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Rollender Protest

Mehr als 1.100 Biker demonstrieren gegen Fahrverbote – und feiern in der Rinne.

Von Katrin Saft
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Am späten Sonntagvormittag auf regennassen Straßen unterwegs: Rund 1.100 Motorradfahrer, die auch weiterhin an Wochenenden mit ihren Bikes herumfahren wollen.
Am späten Sonntagvormittag auf regennassen Straßen unterwegs: Rund 1.100 Motorradfahrer, die auch weiterhin an Wochenenden mit ihren Bikes herumfahren wollen. © Christian Juppe

Dresden. Wenn Olaf Linck seine Arbeit geschafft hat, setzt er sich am Wochenende auf seine schwarze Harley und fährt übers Land. „Für mich ein schöner Ausgleich, bei dem ich meine Heimat kennenlernen und mich mit Gleichgesinnten treffen kann“, sagt er. Der Inhaber einer Firma für Sanitär- und Heizungstechnik aus Dresden hat werktags einen 12- bis 14-Stundenjob. „Kommt der Bundesrat mit seiner Initiative durch, aus Lärmschutzgründen das Motorradfahren sonn- und feiertags zu verbieten, kann ich mein Hobby vergessen“, sagt er. Für Linck und Klaus-Dieter Lindeck vom Harley Chapter Dresden Anlass, zu einer Demonstration aufzurufen – und zwar zur ersten rollenden.

Der Veranstalter der Dresdner Harley Days, Mathias Lindner, organisierte auch die Biker-Demo mit. An diesem Wochenende hätten sich eigentlich wieder Hunderte Motorradfans zum Festival in der Flutrinne getroffen. Doch Corona ließ nur eine Mini-Version zu.
Der Veranstalter der Dresdner Harley Days, Mathias Lindner, organisierte auch die Biker-Demo mit. An diesem Wochenende hätten sich eigentlich wieder Hunderte Motorradfans zum Festival in der Flutrinne getroffen. Doch Corona ließ nur eine Mini-Version zu. © Christian Juppe

Mehr als 1.100 Biker aller Marken sind am Sonntagmittag dem Aufruf gefolgt – und das trotz Regens. Angeführt durch die Polizei, rollte die Kolonne fast 90 Minuten lang durch die Dresdner Innenstadt. 70 Ordner mehrerer Motorradklubs sperrten dazu kurzzeitig die Kreuzungen ab. Fußgänger am Straßenrand zückten ihr Handys, fotografierten und filmten.

Natürlich wissen die Biker, dass es unter ihnen Raser, Poser und Krawallmacher gibt. „Aber es kann nicht sein, deshalb gleich alle Motorradfahrer zu diskriminieren und in Mithaftung zu nehmen“, sagt Guido Bernütz von der Biker Union, Regionalbüro Chemnitz. Das sieht auch Bernd Obeth so, der mit seiner BMW aus Rodewisch zur Demo gekommen war. „Es gibt doch schon Lärmschutz-Gesetze“, sagt er. Bloß weil die Polizei unterbesetzt ist und es nicht schafft, deren Einhaltung zu kontrollieren und durchzusetzen, soll die Masse jetzt haften.“

Spaß trotz nassen Wetters und ernster Gründe, wegen derer die Biker auf die Straße rollten. Ein Fahrverbot an Wochenenden: für sie undenkbar!
Spaß trotz nassen Wetters und ernster Gründe, wegen derer die Biker auf die Straße rollten. Ein Fahrverbot an Wochenenden: für sie undenkbar! © Christian Juppe

Biker-Unions-Mann Bernütz fürchtet, dass Kommunen künftig bei jeder Anwohner-Beschwerde mit Verboten reagieren können und ein deutschlandweiter Flickenteppich von Sperrzonen entsteht, den niemand mehr überblickt. „In Sachsen, der Wiege des ostdeutschen Motorradfahrens, wäre das besonders bitter“ sagt er. Die Biker Union sei bereit, sich mit den Verantwortlichen die Problemstellen anzuschauen und andere Lösungen wie beispielsweise Geschwindigkeitsbegrenzungen zu finden.

Für viele Biker ist Motorradfahren nicht einfach nur ein Hobby, sondern Leidenschaft. Peter Jäschke aus Dresden zum Beispiel reihte sich mit seiner MZ, Baujahr 1959, in den Demonstrationszug ein. „Ich fahre seit 60 Jahren Motorrad“, sagt er. „Man kann die Gedanken frei lassen. Man riecht den Duft blühender Wiesen oder frisch geschlagenen Holzes.“ „Ein Gefühl von Freiheit, das wir uns nicht nehmen lassen wollen, sagt auch Yamaha-Fahrer Sebastian Währ, der mit 36 Jahren die jüngere Generation vertritt.

Das Tross fuhr von der Rinne im Ostragehege über das Terrassenufer, das Blaue Wunder, die Bautzner Straße, die Waldschlößchenbrücke, die Fetscherstraße und über die Wilsdruffer Straße zurück bis zur Rinne.
Das Tross fuhr von der Rinne im Ostragehege über das Terrassenufer, das Blaue Wunder, die Bautzner Straße, die Waldschlößchenbrücke, die Fetscherstraße und über die Wilsdruffer Straße zurück bis zur Rinne. © Christian Juppe

Demo-Organisator Linck sieht in Fahrverboten auch ein wirtschaftliches Problem. „Motorradfahrer kehren häufig ein“, sagt er. Landgasthöfe und Hotels würden Sperrungen zu spüren bekommen. Pastor Roberto Jahn vom Verein Christliche Biker Sachsen fordert die Bundesregierung auf, die deutschlandweiten Proteste ernst zu nehmen. „Fahrverbote nur für Biker verstoßen gegen den Gleichheitsgrundsatz“, sagt er.

Die für die Abschlusskundgebung im Dresdner Ostragehege angefragten Politiker allerdings hatten am Sonntag Wichtigeres vor als zu kommen. Nur einer ließ seine Unterstützung ausrichten – Sachsens Ex-Innenminister Heinz Eggert. „Biker sind keine moralisch verwerfliche Randgruppierung“, so Eggert, der seit 50 Jahren Motorrad fährt. „Gegen dieses Zerrbild sollten wir uns wehren.“

Ob sie Glück bringen? Etliche Fahrer hatten ihre Maskottchen dabei, so wie diesen Hoppel aus DDR-Produktion.
Ob sie Glück bringen? Etliche Fahrer hatten ihre Maskottchen dabei, so wie diesen Hoppel aus DDR-Produktion. © Christian Juppe

Die große Bühne in der Rinne stand noch vom Sonnabend. Denn eigentlich sollten am Wochenende im Ostragehege die Harley Days stattfinden. Mitveranstalter Mathias Lindner wollte es bei der coronabedingten Absage nicht belassen. Denn viele Biker aus ganz Deutschland hatten in Dresden schon vor langer Zeit ein Hotel gebucht. „Wir haben deshalb mit den derzeit maximal erlaubten 999 Harley-Fahrern ersatzweise ein kleineres Fest gefeiert“, sagt Lindner. Wirtschaftlich sei das zwar schwierig gewesen, aber ein Beweis dafür, dass auch in Coronzeiten etwas geht.“ Viele auswärtige Biker haben sich dann vor der Rückreise am Sonntag in den rollenden Demonstrationszug eingereiht. Am Straßenrand standen Passanten und winkten. Eine Frau hielt ein großes Pappschild hoch, als die Biker passierten: „Bis zum 1. August in Berlin!“

Geschafft: Der achtjährige Maddock kann sich freuen. Als perfekter Sozius hat er das Anliegen der Biker wie ein Großer auf die Straße gebracht.
Geschafft: Der achtjährige Maddock kann sich freuen. Als perfekter Sozius hat er das Anliegen der Biker wie ein Großer auf die Straße gebracht. © Christian Juppe

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