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Campen wird immer komfortabler

Teil 2 der Camping-Serie: Purismus ist schön, aber der Trend geht zum Glamour. Selbst Zeltplätze haben heute Sterne. Und manchmal Kapazitäten.

Von Susanne Plecher
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Das Bier ist gekühlt, der Grill ist an, die Aussicht in die Sächsische Schweiz ist fantastisch: Karsten, Mirjam, Deike und Joon aus Hamburg haben es sich in der Bergoase in Sebnitz-Mittelndorf gemütlich gemacht. Die Zelte waren schnell ausgeworfen, die
Das Bier ist gekühlt, der Grill ist an, die Aussicht in die Sächsische Schweiz ist fantastisch: Karsten, Mirjam, Deike und Joon aus Hamburg haben es sich in der Bergoase in Sebnitz-Mittelndorf gemütlich gemacht. Die Zelte waren schnell ausgeworfen, die © Matthias Rietschel

Unabhängig sein, den ganzen Tag an der frischen Luft verbringen und sich nicht ins Bürooutfit zwängen – diese Freiheiten sind für viele Camper Luxus. „Camping ist unwahrscheinlich populär geworden“, sagt André Balogh. Der Zeltplatz, den er in der Sächsischen Schweiz betreibt, ist bis Ende November ausgebucht. „In letzter Zeit mussten wir täglich um die 100 Absagen erteilen“, sagt er. Wer einen seiner 25 Plätze ergattert hat – Wanderer, Bergsteiger, Familien mit Kindern, Junge, Alte – sieht vom Frühstückstisch aus auf die Schrammsteine und wandert 15 Minuten bis ins malerische Kirnitzschtal.

Die „Kleine Bergoase“ in Mittelndorf bei Sebnitz gehört zu den kleinsten der rund 3.000 deutschen Campingplätze. Insgesamt haben sie etwa 230.000 Standplätze. Die meisten davon befinden sich in Bayern, Baden-Württemberg und an den Küsten. Dass die Übernachtungszahlen in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen sind, führt Christian Günther vom Bundesverband der Campingwirtschaft (BVCD) auf einen Imagewandel zurück: Galt Urlaub im Zelt oder Wohnwagen lange Zeit als unkomfortabel, sind die Angebote jetzt professioneller geworden und auch auf die Bedürfnisse von Nicht-Campern eingestellt.

Einmannzelt oder Luxusmobil: Was ist Trend?

„Es gibt wirklich für jeden etwas“, sagt Günther. Der Zeltbereich etwa reicht vom ultraleichten Minizelt, das in den Rucksack passt (ab etwa 30 Euro) bis hin zum großen Hauszelt, in dem bis zu acht Personen schlafen können (ab etwa 300 Euro). Für den Transport braucht es dann allerdings ein Auto.

Bei den Wohnmobilen ist vor allem die Auswahl an Einsteigermodellen erheblich gewachsen. „Es gibt kleine Wohnmobile, Kastenwagen, Vans zum Selbstausbauen. Sie machen nun den Einstieg erschwinglich“, so Günther. Für wenig Geld gibt es auch kleine Wohnanhänger, etwa den Mink Camper aus Island. Er sieht aus wie ein quergelegtes Ei auf Rädern und bietet trotz geringer Abmessung von vier mal zwei Metern Platz für eine Kleinfamilie. Kostenpunkt: 13.300 Euro. Wer viel Geld übrig hat, kann sich natürlich auch ein Luxuswohnmobil kaufen. Der Concorde Centurion Atego mit Hubbett, Außendusche in der Garage, Spülmaschine und Vier-Kamerarundumsicht-System zum Beispiel kostet knapp 500.000 Euro.

Was hat sich bei der Ausstattung getan?

Eine Menge – und für jeden Zweck etwas. Beispiel Zelt: Trekkingurlauber, die vor allem ein leichtes Zelt brauchen, das sich schnell aufbauen lässt und flink abtrocknet, werden auf moderne Nylon- oder Polyestergewebe mit UV-Hemmstoffen setzen. Für Familien, die wochenlang am gleichen Platz bleiben, kommt es eher auf Größe, Raumklima und Regenfestigkeit an. Für ihre Zwecke ist das Mischgewebe Technical Cotton entwickelt worden, ein PU-beschichteter Baumwollstoff, der bei Regen so lange Wasser absorbiert, bis die Fasern aufgequollen sind und das Gewebe abdichten. Dadurch wird es ohne Versiegelung regenfest und bleibt atmungsaktiv, ist aber sehr schwer. Für Spontancamper oder Festivalbesucher gibt es leichte Wurfzelte, die innerhalb weniger Minuten unkompliziert aufgebaut sind.

Generell sind die meisten Materialien flammhemmend. Die Teleskop-Gestänge sind aus Alu oder Glasfiber und leicht, biegsam und strapazierbar. Ähnlich umfangreich ist die Auswahl bei Wohnanhängern und Caravans, bei Campingmöbeln, Luftmatratzen, Kochern und dem Zubehör vom Wäscheständer bis zum Camping-WC.

Wie ist die Ausstattung auf den Plätzen?

„Gemeinschaftsduschen habe ich schon lange nicht mehr gesehen“, sagt Christian Günther. Generell steige auf den Plätzen der Komfort. Separate Duschkabinen, oft sogar kleine Einzelbäder mit Dusche und WC, sind Standard. Dass man sich für die Dauer seines Aufenthaltes ein eigenes Bad mieten kann, wie in der Kleinen Bergoase, sei ebenfalls weitverbreitet. 

In seltenen Fällen stehen diese Mietbäder sogar direkt an der Parzelle, zum Beispiel in der Ferienanlage Tecklenburg im Münsterland oder im Camping In der Enz in der Nähe von Bitburg. Sogar abwaschen muss man auf manchen Plätzen nicht mehr selber. „Inzwischen gibt es immer mehr Gemeinschaftsküchen mit Geschirrspülern, die in zehn Minuten fertig sind“, so Günther.

Oder man produziert erst gar keinen Abwasch, denn nahezu an jedem Zeltplatz befindet sich eine Gaststätte. „Dort gibt es weit mehr als Fritten und Currywurst. Oft bieten die eine richtig gute Küche“, sagt Thomas Reimann vom ADAC.

Auch die Größe der Stellplätze hat sich wesentlich verändert. Mussten Zelt, Tisch, Stühle und Campingkocher früher auf eine Parzelle von 60 bis 70 Quadratmetern passen, sind viele Einzelplätze heute etwa 100 Quadratmeter groß. Platz genug also für ein extra Kinderzelt, ein eigenes Duschzelt, eine größere Campingküche oder den Zweittisch für den Grill.

Dieses Glamour-Camping, oder „Glamping“ gibt es auch im Wohnwagenbereich. Luxuriöse Vorzelte bieten sogar Platz für Lounge-Ecke, Küchenzeile mit Geschirrspüler und eigenes Bad. Mieten kann man das auch, etwa auf dem Campingplatz in Wusterhausen oder am Alfsee im niedersächsischen Rieste. „Aber für Puristen ist das nichts“, sagt Reimann. Campingeinsteigern legt er einen Tipp ans Herz: Niemals die Schuhe über Nacht draußen stehen lassen. Nicht wegen des Taus, der sie feucht machen könnte, sondern wegen nächtlicher Besucher. „Schuhe sind bei Füchsen sehr beliebt. Sie schnuppern daran, kauen darauf herum und nehmen sie mit – natürlich immer nur einen!“

Drei, vier oder fünf Sterne: Was ist der Unterschied?

Der BVCD und der Deutsche Tourismusverband bieten Zeltplatzbetreibern seit mehr als zehn Jahren eine freiwillige Klassifizierung an. Dabei werden Rezeption, Service, Sanitär und Standplätze geprüft. Einen Stern bekommt, was einfach aber zweckmäßig ist, zwei Sterne erhält, was darüber hinaus eine gute Ausstattung hat. Mit drei Sternen darf sich schmücken, wessen Gesamtausstattung komfortabel ist. Ist sie erstklassig und bietet gehobenen Komfort, gibt es vier Sterne. Für fünf Sterne müssen die Einrichtungen großzügig und von besonderer Qualität sein.

Auch der ADAC bewertet Campingplätze und legt dabei mit 39 Prozent besonderen Wert auf die Sanitärausstattung, mit 26 Prozent gehen das Gelände, Bademöglichkeiten und Freizeitangebote mit je 12,5 Prozent in die Wertung ein. 134 europäische und 18 deutsche Plätze hat der ADAC mit fünf Sternen bewertet, darunter der Campingpark Lux-Oase in Großröhrsdorf.

Gibt es Corona-Beschränkungen?

Camping gilt angesichts Corona als eine der sichersten Urlaubsformen und spricht auch Menschen an, die sich noch nie darauf eingelassen haben. Nach Auskunft des ADAC hat sich die Nachfrage nach freien Plätzen im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht. „Abstand halten ist für Camper kein Problem. Sie reisen individuell an, schlafen und wohnen in ihren eigenen vier Wänden und verfügen vielfach auch über eigene sanitäre Einrichtungen“, sagt Maximilian Möhrle, Geschäftsführer des Campingportals camping.info. Auf deutschen Plätzen gibt es keine Kapazitätsbegrenzungen mehr. Grundsätzlich gelten die üblichen Hygiene- und Abstandsbeschränkungen, die das jeweilige Bundesland in seiner Corona-Verordnung vorschreibt. Diese unterscheiden sich minimal.

So ist in Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor der Tagestourismus nicht erlaubt, und Campingplätze müssen reserviert werden. In Bremen dürfen sich auch beim Camping maximal zwei fremde Haushalte oder zehn Personen aus mehreren Haushalten treffen. In Hamburg bleiben Schlafsäle für mehr als vier Personen geschlossen. „In manchen Kommunen gibt es abweichende Regeln“, sagt Christian Günther. Viele Campingplätze würden aber schon auf ihrer Startseite online darüber informieren. Infos zum aktuellen Stand von Lockerungen und Restriktionen in jedem Bundesland bietet der neue Tourismus-Wegweiser des Bundeswirtschaftsministeriums und des Kompetenzzentrums Tourismus.

Ist das Campen wegen der Pandemie teurer geworden?

Eher nicht. Zwar hat der Bundesverband der Campingwirtschaft mit flächendeckenden Preiserhöhungen auf den Plätzen gerechnet. Doch die seien nur in wenigen Fällen eingetreten. Womöglich liege das an den Campingführern, die meist ein Jahr vorab gedruckt würden und in denen sich die Anbieter auf Preise festlegen. André Balogh hat seine Preise etwas angehoben. „Das liegt aber nicht an Corona, sondern an der generellen Preisentwicklung“, sagt er. Laut ADAC-Vergleichspreis zahlt eine dreiköpfige Familie in der Hauptsaison für einen Standplatz mit Caravan oder Zelt, Auto, Strom, Kurtaxe und Warmdusche pro Nacht insgesamt 42,75 Euro.

Wo kann man jetzt noch einen Platz bekommen?

Die Nachfrage nach dem Lockdown habe sich „explosionsartig“ entwickelt, vor allem die Küstenregionen sind ausgebucht, sagt Thomas Reimann. „Mein Tipp sind die typischen Durchreiseplätze in Deutschland, zum Beispiel entlang der Urlaubsrouten. Sie werden weniger von Reisenden aus Nachbarländern frequentiert, haben freie Kapazitäten und nicht selten auch einen angrenzenden See oder Weiher“, sagt er.

Auch Christian Günther verweist auf Plätze im Binnenland. „Selbst auf Rügen findet man dort jetzt noch etwas“, sagt er. 80 Prozent der Campingplätze in der Datenbank des BVCD liegen übrigens an einem Badegewässer. Auch in Kroatien, Italien oder in Frankreich gebe es noch freie Plätze, so Reimann. Der ADAC hat eine Übersicht über noch buchbare Plätze zusammengestellt.

Lesen sie morgen in unserer Serie: „Wie Kommunen auf den Camping-Boom reagieren“

Hier geht es zum ersten Teil: Der neue Boom auf Sachsens Campingplätzen.