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Von Bautzen geht die weltweite Revolution des Bauens aus

Die Experten rund um das Bundesforschungszentrum für klimaneutrales Bauen haben viele Ideen - und wenig Zeit.

Von Nora Miethke
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So sehen die bisherigen Pläne für das Bauforschungszentrum "Lausitz Art of Building" (LAB) im Landkreis Bautzen aus.
So sehen die bisherigen Pläne für das Bauforschungszentrum "Lausitz Art of Building" (LAB) im Landkreis Bautzen aus. © Visualisierung: CGI HENN

So richtig hatten Professor Manfred Curbach von der Technischen Universität Dresden (TUD) und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen offenbar nicht mehr daran geglaubt, dass angesichts der schlechten Haushaltslage des Bundes die Förderung des Bundesforschungszentrums für klimaneutrales und ressourceneffizientes Bauen - kurz LAB für "Living Art of Building" noch klappt. Freitagnacht stimmte der Haushaltsausschuss des Bundestags zu, den Aufbau des LAB in den kommenden fünf Jahren mit fast 70 Millionen Euro zu unterstützen. Die Freude und glückliche Überraschung war ihnen jedenfalls noch am Montagmorgen bei der Vorstellung der Pläne im Landratsamt Bautzen anzumerken.

Von Bautzen aus soll ein "Bauwirtschaftswunder" ausgehen. Das LAB - ursprünglich konzipiert für den Wettbewerb um das Großforschungszentrum in der Lausitz - will die Zukunft des Bauens weltweit revolutionieren.

Und das ist dringend notwendig. In 21 Jahren sollen Deutschland und viele andere europäische Länder klimaneutral sein. "Aber es wird heute noch gebaut wie vor 30 Jahren", betont Curbach, Ideengeber des neuen Forschungszentrums. Die Folgen sind: 25 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses entfallen auf die Bauwirtschaft sowie 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs. Bauabfälle machen 60 Prozent der jährlichen Abfallmenge in Deutschland aus. "Wer den Klimawandel positiv beeinflussen will, muss zwingend beim Bau ansetzen", so Curbach.

Drei zentrale Aufgaben

Er sieht drei zentrale Aufgaben. Erstens seien Hunderte von Ideen gefragt für Neues Bauen, angefangen bei der Entwicklung neuer Baustoffe, Technologien und Verfahren bis hin u neuen digitalen Lösungen. Das LAB wird auf mehrere Standorte verteilt, aufgebaut und arbeiten – ausgewählt nach ihrer Expertise. So wird sich voraussichtlich Thüringen beteiligen mit seinem Forschungsstandort Weimar. Dort wird zu CO2-armen Zement und anderen Bindemitteln geforscht. An der Universität in Aachen ist die Verfahrenstechnik sehr ausgeprägt und in Cottbus steht die Kreislaufwirtschaft im Mittelpunkt der Forschung. Das Interesse in anderen Bundesländern, sich finanziell und inhaltlich an dem Forschungszentrum zu beteiligen seí "überragend", hieß es. Die Landkreise Bautzen und Görlitz haben für den Aufbau in Sachsen insgesamt 450 Millionen Euro ihrer Strukturwandelmittel zugesagt bis 2038. Wie viel Fördermittel aus anderen Bundesländern kommen wird, ist noch offen. Letztendlich soll das Forschungszentrum 1.200 bis 1.300 direkte Arbeitsplätze schaffen.

87 Absichtserklärungen mit Partnern unterschrieben

Die zweite Aufgabe besteht im schnellen Transfer der Forschungsergebnisse in die Wirtschaft. Dazu bedarf es vor allem schneller Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, neue Vertragsmodelle. Insgesamt hat das Expertenteam laut Curbach schon 87 Absichtserklärungen von Partnern aus der Wirtschaft und Wissenschaft eingesammelt. Auf der Liste der weltgrößten Baukonzerne stehen 11 Unternehmen in China und fünf in Europa. Von den fünf europäischen wollen sich vier am LAB beteiligen, darunter Strabag und Hochtief sowie der französische Branchenriese Vinci. Aber auch regionale Baufirmen wie Hentschke Bau sollen eingebunden werden.

Angestrebt wird, dass die Unternehmen Produktionsstätten aufbauen, um die neuen Baustoffe und -Verfahren etwa rund um Holz und Glas industriell zu fertigen. So sollen auch Niesky, Weißwasser oder Hoyerswerda mit seiner Tradition im seriellen Bauen profitieren. Absichtserklärungen gibt es auch mit den amerikanischen Eliteuniversitäten MIT und Princeton. Neue Ausbildungs- und Studieninhalte zu entwickeln für ressourcenschonendes Bauen ist die dritte große Aufgabe.

Aber auf einen Partner legt Curbach besonders viel Wert: Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBT) in Berlin, das für die Zulassung verantwortlich ist von neuen Baustoffen und Verfahren. Dieses Institut stelle momentan den Flaschenhals da. Mit dem Präsidenten des DIBT gibt es die Vereinbarung, dass DIBT-Mitarbeiter mit im LAB sitzen und mit in den Laboren stehen, damit sie sehen können, welche Baustoffe und Verfahren sicher sind und diese dann viel schneller zulassen können. Curbach schwebt ein Prozess vor, wie er bei der Zulassung der Impfstoffe gegen Covid 19 funktioniert hat. "Eine Zulassung darf nicht mehr fünf Jahre dauern, ich wäre heilfroh, wenn wir das auf sechs Monate bis ein Jahr verkürzen könnten", sagt der Wissenschaftler.

Mit zum Expertenteam gehört auch Professorin Edeltraud Günther, Umweltökonomin und Leiterin des UNU-Flores-Instituts der UN-Universität. Sie wird das LAB im Dezember auf der Weltklimakonferenz in Dubai vorstellen. 85 Prozent der Weltbevölkerung leben im globalen Süden, dort wachsen die Städte zu Megacities mit enormen infrastrukturellen Problemen. Auch für diese Megacities sollen Lösungen entwickelt werden. Als Erstes will die UNU-Flores nächste Woche einen internationalen Architektenwettbewerb für ein Haus aus Abfall ausloben – aus Bauabfällen sollen neue Baustoffe werden.