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Südumfahrung Pirna: Wenn sich Brücke und Tunnel treffen

An der Ortsumgehung ging es 2023 langsam aber beständig voran, mittlerweile läuft es routinemäßig – selbst bei einem bisherigen Sorgenkind.

Von Thomas Möckel
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Südumfahrung Pirna: Der Stahlunterbau der Gottleubatalbrücke ist inzwischen bis zum Kohlbergstadion vorgerückt.
Südumfahrung Pirna: Der Stahlunterbau der Gottleubatalbrücke ist inzwischen bis zum Kohlbergstadion vorgerückt. © Marko Förster

Gut sichtbar durchschneidet inzwischen ein stählernes Band das Gottleubatal in Pirna, hinter dem Geibeltbad und dem DDR-Museum zieht es sich entlang, rund 5.000 Tonnen schwer, etwa 600 Meter lang, es spannt sich von der Hangkante am Sonnenstein über die Viehleite, ehemalige rote Kasernen, die Rottwerndorfer Straße und die Gottleuba mittlerweile bis zum Kohlbergstadion.

Dieses Band ist der Stahlunterbau für die Gottleubatalbrücke, ihrerseits Teil der 3,8 langen Pirnaer Südumfahrung, die die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und –bau GmbH (Deges) seit Sommer 2017 bauen lässt. 916 Meter wird die Brücke einmal lang sein, sie ruht auf acht filigranen Pfeilern und zwei Widerlagern. Vom Sonnenstein bis zur Ostseite des Kohlbergs verläuft die Brücke bergab, der Höhenunterschied zwischen dem Widerlager auf dem Sonnenstein und jenem am Kohlberg beträgt 36 Meter – das ist in etwa so hoch wie ein zwölfstöckiges Haus.

Der Bau der Brücke geht mit einer besonderen Technologie vonstatten: Auf dem Sonnenstein haben die Bauleute einen sogenannten Taktkeller errichtet. Dort werden die in Tschechien und Ungarn vorgefertigten Stahlelemente verschweißt und final mit Korrosionsschutz behandelt. Immer wenn eine sogenannte Verschublänge fertig ist – rund 120 Meter – wird dieser Stahlbau über die Pfeiler in Richtung Kohlberg verschoben. Das Konstrukt gleitet dabei im Taktkeller und auf den Pfeilerköpfen über sogenannte Wippen, die die Kräfte aufnehmen und austarieren. Damit es flutscht, sind die Auflageflächen mit eingefetteten Teflonkacheln ausgelegt. Und weil der Brückenanfang aufgrund des enormen Gewichts zwischen den Pfeilern bis zu fünf Meter nach unten hängt, ist vorn ein sogenannter Vorbauschnabel montiert, der mit seiner Hydraulik den Stahlunterbau vor jedem Pfeiler anhebt.

Noch drei Verschübe bis zum Kohlberg

Neun Verschübe sind insgesamt erforderlich, bis der Stahlbau am Kohlberg ankommt, allerdings kam der Bau über einen längeren Zeitraum nicht so voran wie geplant. Die Gottleubatalbrücke, wegen ihrer schmalen Pfeiler ein statisch nicht ganz einfaches Bauwerk, entwickelte sich zuletzt zum einen enormen Bauzeit-Verlängerer. Das lag vor allem daran, dass die Pfeilerköpfe und die später an fünf Pfeilern vorgesehenen Längsträger – die sogenannten Vouten – weitere Planungen nach sich zogen, an bestimmten Stellen muss deswegen auch die Bauweise geändert werden.

Diese Zusatzplanungen sind in diesem Jahr abgeschlossen worden, seitdem gehen die Arbeiten der an der Brücke reibungslos vorwärts. 2023 gingen die Verschübe vier, fünf und sechs über die Bühne, alle im geplanten Rhythmus von etwa vier Monaten. Die Brückenbauer, sagt Ulrich Gawlas, Bauoberleiter der Südumfahrung, seien nun in einer festen Routine drin, Termine ließen sich konsequent einhalten. In den zurückliegenden Monaten sei es sogar gelungen, einige Wochen des Bauverzuges aufzuholen. So konnte der November-Verschub früher als geplant stattfinden.

Am 14. November rückte der Stahlbau ein weiteres Mal um etwa 120 Meter westwärts, mit einer Maximalgeschwindigkeit von 20 Meter je Stunde. Der rote Vorbauschnabel sowie ein Teil des Stahlskeletts schweben mittlerweile über dem Kohlbergstadion. Der siebte Verschub ist für März 2024 geplant, die beiden restlichen Verschübe sollen dann bis Sommer nächsten Jahres erledigt sein, dann ist das Widerlager am Kohlberg erreicht. Von dort aus sind es nur noch wenige Meter bis zum Kohlbergtunnel. Fertig ist die Brücke damit aber längst noch nicht: Nach dem Verschub – der aus statischen Gründen etwa 1,50 Meter über den Pfeilerköpfen vonstattengeht – muss die Brückenkonstruktion abgesenkt werden, das dauert mehrere Monate. Danach werden die Vouten betoniert, erst dann folgt der Straßenbau.

Tunnel-Ostportal: Etwa auf dem Niveau der Stahlelemente führt später die Straße in den Kohlbergtunnel.
Tunnel-Ostportal: Etwa auf dem Niveau der Stahlelemente führt später die Straße in den Kohlbergtunnel. © Thomas Möckel

Tunnelausbau soll Ende 2024 fertig sein

Auch ein weiteres ingenieurtechnisch anspruchsvolles Bauwerk barg in den vergangenen Jahren immer wieder Konfliktpotenzial in sich. Dass der Bau des 300 Meter langen Kohlbergtunnels aufgrund des brüchigen Gesteins im Innern nicht einfach werden würde, war vorher klar. Die Röhre, von der 250 unter Tage entstehen, wurde im sogenannten bergmännischen Vortrieb – also Gestein rausmeißeln und abtransportieren – geschaffen.

Das ging wie vorgesehen nur langsam voran, 2021 wurde der Zeitplan aber weiter durcheinander geworfen, weil die Tunnelbauer – wegen eines Streits mit der Deges – die Arbeiten für drei Monate komplett einstellten. Ende 2022 war dann der finale Durchbruch zur Ostseite des Kohlbergs geschafft, doch danach ruhten die Tunnelarbeiten wieder mehrere Monate. Die Deges war im Frühjahr 2023 nahe dran, den Vertrag mit der Tunnelbau-Firma zu kündigen und die restlichen Arbeiten neu auszuschreiben.

Letztendlich einigten sich beide Seiten im Sommer dann doch, die Arbeiten am Tunnel wurden fortgesetzt. Für 2024 ist nun der Innenausbau des Tunnels vorgesehen, sowohl Sohle als auch die Röhre an sich erhalten ihren finalen Beton, auf der Westseite werden noch 50 Meter Tunnel in offener Bauweise errichtet, vor dem Westportal entstehen überdies noch ein Betriebsgebäude sowie ein Löschwasser- und ein Schadstoffbecken. Der Tunnelausbau soll laut der Deges bis Ende 2024 fertig sein.

Die Südumfahrung insgesamt wird allerdings ehestens Ende 2026 fertig, wegen des Verzugs an Brücke und Tunnel hat sich die ursprünglich auf fünf Jahre veranschlagte Bauzeit inzwischen nahezu verdoppelt. Auch die Kosten sind drastisch gestiegen – von anfänglich 97 Millionen auf inzwischen 230 Millionen Euro. Signifikant weitersteigen sollen sie nun nicht mehr. "Die größte Kostenentwicklung", sagt Bernhard Blümel, Projektleiter für die Südumfahrung bei der Deges, "haben wir hinter uns."