Niesky
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180 Mitarbeiter nehmen Abschied vom Waggonbau Niesky

An diesem Donnerstag endet zunächst eine Tradition: Seit 1917 wurden in Niesky Schienenfahrzeuge hergestellt. Doch noch gibt es Hoffnung auf eine Neuansiedlung aus der Branche. Deswegen kommt auch Staatssekretär Conrad Clemens nach Niesky.

Von Sebastian Beutler
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Auch wenn der Waggonbau Geschichte ist, eine Fahrzeugproduktion in Niesky bleibt eine Option.
Auch wenn der Waggonbau Geschichte ist, eine Fahrzeugproduktion in Niesky bleibt eine Option. © André Schulze

Nach 106 Jahren endet an diesem Donnerstag zunächst die Produktion von Schienenfahrzeugen in Niesky. Die ELH Waggonbau Niesky GmbH stellt ihren Geschäftsbetrieb ein. Die Beschäftigten werden ab Freitag in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft überführt. Sie soll bis längstens Ende des Jahres bestehen.

Ziel ist es, in der Zwischenzeit einen Investor zu finden, der in Niesky wieder Schienenfahrzeuge produziert. Tatsächlich ist Waggonbau-Insolvenzverwalter Franz-Ludwig Danko mit Firmen aus der Branche über ein Engagement in Niesky in Verhandlungen. Eine direkte Übernahme hatte sich zuvor zerschlagen.

Vor diesem Hintergrund besucht Staatssekretär Conrad Clemens an diesem Donnerstag das Werk. Nach eigenen Angaben wird er Gespräche mit dem Betriebsratsvorsitzenden Peter Jurke, der Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann und dem Insolvenzverwalter führen.

Sachsens Staatssekretär in der Sächsischen Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Freistaates Sachsen beim Bund Conrad Clemens traf sich am Donnerstag in Niesky mit dem Betriebsrat des Waggonbaus und dem Insolvenzverwalter.
Sachsens Staatssekretär in der Sächsischen Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Freistaates Sachsen beim Bund Conrad Clemens traf sich am Donnerstag in Niesky mit dem Betriebsrat des Waggonbaus und dem Insolvenzverwalter. © André Schulze

"Mein Respekt gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Waggonbau Niesky für ihren jahrzehntelangen Einsatz und die dadurch lange Tradition des Werkes", erklärte Clemens bereits vor seinem Besuch. "Niemand hier trägt die Verantwortung für die entstandene Situation. Die Staatsregierung wird alles dafür tun, um eine zukunftsfähige Lösung für den Standort Niesky und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entwickeln. Wir sehen die Beschäftigungsgesellschaft als Chance und sprechen jeden Tag mit dem Insolvenzverwalter, Eigentümer und Investoren."

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Der Waggonbau war im Mai in Insolvenz gegangen, die Produktion ruht bereits seit vier Wochen, deswegen hatte der Betriebsrat in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass eine Ära zu Ende geht. Der Waggonbau Niesky ist der größte Industriebetrieb der Stadt und geht auf Vorläuferfirmen zurück, die 1835 gegründet wurden. Zuletzt war er der einzige Hersteller von Güterwagen in Deutschland. Nach der Übernahme auch aus einer Insolvenz heraus durch das slowakische Unternehmen Tatravagonka Ende 2018 war die Hoffnung groß, dass der Standort eine Zukunft hat. Tatravagonka verpflichtete sich, bis Ende dieses Jahres den Betrieb aufrechtzuerhalten. Belegschaft und die Gewerkschaft IG Metall vermuteten bereits seit vergangenem Herbst, dass die Slowaken kein Interesse mehr an dem Waggonbau hatten. Sie vermissten neue Aufträge. Daraufhin organisierten sie Mahnwachen vor dem Betriebstor, die sie erst nach 30 Wochen einstellten.

Für den Betriebsratsvorsitzenden Peter Jurke ist der Waggonbau, wie ihn Generationen von Nieskyer kannten, am Ende. Über die Zukunft sagt er: "Auch wenn die derzeitige Situation hoffnungslos erscheint, geben wir unseren Waggonbau Niesky erst auf, wenn die Investorensuche für gescheitert erklärt wird." Deswegen kommt es jetzt auf die nächsten vier Monate darauf an.

Für die Nieskyer Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann ist der "Waggonbau das Herz der Stadt und der gesamten Stadtgesellschaft". Zusammen mit den Siemens-Energy- und Alstomwerken in Görlitz und Bautzen sei der Waggonbau Niesky ein wichtiger Teil des Industriekerns der Lausitz. "Dieser Kern ist nun gefährdet", erklärt sie. Trotzdem hofft sie auch, dass die Investorengespräche zu einer raschen Neuansiedlung führen. Dafür sei die Beschäftigungsgesellschaft unerlässlich.

Für Insolvenzverwalter Franz-Ludwig Danko ist die Geschichte des Waggonbaus noch nicht zu Ende: „Wir kämpfen weiter für eine Investorenlösung und haben mit der Einrichtung der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft etwas Zeit gewonnen. Sollte es in den nächsten vier Monaten zu einer Einigung mit einem Interessenten kommen, könnten die Mitarbeiter wieder Beschäftigung bei Waggonbau Niesky finden.“