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OB-Wahl Pirna: Was, wenn eine extreme Partei einen Bürgermeister stellt?

AfD-Kandidat Tim Lochner hat die Wahl in Pirna gewonnen. Der AfD-Landesverband ist als gesichert rechtsextrem eingestuft. Hat das Auswirkungen auf das Amt?

Von Thomas Möckel
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Mit Tim Lochner wird die AfD erstmals bundesweit einen Oberbürgermeister stellen.
Mit Tim Lochner wird die AfD erstmals bundesweit einen Oberbürgermeister stellen. © dpa/Sebastian Kahnert

Mit Tim Lochner wird die AfD erstmals bundesweit einen Oberbürgermeister stellen. Der 53-Jährige, der von der Partei nominiert wurde, aber selbst kein Mitglied ist, gewann am 17. Dezember den zweiten Wahlgang mit 38,5 Prozent der abgegebenen Stimmen, beim zweiten Votum reichte die einfache Mehrheit.

Wenige Tage zuvor hatte der sächsische Verfassungsschutz den sächsischen AfD-Landesverband als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, er ist nach den Landesverbänden Sachsen-Anhalt und Thüringen der dritte mit einer solchen Einstufung. Lochner hatte bereits vor dem zweiten Wahlgang erklärt, dass diese Einstufung nichts an seiner Kandidatur für die AfD ändere. Für ihn sei diese Einstufung politisch gesteuert und entbehre jeglicher Grundlage. Die Sachsen AfD geht juristisch gegen diese Einstufung vor.

Noch aber hat die Einstufung Bestand, und so stellt nun die als „gesichert rechtsextrem“ eingestufte sächsische AfD erstmal einen Oberbürgermeister. Friedhelm Hufen, Professor für Öffentliches Recht, Verwaltungs- und Staatsrecht an der Universität Mainz, auch acht Jahre Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, erklärt, ob und welche Auswirkungen das auf das Amt des Oberbürgermeisters hat.

Status ändert zunächst nichts an der Parteiarbeit

Grundsätzlich, sagt Hufen, ändere die Einstufung zunächst nichts an der Arbeit der Partei als solches. Der Status wirke sich in erster Linie auf den Verfassungsschutz aus, der dadurch mehr Überwachungsmöglichkeiten bekomme. Möglicherweise könnte die Einstufung auch Auswirkungen auf die Parteifinanzierung haben, das sei aber derzeit noch umstritten.

Die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ bedeute nicht, dass die sächsische AfD auch im rechtlichen Sinne verfassungswidrig oder gar verboten ist. Ob eine Partei verfassungswidrig ist, könne nur ein Verfassungsgericht entscheiden. Daher müsse die sächsische AfD zunächst weiterhin genauso behandelt werden wie jede andere zugelassene Partei. Sie habe laut Hufen beispielsweise auch einen Anspruch darauf, öffentliche Einrichtungen zu nutzen, es sei denn es bestehe konkreter Anlass zu der Vermutung, dass es zu strafbaren Handlungen wie etwa Volksverhetzung, Auschwitzlüge usw. kommen werde.

Oberbürgermeister wird auf die Verfassung vereidigt

Oberbürgermeister in Sachsen sind gemäß Paragraf 51 der sächsischen Gemeindeordnung hauptamtliche Beamte auf Zeit, sogenannte Wahlbeamte. Die Amtszeit beträgt sieben Jahre. Auch Lochner wird diesen Status innehaben, wenn er ernannt und vereidigt wurde. Daher gelten laut der Gemeindeordnung für derartige Amtsträger auch Vorschriften des Beamtenrechts.

Professor Dr. Friedhelm Hufen: "Ein Oberbürgermeister ist nach innen und nach außen eng an die Kette gelegt."
Professor Dr. Friedhelm Hufen: "Ein Oberbürgermeister ist nach innen und nach außen eng an die Kette gelegt." © Uni Mainz


Oberbürgermeister, sagt Hufen, würden auf die Verfassung vereidigt. Gemäß Paragraf 7 des Beamtenstatusgesetzes dürfe zum Beamten nur berufen werden, wer unter anderem die Gewähr dafür biete, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Daher sei vor der Ernennung von der Rechtsaufsichtsbehörde in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Gewählte diese Gewähr biete. Die bloße Mitgliedschaft oder die Unterstützung durch eine möglicherweise verfassungswidrige Partei reicht nicht aus, um das Gegenteil anzunehmen.

Etwas anderes sei es, wenn der Gewählte beispielsweise aktiv Aktionen unterstützt, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Lägen diesbezüglich keine Anhaltspunkte vor, müsse der Gewählte zunächst als Wahlbeamter ernannt werden.

Nur wenig Ermessensspielraum

Einmal ernannt, müsse ein Oberbürgermeister nach Aussage von Hufen bestimmte Pflichten erfüllen. So sei er in seiner Amtsfunktion dem Neutralitätsgebot verpflichtet, er dürfe als Rathauschef nicht die eigene Partei bevorzugen oder konkrete Wahlempfehlungen abgeben, muss insgesamt die Chancengleichheit von Parteien im politischen Wettbewerb achten.

Ebenso müsse ein Oberbürgermeister rechtmäßig handeln, tut er das nicht, sind die Dienstaufsicht und die Rechtsaufsicht – in konkreten Fall das Landratsamt – angewiesen, rechtswidriges Handeln zu beanstanden und darauf hinzuwirken, dass der Fehler korrigiert wird. Überdies können bei Dienstvergehen Sanktionen des Disziplinarrechts greifen, liege strafrechtlich relevantes Verhalten oder eine Verurteilung vor, könne ein Oberbürgermeister zunächst vom Dienst suspendiert werden, ehe er dann möglicherweise sein Amt verliert.

Bei Angelegenheiten des Bundeslandes, die die Kommunen erfüllen müssen – beispielsweise die Unterbringung von Flüchtlingen – unterliege ein Oberbürgermeister der Rechts- und Fachaufsicht der Landesbehörden, dem Rathauschef bleibe nach Aussage von Hufen dabei nur ein kleiner Ermessensspielraum. „Ein Oberbürgermeister ist daher sowohl nach innen als auch nach außen eng an die Kette gelegt“, sagt der Professor.

Sind die Bürger der Stadt unzufrieden mit der Arbeit des Oberbürgermeisters, kann er auch vorzeitig von ihnen abgewählt werden. Die sächsische Gemeindeordnung knüpft daran aber gemäß Paragraf 51 strenge Voraussetzungen. So ist für das Abwahlverfahren ein bestimmtes Bürger-Quorum nötig, auch muss ein solches Abwahlverfahren entweder durch ein Bürgerbegehren oder einen Stadtratsbeschluss eingeleitet werden, wofür auch bestimmte Stimmenverhältnisse gelten.