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Corona ist wieder da!

In einem Kemnitzer Wohnheim ist die Zahl der infizierten Personen explodiert. Auch Sohland ist betroffen. Zudem gibt es ein böses Gerücht.

Von Constanze Junghanß & Markus van Appeldorn
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An der Tür des Wohnheims in Kemnitz gibt's eine Warnung für Besucher und Lieferanten.
An der Tür des Wohnheims in Kemnitz gibt's eine Warnung für Besucher und Lieferanten. © Markus van Appeldorn

Es ist wieder da! Oder war es nie wirklich weg? Corona! "Achtung!!! Besucher - STOP" warnt ein Aushang am Zugang des Behindertenwohnheims des Diakoniewerks Oberlausitz in Kemnitz. Und Lieferanten werden aufgefordert, ihre Ware draußen abzuladen. Wer das gehöftartige Anwesen nicht kennt, nimmt es von der Straße aus gar nicht wahr. Leicht oberhalb der Hauptstraße liegt es, nur über einen schmalen Weg erreichbar. Dieser an sich idyllische Ort bildet den aktuellen Hotspot im Corona-Geschehen im Landkreis.

Durch die Fenster kann man im Inneren etwas gespenstische Szenen beobachten, die an Seuchen-Thriller erinnern. Die Mitarbeiter sehen gerade nicht aus wie Betreuer, sondern eher wie ein Dekontaminierungs-Team. Sie tragen weiße Ganzkörper-Schutzanzüge, Gesichtsmasken. Fragen? Nein, bitte wenden Sie sich an das Diakoniewerk. Ein Mitarbeiter will doch sprechen. Ein paar Worte. Über die Situation, die für die Bewohner des Heims wie die Mitarbeiter gleichermaßen belastend ist.

Kein Familienleben wegen Kontaktverbot

"Wenn wir zu den Bewohnern in die Zimmer gehen, müssen wir diese Anzüge tragen", sagt der Mann. Aber auch ganz ohne Schutzanzug verlangt Corona den Mitarbeitern gerade eine Menge ab. "Wir haben strengstes Kontaktverbot", sagt er. Und für ihn etwa heißt das, wenn er nach der Arbeit nach Hause kommt: Ein Familienleben findet gerade nicht statt - jedenfalls nicht mit ihm. "Ich habe daheim jetzt ein eigenes Zimmer, ein eigenes Bad und esse auch nicht gemeinsam mit der Familie", erzählt er und fügt etwas verbittert an: "Am besten wär's, ich würde gleich hierbleiben."

Das Behinderten-Wohnheim des Diakoniewerks Oberlausitz in Kemnitz.
Das Behinderten-Wohnheim des Diakoniewerks Oberlausitz in Kemnitz. © Matthias Weber

Das gesamte Wohnheim mit seinen 33 Bewohnern hat das Gesundheitsamt des Landkreises unter Quarantäne gestellt, nachdem eine Mitarbeiterin und einige Bewohner positiv auf das Virus getestet wurden. Die Verantwortlichen haben schnell gehandelt. "Der erste Verdacht ist am Montag, 3. August, aufgetreten und wurde am Dienstag labortechnisch bestätigt", teilt das Diakoniewerk auf SZ-Anfrage mit. Der Verdacht habe sich ergeben, weil die betroffene Mitarbeiterin mit Symptomen einer Corona-Infektion einen Arzt aufgesucht habe.

Wo sich die Frau infiziert haben könnte, ist noch Gegenstand von Kontaktketten-Ermittlungen. Aus dem Ausland eingeschleppt hat sie das Virus ganz offensichtlich nicht. "Derzeit ist nicht bekannt, wo sich die erste Verdachtsperson angesteckt hat. Sie ist nicht aus dem Urlaub zurückgekehrt", heißt es dazu vom Diakoniewerk. Ebenso ist es aber auch möglich, dass sich die Mitarbeiterin bei einem Bewohner angesteckt hat. Die Bewohner gehen nach Mitteilung des Diakoniewerks zur Arbeit in die Behindertenwerkstatt in Löbau. 

Mittlerweile ist die Zahl der Infizierten regelrecht explodiert. Nach Mitteilung des Landratsamtes seien in dem Heim jetzt 30 Bewohner und zehn Mitarbeiter mit dem Virus infiziert. Derzeit müsse aber keine dieser Personen stationär behandelt werden. Einen Tag zuvor hatte das Amt noch von acht Infizierten gesprochen.

Ein Corona-Fall auch in einem Sohlander Heim

Wegen der Infektionen hat das Diakoniewerk für seine Kemnitzer Einrichtung die "Pandemiestufe 3 des 3-stufigen Pandemieplanes" ausgerufen. "Die dritte Stufe bedeutet nun ein generelles Kontaktverbot nach außen für die Bewohner und Mitarbeiter des Wohnheimes Kemnitz. Darüber hinaus halten wir uns an die Vorgaben des Gesundheitsamtes, die situationsbedingt angepasst werden", teilt das Diakoniewerk mit. Betroffen davon seien neben den Bewohnern 25 Mitarbeiter.

Der Martinstift in Sohland.
Der Martinstift in Sohland. © Constanze Junghanß

Betroffen von einem Corona-Infektionsfall ist nach Angaben des Landratsamtes auch das Behindertenwohnheim Martinstift in Sohland. Demnach wurde dort ein Bewohner positiv auf das Virus getestet. So der Stand am Mittwoch. Die Ergebnisse weiterer Tests stehen nach Mitteilung des Landratsamtes vom Donnerstag noch aus. Äußern möchte sich dazu Hausleiter Hagen Lehmann gegenüber der SZ nicht. Das Heim gehört zur Diakonie St. Martin mit Sitz in Rothenburg. Es befindet sich auf einer kleinen Anhöhe neben der Dorfstraße. Der Rotstein, Sachsens ältestes Naturschutzgebiet, liegt nur einen Katzensprung entfernt. Nahe dem Eingang steht ein grüner Sonnenschirm, auf dem Parkplatz einige Autos. Mitarbeiter oder Bewohner sind nicht zu sehen.

"Mit den Heimbewohnern kommt man eigentlich nicht in Kontakt", erzählt ein Sohlander, der seinen Namen nicht nennen möchte. Vor fast 30 Jahren habe er seinen Zivildienst im Heim gemacht. An einen gemeinsamen Urlaub mit den Heimbewohnern erinnert sich der Mann gern zurück. Dass im Dorf nun zum ersten Mal ein Corona-Fall nachgewiesen wurde, mache ihm kaum Sorgen. Gedanken macht er sich aber um die Heimbewohner. "Da waren ja damals schon viele Ältere dabei", erzählt er. Ältere Menschen zählten zur Risikogruppe. Wie viele Menschen aktuell im Martinstift leben, dazu schweigt Hausleiter Lehmann.

Ein Gerücht bestätigt sich nicht

Während im Heim in Kemnitz für das gesamte Haus eine Quarantäne angeordnet wurde, betrifft die Quarantäne in Sohland am Donnerstag nur einen Wohnbereich. Das bestätigt Kreissprecherin Julia Bjar auf Nachfrage. Ob weitere Quarantänen verhängt werden, richte sich nach den Testergebnissen. Nach SZ-Informationen besuchen einige der Bewohner der Heime Kemnitz und Sohland die Werkstatt für behinderte Menschen Löbau im Diakoniewerk Oberlausitz.

Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür vonseiten der Löbauer Werkstatt nicht. Ebenso bedeckt hält sich die Werkstattleiterin der Görlitzer Werkstätten, Margret Döring. Die Görlitzer betreiben eine Außenstelle in Reichenbach. Wie viele Sohlander Heimbewohner in der Außenstelle beschäftigt sind, wird nicht gesagt. Nur soviel: „Wir haben in den Görlitzer Werkstätten keinen Corona-Fall“, so Margret Döring. In Absprache mit dem Gesundheitsamt seien alle erforderlichen Regeln getroffen worden. Dazu zähle ein Hygieneplan in Zusammenarbeit mit dem Krisenstab. Der Mitarbeiter des Wohnheims in Kemnitz sagte dazu: "Diejenigen, die in Werkstätten arbeiten, sind mit der Bestätigung des ersten Corona-Falls im Heim geblieben.

Zwischenzeitlich gab es am Donnerstag das Gerücht, dass im Fachkrankenhaus Großschweidnitz mehrere Patienten Corona hätten. Das Klinikum bestätigte das auf Nachfrage nicht. Es gebe keine Corona-Fälle. Zwar habe man Verdachtsfälle testen lassen, alle Ergebnisse seien aber negativ gewesen, heißt es vom Krankenhaus. 

Korrekturhinweis 7. August, 11.00 Uhr: In einer ursprünglichen Fassung des Berichts hieß es, die erstinfizierte Mitarbeiterin im Kemnitzer Wohnheim des Diakoniewerks habe mehrere Bewohner mit dem Virus infiziert. Es ist aber ungewiss, ob die Infektion durch diese Mitarbeiterin oder einen Bewohner ins Haus kam. Wir bitten um Entschuldigung.

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