SZ + Pirna
Merken

Bürgerrat Pirna: So soll Pirnas Markt lebendiger werden

Erstmals hat ein besonderes Gremium Vorschläge zu einem konkreten Thema erarbeitet. Nun ist der Stadtrat gefragt.

Von Thomas Möckel
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Pirnas berühmter Canaletto-Blick: Nach dem Willen des Bürgerrates soll diese historische Achse bewahrt und erhalten werden.
Pirnas berühmter Canaletto-Blick: Nach dem Willen des Bürgerrates soll diese historische Achse bewahrt und erhalten werden. © Daniel Förster

Es ist ein Novum in der Pirnaer Stadtratsgeschichte: Erstmals hat ein Bürgerrat Vorschläge zu einem bestimmten Thema erarbeitet, die Ergebnisse jetzt öffentlich präsentiert und dem Kommunalparlament übergeben. Die Gründung des Bürgerrats geht auf einen Antrag der Stadtratsfraktion „Bündnis 90/Die Grünen/SPD“ zurück, dem die Abgeordneten – mit Ausnahme der AfD – 2022 zustimmten. Die Antragsteller wollten auf diese Weise die Pirnaer noch direkter an wegweisenden Entscheidungen beteiligen sowie Demokratie und Demokratieverständnis fördern.

Ein solcher Bürgerrat soll sich immer mit einem konkreten Sachverhalt beschäftigen, das Thema war schnell gefunden. Es ging um Pirnas zentralen Platz in der Altstadt. 2007 war der Obermarkt autofrei geworden, 2022 wurde der Markt für den Durchgangsverkehr gesperrt, gleichwohl gibt es noch einiges zu verändern. Somit befasste sich der Bürgerrat mit der Thematik „Gestaltung des Marktplatzes – Historischer Marktplatz im 21. Jahrhundert“.

Um den Bürgerrat zusammenzustellen, hatte das Rathaus im Sommer vergangenen Jahres 1.000 zufällig ausgewählte Pirnaer angeschrieben, ob sie sich vorstellen könnten, in dem Gremium mitzuwirken. 51 vollständig ausgefüllte Rückmeldebögen kamen zurück, aus den Bewerbern wurden 15 Frauen und 15 Männer verschiedenen Alters per Losverfahren für die 30 Plätze im Bürgerrat ausgewählt. Als die Besetzung stand, tagte der Bürgerrat zweimal, die Mitglieder arbeiten 14 Stunden gemeinsam und entwickelten 44 Ideen, die aber nicht alle weiterverfolgt wurden. Die Arbeit mündete in einem 47 Seiten umfassenden Bürgergutachten, dass nun öffentlich vorgestellt und dem Stadtrat übergeben wurde. Aus der Arbeit kristallisierten sich drei Handlungsfelder mit insgesamt 26 Empfehlungen heraus. Sächsische.de gibt einen Überblick über die Details.

Lebendiger Markt

Botschaft 1: Die Ansicht des Canaletto-Bildes „Der Marktplatz zu Pirna“ soll erhalten bleiben.

Empfehlungen:

  • Die historischen Gebäude und Fassaden (die Ansicht des Canaletto-Bildes) sollen erhalten bleiben.
  • Die Stadtgeschichte sollte noch besser vermittelt werden, beispielsweise durch neu aufgestellte digitale Infotafeln über die Historie und Angebote der Stadt. Auch die Brunnen mit ihrer historischen Bedeutung sind erklärungsbedürftig und sollten besser erläutert werden.
  • Kulturelle Veranstaltungen sollen weiter bekannt gemacht und gepflegt werden.
  • Häuser, Brunnen und andere Bauten sollen erhalten und aufgewertet werden, hinzu könnten Infotafeln oder QR-Codes kommen, die über die Nutzung informieren.

Botschaft 2: Der Marktplatz ist lebendiger Mittelpunkt und das Herz Pirnas.

Empfehlungen:

  • Das lebendige Marktgeschehen soll weiter gefördert werden, unter anderem die gastronomische Vielfalt, das geschäftliche Treiben, Veranstaltungen, Stadtführungen, sowie Märkte und Konzerte.
  • Die Öffnungszeiten vom Touristservice Pirna und die Nutzungszeit der öffentlichen Toiletten sollten erweitert werden.
  • Digitale, mehrsprachige Infotafeln können außerhalb der Öffnungszeit vom Touristservice Pirna genutzt werden.
  • In der heutigen Zeit ist die Internetverfügbarkeit unverzichtbar. Ein WLAN-Hotspot sollte auf dem Marktplatz eingerichtet werden.

Botschaft 3: Gastronomie, Wochenmärkte und Handel weiter stärken.

Empfehlungen:

  • Der Marktplatz ist sehr gut geeignet für Kulturangebote. Händler sollten bei Festen und Märkten noch stärker eingebunden werden. Wichtig sind auch Gespräche und ein regelmäßiger Austausch mit Händlern und Gastronomen, wie der Markt attraktiver werden kann.
  • Das kulturelle Angebot sollte öffentlichkeitswirksam kommuniziert werden.
  • Vielfältige Kulturangebote sollten gefördert und örtliche Kulturschaffende einbezogen werden.
  • Anzustreben ist ein stetiges Angebot über den Wochenmarkt am Mittwoch und Samstag hinaus.
  • Kulturelle Angebote und Events sollten im öffentlichen Raum beworben werden.
Sitzung des Pirnaer Bürgerrates: Zwei Treffen, 14 Stunden Arbeit, im Ergebnis ein 47 Seiten starkes Bürgergutachten.
Sitzung des Pirnaer Bürgerrates: Zwei Treffen, 14 Stunden Arbeit, im Ergebnis ein 47 Seiten starkes Bürgergutachten. © Stadt Pirna

Autofrei – barrierefrei – attraktiv für Radfahrer

Botschaft 1: Wir können uns einen autofreien Markt gut vorstellen.

Empfehlungen:

  • Der Marktplatz sollte für den Durchgangsverkehr gesperrt bleiben.
  • Ein sinnvolles Verkehrskonzept sollte eingeführt werden, um die Poller auf dem Marktplatz zu reduzieren.
  • Reguläre Parkplätze können abgeschafft werden.
  • An der Westseite sollten Behindertenparkplätze eingerichtet werden.
  • Für Anwohner sowie den Lieferverkehr sollten Sonderregelungen gelten, um kurzzeitiges Parken und Durchfahrt unter bestimmten Voraussetzungen zu ermöglichen.

Botschaft 2: Der Marktplatz sollte barrierefrei sein.

Empfehlungen:

  • Die Bodenbeschaffenheit des Fußweges sollte barrierefrei, eben und trittsicher ausgebaut werden.
  • Das historische Pflaster sollte belassen werden; für die Nutzung durch Rad, Rollstuhl, Kinderwagen etc. soll jedoch ein barrierefreier Weg entstehen.

Botschaft 3: Mehr Fahrradständer und Ladesäulen für E-Bikes.

Empfehlungen:

  • Der Marktplatz soll fahrradfreundlich gestaltet sein, ohne den historischen Charakter des Marktes einzuschränken. Das heißt: Schaffung von weiteren Fahrradstellplätzen außerhalb des Canaletto-Blicks und Bereitstellung von Ladesäulen in unmittelbarer Umgebung des Marktplatzes, aber nicht auf dem Marktplatz selbst.

Botschaft 4: Kleinere Lkw sorgen für mehr Sicherheit auf dem Marktplatz.

Empfehlungen:

  • Der Marktplatz sollte nur für Lkw bis 3,5 Tonnen zugelassen werden.
  • Lieferverkehr sollten zeitlich beschränkt werden.

Der "grüne" Canaletto-Blick

Botschaft 1: Wir wünschen uns mehr Sitzgelegenheiten, die zum Verweilen einladen. Die Beschattung des Marktplatzes ist zu gewährleisten.

Empfehlungen:

  • Natürlich beschattete Sitzgelegenheiten auf dem Obermarkt sollten geschaffen werden – z. B. um die Brunnen. Die Brunnen könnten auf diese Weise erlebbar gemacht werden.
  • Das Erscheinungsbild der Außengastronomie am Untermarkt sollte harmonisiert werden.

Botschaft 2: Thematisch passende Spielelemente und schöne Bepflanzung können die Baulücke an der Ecke Schlossstraße/Frohngasse aufwerten.

Empfehlung:

  • Die Baulücke an der Ecke Schlossstraße/Frohngasse sollte neugestaltet werden, einhergehend mit der Vergrößerung des Spielplatzes, beispielsweise mit Kletterfelsen, neuen Spielgeräte, Wasserlauf, etc. Ebenso sollte es einen Ruhebereich mit Bänken und Liegen geben.

Wie es weitergeht

Das Bürgergutachten ist dem Stadtrat übergeben worden. In den folgenden Sitzungen sollen die Empfehlungen diskutiert und behandelt werden. In einem anschließenden Workshop mit der Stadtverwaltung wird das Format „Bürgerrat“ und deren Ergebnisse ausgewertet und im optimalen Fall als Bürgerbeteiligungsverfahren in der Stadtverwaltung Pirna verankert.

Ob und was genau umgesetzt wird, steht derzeit noch nicht fest. Das vom Bürgerrat erarbeitete Papier ist für den Stadtrat nicht bindend, er muss den Vorschlägen nicht folgen – dann aber der Stadtgesellschaft einen abweichenden Beschluss ausführlich begründen.

Das komplette Bürgergutachten gibt es hier zum Nachlesen.