solchen Verhältnissen weit entfernt ist, liegt unter anderem am geringen Pro-Kopf-Einkommen im Freistaat, erklärt die ADAC-Regionalvertretung. Auch der Anteil von E-Autos am hiesigen Kfz-Bestand sei unterdurchschnittlich, heißt es im 2022 vorgestellten Mobilitätsindex des Klubs. An dieser Einschätzung dürfte sich seitdem nichts Grundlegendes geändert haben.

Rund jeder Fünfte "unentschieden" beim Thema Autokauf

Laut Sächsische.de-Mobilitätskompass nutzen immerhin etwa zehn Prozent der Befragten ein E-Auto. Die Mehrheit scheint dem Umstieg auf den reinen Elektroantrieb weiterhin skeptisch gegenüberzustehen. Nur rund elf Prozent würden sich im Falle eines anstehenden Autokaufs einen Stromer zulegen. Knapp jeder Dritte würde dagegen beim Benziner oder Diesel bleiben, etwa jeder Fünfte zu einem Modell mit Hybridantrieb wechseln. Rund 22 Prozent erklärten, sie seien unentschieden. 18 Prozent wollen „kein Auto (mehr) kaufen“.

  • Mehr als 9.000 Menschen aus Ost- und Mittelsachsen haben für den Mobilitätskompass Einblick in ihr Mobilitätsverhalten gegeben. Der Mobilitätskompass wurde unter wissenschaftlicher Begleitung der Evangelischen Hochschule Dresden und in Kooperation mit der Agentur "Die Mehrwertmacher" entwickelt und ausgewertet, die darauf geachtet haben, dass die Aussagen belastbar sind. Bis Anfang Dezember veröffentlicht Sächsische.de die regionalen und lokalen Ergebnisse. Alle erschienenen Beiträge finden Sie auch auf www.saechsische.de/mobilitaetskompass

Uta Müller sagt, sie und ihr Mann stünden der Elektromobilität grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. „Letztlich entscheidet aber der Kaufpreis – und dass wir alle ins Auto passen.“ Mit ihrem Ford Galaxy, einer Großraumlimousine mit Dieselmotor, legen die Müllers nach eigenen Angaben 20.000 Kilometer im Jahr zurück. Das Pensum für den Zweitwagen liegt reichlich halb so hoch. Die meisten Fahrstrecken entfallen aufs Pendeln zum Job. Danach folgen Einkaufsfahrten sowie Hol- und Bringe-Dienste für den Nachwuchs.

Wichtigstes Nutzungsszenario: Einkaufsfahrten

Im Mobilitätskompass ist die Reihenfolge ein bisschen anders. Hier gaben die meisten Umfrageteilnehmer (81 Prozent) an, sie nutzten ihren Wagen für „alltägliche Wege wie Einkaufen“, „nicht alltägliche, längere Fahrten wie Urlaub“ (66 Prozent) und „den Weg zu Freizeitaktivitäten (55 Prozent). Erst danach werden der „Weg zur Arbeit oder Ausbildungsstätte (47 Prozent)“, das „Bringen, Versorgen oder Abholen anderer Personen“ (32 Prozent) und „Wege im beruflichen Kontext“ (23 Prozent) genannt. Rund neun Prozent der Umfrageteilnehmer erklärten, das Auto auch für „Fahrten zum reinen Vergnügen“ zu benutzen.

Derlei Freude am Fahren sei ihr fremd, sagt Uta Müller. „Für Wochenendausflüge steigen wir gern in die Bahn oder den Bus, wenn es sich anbietet.“