SZ + Pirna
Merken

Todesstrecke S173: Wieso kracht es so häufig zwischen Pirna und Berggießhübel?

Immer wieder verunglücken auf dieser Trasse Menschen tödlich, die Ursache ist meist dieselbe. Baulich verändern lässt sich kaum noch etwas.

Von Thomas Möckel
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Tödlicher Unfall auf der S173 am 14. August 2021: Ein 54-jähriger Opel-Fahrer stieß frontal gegen den Baum starb noch an der Unfallstelle.
Tödlicher Unfall auf der S173 am 14. August 2021: Ein 54-jähriger Opel-Fahrer stieß frontal gegen den Baum starb noch an der Unfallstelle. © Marko Förster

Es waren wenige Tage im August 2006, als sich Tragödien ereigneten, die es in diesem Ausmaß und derart gehäuft so in dieser Region noch nicht gegeben hatte. Auf der Staatsstraße 173 zwischen Pirna-Zehista und dem Dohmaer Ortsteil Cotta starben drei Menschen bei Verkehrsunfällen – innerhalb von nicht einmal einer Woche. An einem Abend hatte eine 62-jährige Renault-Fahrerin nach der Kurve an der Einmündung der Straße „Am Tunnel“ in Dohma auf regennasser Straße offenbar die Kontrolle über den Wagen verloren und war gegen einen Baum gekracht. Der 69-jährige Beifahrer starb.

Keine 14 Stunden später verunglückte an derselben Stelle ein 41-jähriger Taxifahrer, sein Mercedes kam ebenfalls auf regennasser Fahrbahn von der Straße ab und kollidierte mit einem Baum. Obwohl Notarzt und Sanitäter schnell am Unfallort waren, starb der Mann im Rettungswagen. Wie Ermittlungen der Polizei ergaben, war der Taxifahrer nicht angeschnallt. Und eine knappe Woche zuvor war ein 74-Jähriger auf dieser Strecke mit einem BMW ungebremst gegen einen Baum gerast. Auch er überlebte diesen Unfall nicht.

Die drei Todesopfer waren nicht die einzigen, die an der Trasse zwischen Pirna und Berggießhübel zu beklagen waren. Immer wieder verunglücken Menschen auf der S173 tödlich, erst vor wenigen Tagen gab es dort einen schrecklichen Unfall. Ein 58-jähriger Fordfahrer hatte am 22. Juni auf dem Teilstück zwischen dem Cottaer Kreisel und dem Abzweig nach Goes in einer Linkskurve die Kontrolle über das Auto verloren. Der Wagen schleuderte gegen einen Baum und wurde in mehrere Teile zerrissen, der Fahrer und sein 27-jähriger Sohn starben.

Über allem stehen nun die Fragen: Was macht diese Strecke so gefährlich? Warum verunglücken dort immer wieder Autofahrer tödlich? Sind die Unfallzahlen auf diesem Streckenabschnitt überhaupt ungewöhnlich hoch? Und lässt sich noch etwas verändern, um die Trasse sicherer zu machen?

Häufigste Unfallursache: Überhöhte Geschwindigkeit

Wie viele Menschen insgesamt in den zurückliegenden Jahren auf der Strecke verunglückt sind, lässt sich nicht in Gänze erfassen, die Polizei hat auf Anfrage von Sächsische.de aufgrund des aktuellen Falls eine Statistik zusammengefasst, die vom 22. Juni 2023 bis zum 1. Januar 2015 zurückreicht. Danach ereigneten sich in diesem Zeitraum auf der S173 zwischen Pirna und Berggießhübel insgesamt 128 Verkehrsunfälle, dabei wurden 58 Menschen verletzt, fünf starben.

Eine der Hauptunfallursachen stelle laut der Polizei eine „nicht angepasste Geschwindigkeit“ dar. Dies bestätigt auch die Stadt Pirna, die sich auf eine Auswertung der hiesigen Unfallkommission bezieht. Auch demnach seien fast alle Unfälle auf diesem Streckenabschnitt auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen.

Dass es in diesen Fällen einen bestimmen Punkt gibt, an dem es immer wieder kracht, ist nicht der Fall. Nach Aussage der Polizei gebe es zwar auf dem Abschnitt der S173 zwischen Cotta und Berggießhübel zwei sogenannte Unfallhäufungsstellen. Der Bereich, in dem sich der Unfall am 22. Juni 2023 ereignete, sei im Übrigen keine Unfallhäufungsstelle. Auch das deckt sich mit Aussagen der Stadt und der Unfallkommission.

S173 bei Dohma nahe der Bushaltestelle "Am Tunnel": In diesem Bereich wurde erst kürzlich ein Tempolimit von 70 angeordnet.
S173 bei Dohma nahe der Bushaltestelle "Am Tunnel": In diesem Bereich wurde erst kürzlich ein Tempolimit von 70 angeordnet. © Marko Förster

Belag ist griffig, Höchsttempo ist reduziert

Unabhängig von den drei tödlichen Unfällen binnen einer Woche im Sommer 2006 hatte das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) seinerseits schon seit längerer Zeit geplant, entlang der Strecke Leitplanken zu installieren. Mittlerweile sind alle Kurvenbereiche mit derartigen Schutzplanken versehen, an denen größtenteils auch ein sogenannter Unterfahrschutz für Motorradfahrer vorhanden ist. Künftig noch weitere Fahrzeugrückhaltesysteme – also Leitplanken – zu installieren, sei laut des Lasuv nicht geplant.

Zudem wurde in den vergangenen Jahren die Deckschicht auf der Straße erneuert. Der Belag habe sich nach Aussage des Lasuv zuletzt als nicht mehr ausreichend griffig erwiesen. Zuletzt wurde diese Griffigkeit im Jahr 2021 gemessen, der Asphalt bekam dabei gute bis sehr gute Noten. Deswegen seien in dieser Hinsicht derzeit keine weiteren Arbeiten geplant.

Darüber hinaus wurde aufgrund der schon länger zurückliegenden Unfälle für den gesamten Abschnitt der S173 zwischen der ersten Kurve nach dem Kreisverkehr Cotta und einschließlich des Gewerbegebiets Dohma an der Hohen Straße auf eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h begrenzt. Angeordnet wurde dieses Tempolimit von der Stadt Pirna, sie ist die dafür zuständige Verkehrsbehörde. Ein zusätzliches Tempolimit besteht an der Baustellenzufahrt zur Südumfahrung nach der Einmündung der Straße nach Dohma.

Mehr Geschwindigkeitskontrollen geplant

Weitergehende Strecken entlang der S173 mit einem Tempolimit zu versehen, sei nach Aussage des Rathauses nicht zielführend. Der Unfall am 22. Juni beispielsweise habe sich innerhalb einer jetzt schon auf Tempo 70 begrenzten Strecke ereignet. Das Limit auf 50 km/h herabzusetzen, setze nicht an der Unfallursache an und widerspräche überdies auch den gesetzlichen Bestimmungen. Ein Überholverbot für den Streckenabschnitt anzuordnen, sei aus Sicht der Stadt nicht notwendig. So gibt es das Fazit: Die objektiven Verkehrsverhältnisse hinsichtlich Straßenbeschaffenheit und geltender Verkehrsregelung ließen nach Auffassung von Lasuv, Polizei und Stadt auf der Strecke keine Verkehrsunfälle erwarten.

Den Ausweg, um die Strecke sicherer zu machen und darauf zu achten, dass sich alle an das Tempolimit halten, sei aus Sicht der Stadt einzig und allein jener, dass die Geschwindigkeitskontrollen intensiviert werden, für die auf diesem Abschnitt die Polizei und das Landratsamt zuständig sind. Bislang gab es dabei aber ein Problem: Auf den Tempo-70-Abschnitten konnte die Geschwindigkeit bisher nicht gerichtsfest gemessen werden, weil der normierte Mindestabstand zwischen Messwagen und Tempolimit-Verkehrszeichen von 150 Meter nicht eingehalten wurde. Dem sei zwischenzeitlich abgeholfen worden, sodass das Landratsamt nun Geschwindigkeitskontrollen in diesem Bereich verstärkt in die Planung aufnehmen will.

Darüber hinaus ist es auch fast unmöglich – und auch nicht gewollt – Straßenbäume zu entfernen, um zu verhindern, dass Autos daran zerschellen. Straßenbäume und Alleen hätten laut des Lasuv vielfältige landschaftsästhetische, ökologische, verkehrslenkende und kulturhistorische Funktionen inne. Sie prägen die Landschaft, vernetzen Lebensräume, sind selbst Lebensraum für Vögel, Kleinsäuger und Insekten, filtern Staub und Abgase und kühlen die Umgebung. Fällungen in größerer Zahl wären naturschutzrechtliche Eingriffe in Natur und Landschaft – und unzulässig, wenn sie vermieden werden können.