SZ + Wirtschaft
Merken

Verfahren aus Dresden vereinfacht Analyse von Mikroplastik in der Elbe

Seit Oktober gelten neue EU-Regeln für Mikroplastik. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft arbeitet an Methoden, um schneller Umweltbelastungen in Gewässern festzustellen.

 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Chemieingenieur Lucas Kurzweg zeigt dem sächsischen Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow das verbesserte Verfahren. Foto: SMWK/Gierig
Der Chemieingenieur Lucas Kurzweg zeigt dem sächsischen Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow das verbesserte Verfahren. Foto: SMWK/Gierig © SMWK / Gierig

Von Paul Meyer

Wenn in Dresden eine Plastikflasche in die Elbe geworfen wird, so tragen der Fluss und die Meeresströmungen diese bis ins Nordpolarmeer, erklärt der Chemieingenieur Lucas Kurzweg von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTWD). Auf dem Weg entstünden dabei durch Abrieb von der Flasche kleinste Plastikteilchen, sogenanntes Mikroplastik, die sich zum Beispiel im Flussbett absetzen.

Mikroplastik wurde in 50 Prozent der aus der gesamten deutschen Elbe entnommenen Proben nachgewiesen, als Kurzweg mit seinem Projekt den Fluss im Jahr 2020/2021 einmal komplett untersuchte (siehe Sächsische Zeitung vom 18.07.2023). Das erläuterte der junge Forscher dem sächsischen Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU), welcher Mitte Oktober mehrere Hochschulen besuchte. Damit wolle er nicht nur nachhaltige Forschung in Sachsen präsentieren, sondern gleichzeitig die technischen Hochschulen im Bundesland stärken, betonte der Minister.

Obwohl wir Plastik erst seit ca. 70 Jahren massenhaft nutzen, kommt es inzwischen fast überall in der Umwelt vor. Allerdings waren die Methoden, um Mikroplastik nachzuweisen, bis jetzt relativ teuer, zeitaufwändig und ressourcenintensiv. Das Verfahren, welches Kurzweg momentan an der HTWD entwickelt, kann das ändern. Dieses macht sich die chemischen Eigenschaften des Kunststoffes zunutze, welche sich von dem sandig-steinigen Flussbett unterscheiden. In dem dreistufigen Verfahren wird eine gesammelte Probe zunächst elektrostatisch aufgeladen. Das Mikroplastik lädt sich dabei sehr stark auf, ähnlich wie ein aus Plastik bestehender Luftballon, während der Sand kaum aufgeladen wird. Auf diese Weise lassen sich die Bestandteile leicht voneinander trennen, sodass große Mengen schnell grob sortierbar sind.

Für eine feinere Abspaltung können Plastik und Sand im zweiten Schritt aufgrund ihrer Dichte voneinander geschieden werden, indem sie in eine Kochsalzlösung gelegt werden, in der Sand absinkt, während das Mikroplastik oben schwimmt. Zu guter Letzt werden die Proben auf 300°C erhitzt und aus der von der schmelzenden Masse abgesonderten Energie wird geschlussfolgert, wieviel Plastik enthalten sein muss.

Seit Mitte Oktober gilt EU-Verbot für Mikroplastik

Für die Zusammenführung dieser verschiedenen Techniken in ein Verfahren erhielt Kurzweg den diesjährigen Nachwuchsforschungspreis der HTWD. Auf die Frage des Wissenschaftsministers, ob aus dem Verfahren ein eigenes Unternehmen entstehen solle, verneinte Kurzweg. Vielmehr sollten die bis jetzt nur als Prototypen vorliegenden Maschinen erst verbessert und das Verfahren dann in bereits bestehende chemische Analyselaboratorien eingegliedert werden.

Dafür liefert nicht nur das wissenschaftliche Interesse einen Anreiz: Das Mitte Oktober in Kraft getretene schrittweise Verbot von bewusst zugesetztem Mikroplastik in vielen Produkten auf EU-Ebene zeigt, dass Mikroplastik ein wesentliches Problem ist, das auf allen Politikebenen angegangen werden muss. Im Rahmen dieser Entwicklung hat Deutschland nach Angaben von Kurzweg beschlossen, Mikroplastik als prioritären Schadstoff in die Grundwasserrichtlinie aufzunehmen. Daher würden zukünftig in ganz Deutschland Gewässer routinemäßig auf Mikroplastik geprüft werden. Dafür wiederum braucht es kostengünstige und schnelle Methoden, um dieses nachzuweisen, wo Kurzweg wieder ins Spiel kommt, der mit seiner Forschung offensichtlich der öffentlichen Debatte ein wenig voraus war und somit schon jetzt einen Lösungsansatz bereitstellen kann.

Lucas Kurzweg zeigt die Mikroplastik-Teilchen, die er mit seinem Verfahren aus der Elbe fischte. Foto: SMWK/Gierig
Lucas Kurzweg zeigt die Mikroplastik-Teilchen, die er mit seinem Verfahren aus der Elbe fischte. Foto: SMWK/Gierig © SMWK / Gierig

Auf die Frage, ob man sich um unser Trinkwasser sorgen müsse, gibt Kurzweg die beruhigende Antwort, dass „das öffentliche Trinkwasser hundertprozentig mikroplastikfrei ist, da es durch meterdicke Sandfilter gedrückt wird, die aller kleinste Partikel herausfiltern können.“ In der Elbe in Dresden wurde mit seiner Methode bis jetzt kein Mikroplastik nachgewiesen, da diese feinere Sedimentproben voraussetzt als das eher steinige hiesige Flussbett. Hier würde sich das Mikroplastik eher nicht im Sediment ansammeln, sondern im Wasser selbst treiben. Eines der Probleme hierbei ist, dass diese Partikel, indem sie etwa von Fischen und anderen Tieren geschluckt werden, am Ende in der menschlichen Nahrung und damit in unseren Körpern landen können – die Effekte davon sind jedoch noch nicht hinreichend untersucht, um sie abschließend bewerten zu können.

Trotzdem sind laut einer repräsentativen Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung aus dem Jahr 2022 71 Prozent der Menschen in Deutschland besorgt oder sehr besorgt über die Auswirkungen von Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit.

Jedoch können wir laut Kurzweg „mit einfachen Mitteln positive Entwicklungen anstoßen.“ So sei es „sehr hilfreich, grundlegende Dinge zu beachten, wie zum Beispiel seinen Hausmüll ordentlich zu trennen oder öffentliche Mülleimer zu benutzen und wer etwas tun möchte, kann bei einem Clean-Up mitmachen.“ Eine Methode um Mikroplastik in großem Maßstab wieder aus Gewässern herauszufiltern hingegen sei zwar gerade in der Erforschung, sehe allerdings wenig erfolgversprechend aus, da sie sehr aufwändig und teuer sei. Stattdessen lohne sich die Entwicklung abbaubarer Kunststoffe und die Verfeinerung der analytischen Methoden, an denen Kurzweg weiter feilt. Sobald die Plastikflasche einmal im Fluss gelandet ist und Mikroplastik sich abreibt, können wir also sehr wenig dagegen tun – stattdessen müssen wir früher gegensteuern.

Wer sich weitergehend für die Wege des Plastiks in den Gewässern der Erde interessiert, sei auf die Vorführung des Filmes „The North Drift – Plastik in Strömen“ am 03. November beim Wissenstag „Sauberes Wasser“ in Dresden hingewiesen.