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Kann ich jetzt noch zum Zahnarzt gehen?

Die Unsicherheit ist groß – unter Patienten wie unter Ärzten. Was Kammerpräsident Dr. Thomas Breyer rät – und warum er schon an die Zeit nach Corona denkt.

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Sicherheit geht vor – im Interesse von Patienten und Zahnärzten.
Sicherheit geht vor – im Interesse von Patienten und Zahnärzten. © 123rf

Herr Dr. Breyer, wie viele Patienten haben Sie heute Vormittag behandelt?

Insgesamt sechs. An einem normalen Montag sind es etwa doppelt so viele.

Und wie sieht es bei Ihren Kollegen in Sachsen aus?

Sehr unterschiedlich. Es gibt Praxen, die relativ normal arbeiten. Andere stehen inzwischen ohne Schutzmittel da. Die müssen sich notgedrungen aus der Versorgung zurückziehen. Das Gleiche gilt für Zahnärzte, die Kontakt zu Risikopersonen hatten oder selbst zu den gefährdeten Gruppen gehören, beispielsweise, wenn ihr Immunsystem nach einer Krebsbehandlung geschwächt ist. Diesen Kollegen bleibt nichts anderes übrig, als ihre Praxen zu schließen.

Wie viele Praxen sind bereits dicht?

Das kann ich nicht sagen, aber es sind definitiv nicht so viele, dass die Versorgung gefährdet ist. Wir tun unser Bestes, dass alle Zahnschmerzpatienten behandelt werden. Wenn Praxen geschlossen sind, springt der Notdienst ein. Der wird gerade durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung an den veränderten Bedarf angepasst.

Die Verunsicherung unter vielen Patienten ist groß. Kann man jetzt noch mit gutem Gewissen zum Zahnarzt gehen?

Wenn Sie Zahnschmerzen haben, bleibt Ihnen nicht viel anderes übrig. Schmerzmittel helfen da nur bedingt. Bei Vorsorgeterminen ist das etwas anderes. Viele Patienten haben auch schon von sich aus solche Termine abgesagt. Ob das wegen der Ausgehbeschränkungen erfolgte oder aus Verunsicherung, kann ich nicht sagen.

Wie lautet Ihre Empfehlung?

Ich rate jedem Patienten, den Zahnarzt anzurufen und gemeinsam mit ihm abzuwägen, was möglich und was sinnvoll ist. Am Ende kommt es auf drei Dinge an: auf den Patienten, auf die Praxis und auf die Behandlung.

Manche Patienten sorgen sich bereits, dass sie ihre Bonuspunkte nicht bekommen.

Die Sorge ist völlig unbegründet. Für die Vorsorgeuntersuchung ist das ganze Jahr Zeit. Und das Jahr hat gerade erst angefangen.

Die Zahl der Corona-Infizierten steigt auch in Sachsen täglich. Wie sollen sich diese Patienten verhalten, wenn sie nun auch noch akute Zahnschmerzen bekommen?

Wir sind gerade dabei, zwei Zentren in Sachsen für diese Situation vorzubereiten. Dort werden besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Sobald diese Zentren eingerichtet sind, werden wir also auch infizierte Patienten behandeln können.

Wo genau befinden sich diese Zentren?

Eines in Dresden, das andere in Leipzig. Relevante Patienten werden dorthin vermittelt. Dazu rufen sie entweder ihren Zahnarzt oder das Gesundheitsamt an.

Wir sprachen über die Verunsicherung unter Patienten. Wie sieht es bei den Zahnärzten aus?

Die ist sehr groß – weil das Hygieneregime bei diesem Virus ständig in Bewegung ist und wichtige gesicherte Erkenntnisse fehlen. Und weil es vielerorts an Schutzmitteln fehlt. Wir arbeiten sehr nah am Patienten. Deshalb können wir ohne ausreichende Schutz niemanden behandeln. Das gilt in normalen Zeiten und jetzt erst recht.

Woran fehlt es konkret?

Das geht querbeet – Schutzkittel, Masken, Handschuhe, Desinfektionsmittel. Aber ich betone: Das betrifft nicht alle Praxen. Und es gibt Depots, die immer wieder nachliefern, nur eben jetzt kontingentiert. Im Übrigen habe ich die Hoffnung, dass sich die Situation in den nächsten Tagen entspannt. Entsprechende Signale haben wir von der Bundesregierung erhalten. Auch die Tatsache, dass jetzt weniger Patienten in unsere Praxen kommen, sollte zur Entspannung beitragen.

Sie sagten bereits, dass Zahnärzte sowieso unter strengen Hygieneregeln arbeiten. Wurden die jetzt noch mal verschärft?

Ja. Wir passen auf, dass sich nur ein Patient im Wartezimmer aufhält. Der zweite befindet sich auf dem Behandlungsstuhl, der dritte muss leider draußen warten. Außerdem achten wir darauf, dass die Theke am Empfang nicht mehr berührt wird und alle relevanten Flächen regelmäßig desinfiziert werden.

Die Bundesvertretungen der Zahnärzte fordern von der Politik einen finanziellen Schutzschirm. Ist die Lage so ernst?

Den Zahnärzten geht es wie dem Friseur: Wenn er zumacht, kriegt er kein Geld. Zwar stehen die allermeisten Praxen nicht am Rande der Existenz. Aber es ist unser gutes Recht, bei Hilfen genauso berücksichtigt zu werden wie andere Arztgruppen. Es wird ein Leben nach Corona geben. Und auch dann wollen wir unsere Patienten überall im Land wieder ordentlich versorgen.

Das Gespräch führte Steffen Klameth.

Sachsens Zahnarztchef:

  • Dr. Thomas Breyer (58) hat Zahnmedizin in Leipzig und Erfurt studiert.
  • Als niedergelassener Zahnarzt führt er eine Praxis in Meißen.
  • Vergangenes Jahr wurde er zum Präsidenten der Landeszahnärztekammer Sachsen gewählt.

Über das Coronavirus informieren wir Sie laufend aktuell in unserem Newsblog.