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Bautzener Bar warnt vor 5G-Netz

Im Internet macht das Foto eines Kassenbons aus dem Lokal die Runde - mit eigenartigen Bemerkungen. Das steckt dahinter.

Von Theresa Hellwig
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Eine Bautzener Bar warnt auf ihren Kassenzetteln vor der nächsten Mobilfunkgeneration 5G.
Eine Bautzener Bar warnt auf ihren Kassenzetteln vor der nächsten Mobilfunkgeneration 5G. © twitter

Bautzen. Im Nu machte das Foto im Netz die Runde: Die Bautzener Bar „Black Cat“ hat auf ihrem Kassenbon eine Warnung vor der neuen Mobilfunk-Generation 5G veröffentlicht. „Die Bundesregierung will bis 2020 den neuen Mobilfunkstandard 5G einführen“, heißt es auf dem Zettel. „Experten bezeichnen dies als größten Angriff auf die Menschheit.“ Die Betreiber der Bar warnen, dass Langzeitschäden nicht absehbar seien – und bitten ihre Kunden: „Beziehen Sie Stellung.“

5G ist eine Art Reizwort geworden, um das Thema ranken viele Verschwörungsmythen. Gegner von 5G sind auch bei den Protesten an der B96 zu sehen, auf der Demonstration gegen die Coronapolitik in Berlin am vergangenen Wochenende oder auf den sogenannten Hygienedemos in Berlin.

Warum aber warnen Betreiber einer Bautzener Bar vor angeblichen Folgen von 5G? Lilli Jung, die mit ihrem Mann das Black Cat in der Schloßstraße betreibt, sitzt in der Sonne vor der Bar, eine Tasse in der Hand, ihr langer, weißer Rock flattert im Wind. Der Geruch von Gewürzen liegt in der Luft. Jung, die sich selbst als naturverbunden beschreibt, redet sicher, bestimmt. „Das Foto des Kassenzettels ist echt“, sagt sie. „Ich bin gerne bereit zu reden.“ Sie wisse, dass „manche Menschen uns als Verschwörungstheoretiker hinstellen“, sagt sie, aber „ich weiß nicht, inwiefern das eine Verschwörungstheorie sein soll, wenn ich mich vor einer neuen Technologie sorge“.

Bundesamt: Schäden durch Mobilfunknetz nicht belegt

Warum die Betreiber den Text auf den Kassenzettel gedruckt haben? „Ich mache mir Sorgen“, sagt Jung, „die Leute machen sich zu wenig Gedanken, welche Auswirkungen 5G auf unseren Körper und das menschliche Zellsystem hat.“ Ihr sei wichtig, darüber reden zu können. „Die Langzeitfolgen der Strahlung“, sagt sie, „sind momentan nicht abzusehen.“

Aber was ist dran an Jungs Sorge? „Bislang gibt es keine wissenschaftlich bestätigten Belege“, erklärt das Bundesamt für Strahlenschutz, „für einen Zusammenhang zwischen den bei der Mobilfunk-Nutzung entstehenden elektromagnetischen Feldern und Erkrankungen beim Menschen.“ Gemeint ist damit das bereits bestehende Mobilfunknetz. 

Die einzige Wirkung, die nachgewiesen sei, sei eine Erhöhung der Körpertemperatur. Liege diese bei weniger als einem Grad Celsius, sei dies aber kein Problem – da der Körper über den Tag verteilt oder auch durch das Treiben von Sport ohnehin Temperaturschwankungen erlebe. Weil für die neue Mobilfunkgeneration 5G ohnehin zunächst die bereits vorhandenen Frequenzbänder eingesetzt werden – es ändert sich also nicht viel an der Strahlung –, seien die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse auch für 5G aussagekräftig.

Sorge, dass Strahlen das Immunsystem schwächen

Eine Unsicherheit gibt es laut dem Bundesamt für Strahlenschutz dennoch: In der Zukunft sollen auch höhere Frequenzbänder genutzt werden. Dazu gebe es „noch Forschungsbedarf“.

Lilli Jung führt ihre Ängste im Gespräch mit Sächsische.de noch weiter aus. Das Insektensterben und die Aufheizung des Erdklimas, vermutet sie, hängen mit dem Ausbau von Mobilfunkanlagen zusammen. Immer mehr Leute leiden unter Kopfschmerzen – wegen der Strahlung, denkt Jung. Die Strahlung schwäche die Zellen, sagt sie, und mache Menschen empfänglicher für Viren.

Gedanken wie diese weist das Bundesamt für Strahlenschutz entschieden ab. „Eine negative Wirkung von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern auf das Immunsystem ist bislang nicht wissenschaftlich nachgewiesen“, erklärt eine Sprecherin. Über den Zusammenhang zwischen Insektensterben und Strahlung klärt das Amt umfassend auf seiner Homepage auf. Auch hier heißt es: Es gibt „keine wissenschaftlich belastbaren Hinweise auf eine Gefährdung von Tieren und Pflanzen durch hochfrequente elektromagnetische Felder unterhalb der Grenzwerte“. Das Amt beruft sich dabei auf Studien.

Krude Quellen und vermeintliche Experten

Auch Lilli Jung nennt Quellen für ihre Sorgen. Sie beruft sich auf vermeintliche Experten; sagt, es gebe „viele Belege“ für ihre Theorien, auch von Ärzten. Immer wieder nennt sie Dr. Joachim Mutter, der laut seiner eigenen Homepage Facharzt für Hygiene- und Umweltmedizin ist. Jung hat an diesem Tag ein Materialpaket dabei. Darin enthalten ist zum Beispiel ein Flyer von einem Mann mit dem Namen Klaus Weber. Auch ein Flyer von Kla.TV steckt in dem Paket.

Zu der Frage, was es mit solchen Quellen auf sich hat, gibt der Verein „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ (GWUP) Auskunft. Klagemauer.TV oder auch Kla.TV wird betrieben von Ivo Sasek, einem Sektenführer aus der Schweiz. Der Sender verbreitet ein antisemitisches Weltbild, weiß Holm Hümmler von der GWUP, und hält regelmäßig sogenannte „Antizensur-Konferenzen“ ab. Dort bekommen auch Holocaust-Leugner ein Forum. Klaus Weber, jener Mann, dessen Flyer Jung verteilt hat, hielt dort einen Vortrag – und Joachim Mutter verbreitet seine Themen ebenfalls auf dem Sender. „Ein Großteil der Verschwörungsmythen um 5G“, sagt Hümmler, „geht auf Kla.TV zurück.“

Den Namen Ivo Sasek kenne sie nicht, sagt Lilli Jung. Und auch rechts sei sie nicht; ihr ginge es vor allem um die Auswirkungen von 5G auf Umwelt und Körper.

Viele Falschinformationen im Netz

Joachim Mutter ist Arzt. Muss dann nicht etwas dran sein an den Thesen? „Joachim Mutter ist kein Unbekannter im Milieu der Verschwörungsideologen“, sagt Benjamin Winkler, Fachreferent für Reichs- und Verschwörungsideologie von der Amadeu-Antonio-Stiftung. „Es gibt immer wieder Ärzte, die solche Behauptungen verbreiten“, sagt auch Holm Hümmler und meint etwa angebliche Belege für Schäden durch Strahlung. „Auffällig ist“, sagt Hümmler, „dass vielen davon die naturwissenschaftliche Kenntnis fehlt.“ Häufig würden Fakten verdreht, Dinge wie Metalle und Salze verwechselt oder falsche Zusammenhänge hergestellt. „Beim genaueren Hinsehen“, sagt auch Benjamin Winkler, „entpuppt sich der angebliche Experte häufig als Mensch, der keineswegs dieses Kriterium verdient.“

Winkler sieht vor allem in der Formulierung des „Angriffs auf die Menschheit“ ein Problem. Denn das lege nahe, dass „dieser Angriff bewusst erfolge“. Sicher, es sei wichtig, auch kritische Fragen in Bezug auf die Wirkung von 5G auf Mensch und Umwelt zu stellen, sagt er. Das Problem sei vor allem eines: die Falschinformationen, die zu diesem Thema im Netz kursieren. 

Gibt es schädliche Auswirkungen durch Strahlen von Mobilfunkmasten für den Menschen? Die Betreiber der Bautzener Bar Black Cat befürchten das - und warnen davor auf sonderbare Weise.
Gibt es schädliche Auswirkungen durch Strahlen von Mobilfunkmasten für den Menschen? Die Betreiber der Bautzener Bar Black Cat befürchten das - und warnen davor auf sonderbare Weise. © Steffen Unger

Was ist das Problem an Verschwörungsmythen?

Eine Sorge vor den Auswirkungen von 5G oder ein verdrehtes Weltbild – wo liegen da die Grenzen? Und was ist so gefährlich an Verschwörungsmythen? Unter anderem dazu forscht Internet- und Extremismusforscherin Dr. Josephine Schmitt aus Bochum. Sie erklärt: „Verschwörungserzählungen konstruieren einfache, in sich geschlossene Weltbilder und Rollen.“ Menschen versuchten, sich dadurch komplexe Sachverhalte erklärbar zu machen.

Vor allem in gesellschaftlichen Krisensituationen seien Menschen empfänglich für solche Mythen, das gelte auch für die Corona-Pandemie. Was die Wissenschaftlerin des Center for Advanced Internet Studies damit meint, ist: „Pseudowissenschaftliche Verschwörungserzählungen bieten – zumindest oberflächlich – nachvollziehbare Erklärungsansätze für Geschehnisse, die sich zunächst schwer einordnen lassen.“ Die Verschwörungsmythen würden dann Halt und Sinnstiftung bieten.

Gefährlich kann das Ganze werden, weil in den Verschwörungsmythen zumeist festgelegt ist, wer gut und wer böse ist, ordnet Schmitt ein. „In der Regel wird behauptet, dass es eine Gruppe oder bestimmte Akteure oder Akteurinnen im Hintergrund gibt, die die Fäden ziehen. Mit dieser Gruppe sind oft wirtschaftliche oder politische Eliten gemeint.“

Auch bei den verschiedenen Verschwörungen um die nächste Mobilfunkgeneration 5G verhalte es sich so: „Menschen, die an Verschwörungserzählungen zu 5G glauben und diese verbreiten, glauben oft daran, dass sich dahinter eine geheime Technologie von Regierungen oder ähnlichem verbirgt, die darauf abzielt, die Menschen zu vergiften, krank zu machen - oder gar Kontrolle über sie zu gewinnen“, erklärt Schmitt. Auch die politische oder finanzielle Elite könne als Schuldiger angesehen werden. Und das Motiv der „finanziellen“ Elite gehe oft auf antisemitische Verschwörungserzählungen zurück, womit bereits eine Brücke zu rechtsextremen Ideologien geschlagen sei.

Das könne am Ende sogar zu Gewalttaten führen. Denn wenn die hinter einer Verschwörung stehenden Akteure als zu mächtig wahrgenommen werden, so Schmitt, „dann erscheint Gewaltanwendung ein legitimes Mittel der Gegenwehr, gewissermaßen ein Akt der Selbstverteidigung“.

Das Stichwort 5G sei dabei im Übrigen ersetzbar: Wahlweise könne das Problem beispielsweise auch auf Mikrowellenstrahlung gespiegelt werden. 

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