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Lesen gegen den Pisa-Schock: Grundschule Moritzburg will hoch hinaus

Die Kinder der Grundschule Moritzburg haben ein ehrgeiziges Ziel. Sie wollen so viele Bücher lesen, bis diese gestapelt die Höhe des Moritzburger Leuchtturms ergeben - zumindest fast.

Von Lucy Krille
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Kinder der zweiten, dritten und vierten Klasse zeigen ihre Lieblingsbücher, dank denen der Bücher-Leuchtturm stetig wächst. Ihre Lehrerinnen Frau Hopf (l.) und Frau Jahn-Sack freut's.
Kinder der zweiten, dritten und vierten Klasse zeigen ihre Lieblingsbücher, dank denen der Bücher-Leuchtturm stetig wächst. Ihre Lehrerinnen Frau Hopf (l.) und Frau Jahn-Sack freut's. © Norbert Millauer (Archiv)

Moritzburg. Die Grundschüler von Moritzburg haben mit den guten Vorsätzen nicht bis zum neuen Jahr gewartet, sondern schon im vergangenen damit begonnen. Ihr Vorhaben: So viele Bücher zu lesen, dass sie gestapelt die Höhe des Moritzburger Leuchtturms erreichen. Seit dem Sommer 2023 "arbeiten" Kinder von fünf Klassen aus den Stufen zwei bis vier an diesem Vorhaben.

Damit sie ihr Ziel innerhalb von einem Jahr erreichen, wurden die Maßstäbe etwas verändert. Statt den 21,8 Metern, die der Leuchtturm misst, haben die Kinder sich vorgenommen, 2,18 Meter zu bewältigen. Ein vom Hausmeister gestalteter Leuchtturm mit Messlatte im Flur der Schule zeigt den Fortschritt an.

Die Idee geht auf das Projekt "Büchertürme" zurück. Die Hamburger Autorin Ursel Scheffler gab vor einigen Jahren den Anstoß, Kinder über das Sammeln von Punkten zum Lesen zu animieren. Daraus entstand ein deutschlandweites und mittlerweile preisgekröntes Projekt, an dem nun auch die Moritzburger Grundschule teilnimmt. Sie ist neben der Leipziger Grundschule forum thomanum eine von zwei Einrichtungen aus Sachsen, die bei Büchertürme gelistet ist.

Ein Pisa entspricht zehn Zentimeter Buchrücken

Die Idee ist, dass jede Schule sich einen Turm in ihrer Umgebung heraussucht, an dessen Höhe sie sich orientiert. Denn Türme, heißt es bei Büchertürme, weisen schon seit uralten Zeiten den Weg, sei es der Kirch- oder der Leuchtturm. "Unsere Büchertürme sind auch tolle Ziele, denn sie weisen euch den Weg in ferne Welten, zu Piratinnen, Räubern, Ungeheuern, Außerirdischen, zu Menschen in anderen Ländern und ins unbegrenzte Land der Fantasie."

Bei dem achtjährigen Felix ist es beispielsweise der Regenwald: Er hält ein Buch namens "Gefahr am Amazonas" in den Händen, es stammt aus der Kinderbuchreihe "Das magische Baumhaus". "Davon habe ich schon mehrere Bände gelesen", erzählt der Drittklässler. Etwa eine Woche braucht er für ein Buch. Auch, wer weniger liest, kann sich an dem Projekt beteiligen, sodass auch weniger lesebegeisterte Kinder einbezogen werden.

Etwa einmal im Monat stapeln die Kinder mit ihren Lehrerinnen Frau Hopf, Frau Knechtel und Frau Jahn-Sack die Bücher übereinander. Vorher müssen sie Fragen zum Buch beantworten, um sicherzugehen, dass sie das Buch auch gelesen und verstanden haben. Manche Kinder sammeln Punkte über Antolin, eine App zur Leseförderung. Bei Büchertürme werden in Pisa gemessen: Ein Pisa entspricht zehn Zentimetern. Aktuell hat die Grundschule Moritzburg 54 Pisa auf der Website eingetragen. Bis zum Ziel - den 218 Pisa - müssen also noch einige Bücher gewälzt werden.

Bücher-AG und Bibliothek gegen die Lesemüdigkeit

Die Einheit Pisa ist zum einen an den wohl berühmtesten Turm in Europa angelehnt, aber auch an die Pisa-Studie, die Ende vergangenen Jahres in Deutschland erneut für Aufsehen sorgte. Die Studie zu den Leistungen von Schülerinnen und Schülern im Jahr 2022 offenbarte so schlechte Ergebnisse wie nie zuvor.

Unter anderem beim Lesen gab es die niedrigsten Werte, die für Deutschland jemals im Rahmen von Pisa gemessen wurden. Pisa steht für "Programme for International Student Assessment" und ist die größte internationale Schulleistungsvergleichsstudie. Dabei werden die Kompetenzen von 15-jährigen Jugendlichen beim Lesen, in der Mathematik und den Naturwissenschaften erfasst. Seit dem Jahr 2000 wird sie alle drei Jahre durchgeführt.

An der Grundschule Moritzburg versuchen die Lehrerinnen dem schlechten Abschneiden durch mehr Lust auf Lesen entgegenzuwirken. So gibt es eine Bibliothek, die von den Kindern mit betreut wird und über 1.000 Bücher beherbergt. Außerdem bringt die Moritzburger Stephanus Buchhandlung alle zwei Wochen neue Bücher mit, die beim Ganztagsangebot "Bücherschwelgen" besprochen werden.

Kinder mögen Comics, Detektivbücher und Abenteuergeschichten

Die Vorlieben der Kinder reichen von Klassikern wie der Detektivreihe "Die drei ???" über Abenteuer- oder Pferdegeschichten bis hin zu Büchern über das Älterwerden. Die zehnjährige Annabell mag Comics. Und das Lieblingsbuch von ihrem Mitschüler Max ist "School of Talents", wo Schüler und Schülerinnen sich in Vögel verwandeln, durch Wände gehen, Wasser beeinflussen oder Tiere verstehen können.

Kein Wunder, dass Lesen die Fantasie anregen soll. Außerdem verweist beispielsweise die AOK auf Studien, nach denen durch regelmäßiges Lesen von Büchern die Konzentrationsfähigkeit und das Erinnerungsvermögen verbessert werden. Zudem soll es den Stresspegel senken und zu einem längeren Leben verhelfen. Viele gute Gründe, um den Bücherturm weiterzubauen.