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Neubautrasse Dresden-Prag: Alle Fragen und Antworten zur 30-Kilometer-Röhre

Die neue Trasse wird von Heidenau aus durch eine 30 Kilometer lange Röhre bis Tschechien führen. Doch ehe dort Züge rollen, dauert es noch mehrere Jahre.

Von Thomas Möckel
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Neubaustrecken-Projektleiter Kay Müller: Die Volltunnelvariante liegt in allen drei Kriterien-Bereichen vorn.
Neubaustrecken-Projektleiter Kay Müller: Die Volltunnelvariante liegt in allen drei Kriterien-Bereichen vorn. © Jürgen Lösel

Seit mehreren Jahren schon plant die Deutsche Bahn eine neue Strecke zwischen Dresden und Prag. Das Projekt ist von europäischer Bedeutung, soll doch die neue Trasse eines der letzten Nadelöhre auf dem Nord-Süd-Bahnkorridor – die bis an die Kapazitätsgrenze ausgelastete Elbtalstrecke zwischen Pirna und Děčín – umfahren. Der Korridor reicht von Skandinavien bis zum Balkan. Zudem sollen sich so die Fahrzeiten von Dresden nach Prag und später auch von Berlin nach Wien um die Hälfte verkürzen. Heute ist man zwischen Dresden und Prag über zwei Stunden unterwegs.

Die neue Strecke soll zwischen Heidenau und Pirna von der bestehenden Elbtalstrecke abzweigen und dann durch einen Tunnel unter dem Erzgebirge hindurch bis Tschechien führen. Wird der Tunnel gebaut, wäre er dann der längste sowie der erste grenzüberschreitende Tunnel Deutschlands. Das Neubauprojekt hat schon verschiedene Verfahren durchlaufen, in den zurückliegenden Monaten plante die Bahn zwei infrage kommende Streckenvarianten durch, um gestern ihre Vorzugsvariante zu präsentieren. Sächsische.de fasst zusammen, wie sie die Bahn entschieden hat, welche Reaktionen es gibt und wie es mit dem Vorhaben weitergeht.

Für welche Variante hat sich die Bahn entschieden?

Die Bahn hat sich für die sogenannte Volltunnelvariante entschieden. Bei dieser zweigt die neue Strecke in Heidenau etwa in Höhe des Haltepunktes Großsedlitz von der Elbtalstrecke ab, führt dann über die Staatsstraße 172 und verschwindet unmittelbar dahinter im Tunnel, der dann mit einer Länge von reichlich 30 Kilometer bis nach Tschechien führt. Diese Volltunnelvariante basiert zu Großteilen auf Vorschlägen der Bürgerinitiative „Basistunnel nach Prag“ aus Dohma, eine Nachbargemeinde von Pirna. Für diese Streckenvariante hatten im Vorfeld auch die meisten der vom Bau betroffenen Anrainer-Kommunen und Anwohner votiert.

Aus dem Rennen ist damit die teiloffene Variante. Sie hätte von Heidenau aus zunächst durch einen kurzen Tunnel bis Pirna geführt, wäre dort wieder aufgetaucht, wäre dann mit einer riesigen Brücke über das Pirnaer Seidewitztal gegangen, um dann bei Dohma in einen 27 Kilometer langen Tunnel zu verschwinden. Vor allem Pirna und Dohma hatten sich gegen eine solche Streckenführung ausgesprochen.

Was spricht für die Volltunnelvariante?

Die Deutsche Bahn hat gemeinsam mit den Teilnehmern des sogenannten Dialogforums – bei dem regelmäßig Details des Vorhabens besprochen werden – einen Kriterienkatalog erarbeitet, anhand dessen die beiden Varianten den Angaben nach gleichberechtigt geplant wurden. Innerhalb dieser Planung gibt es nun ein eindeutiges Ergebnis. „Die Volltunnelvariante liegt in allen drei Bereichen – Umwelt, Verkehr und Technik, Wirtschaftlichkeit – vorn“, sagt Kay Müller, Projektleiter der Neubaustrecke bei der Deutschen Bahn. Daher sei sie die Vorzugsvariante der Bahn und erfülle auch die Kernforderung der Region.

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Für den Volltunnel spricht unter anderem , dass das Landschaftsbild im Seidewitzal erhalten bleibt, der Zugbetrieb leiser ist, Frischluftgebiete weniger tangiert werden, der Flächenverbrauch geringer ist, der Zugbetrieb genauso funktioniert wie bei der Teiltunnelvariante, die Bauausführung schonender ist und die Baukosten geringer ausfallen. Lediglich bei der Leistungsfähigkeit war die teiloffene Variante leicht überlegen, weil sie Kapazität für noch mehr Züge gehabt hätte. Aber auch die Volltunnelvariante entspricht der geforderten Kapazität: Später sollen über diese Strecke 150 Güterzüge sowie 48 Fern- und Nahzüge täglich rollen.

Wie fallen die Reaktionen aus?

„Durch den intensiven und vertrauensvollen Dialog mit allen Beteiligten und Bürgerinnen und Bürgern konnten wie die Variante stetig optimieren“, sagt Michael Walden, Konzernbeauftragter der DB für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Jetzt habe sich gezeigt, dass die von der Region favorisierte Volltunnelvariante bei allen wichtige Kriterien eindeutig vorne liege.

Für den sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), sei mit der veröffentlichten Trassenentscheidung ein weiterer Meilenstein bei diesem Projekt erreicht. „Im Vergleich aller relevanten Kriterien hat sich die Volltunnelvariante als die bessere herausgestellt“, sagt er. Das freue ihn, denn sie finde auch bei den Bürgerinnen und Bürgern in der Region größere Zustimmung.

Steffen Spittler von der Bürgerinitiative „Basistunnel nach Prag“ konnte seine Freude am Montag kaum zügeln. „Die Entscheidung für die Volltunnelvariante ist der Hammer“, sagt er. Für ihn sei sie sehr überraschend gekommen, damit hatte er nicht gerechnet – auch deswegen, weil es zwischen Bahn und Bürgerinitiative in letzter Zeit kriselte. Spittler hatte der Bahn mehrfach vorgeworfen, sie plane zu sehr auf die teiloffene Variante hin. „Nun aber ist die Entscheidung ein richtig guter Tag für die Demokratie“, sagt er. Die Bürgerinitiative hatte der Bahn mehrere bis ins Detail ausgearbeitete Volltunnelvarianten vorgelegt und über 37.000 Einwände gegen die teiloffene Strecke gesammelt.

Welche Bereiche tangiert das Projekt noch?

Der Bau der neuen Strecke umfasst nicht nur den Erzgebirgstunnel, sondern tangiert auch massiv die gesamte Bahnstrecke von Dresden nach Heidenau. In diesem Bereich müssen unter anderem rund 90 Weichen und etwa 46 Kilometer Gleise neu- und umgebaut werden. Der Bahnhof Dresden-Friedrichstadt soll zum Grenzbahnhof umgebaut werden. Vom Hauptbahnhof – Ende Südhalle bis etwa zur Gerhart Hauptmann-Straße – sind zwei neue Gleise erforderlich, auf denen Güterzüge dann 80 statt 60 km/h fahren können. Zwischen Dresden-Reick und Dresden-Strehlen ist ein zusätzliches Überholgleis nötig, in Dresden-Niedersedlitz müssen vier neue Gleise gebaut werden. Hinzu kommt der Umbau des Bahnhofs Heidenau zum Überholbahnhof, auch entstehen dort die Ein- und Ausfahrt in den Tunnel. Der Heidenauer FDP-Stadtrat Norbert Bläsner fordert einen besseren Lärmschutz: "Mit der heutigen Entscheidung könnte Heidenau zum Verlierer dieses Megaprojektes werden. Lärm, Flächenverbrauch und eine weitere Zerschneidung unseres Stadtgebiets sind mögliche Folgen."

Wie geht es mit der Neubaustrecke weiter?

Nach Abschluss der Vorplanung überreicht die Bahn die Planungsunterlagen an das Eisenbahnbundesamt. Das soll Mitte 2024 der Fall sein. Nach einer Prüfung gehen die Unterlagen ans Bundesverkehrsministerium, danach entscheidet der Bundestag über Umsetzung und Finanzierung der Vorzugsvariante. Das könnte im 2. Quartal 2025 geschehen. Nach einem sich anschließenden Planfeststellungsverfahren könnte laut der Bahn dann etwa 2032 Baurecht gegeben sein. Der Tunnelbau dauert dann rund zwölf Jahre.