SZ + Dresden
Merken

Das Geheimnis der Ardenne-Rede im Kulti

Urania-Chef Karl-Heinz Kloppisch hatte es ermöglicht, dass der "Rote Baron" am 16. Oktober 1989 im Dresdner Kulturpalast sprechen konnte.

Von Kay Haufe
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Spannende Stunden im Kulturpalast erlebte Karl-Heinz Kloppisch vor allem am 16. Oktober 1989.
Spannende Stunden im Kulturpalast erlebte Karl-Heinz Kloppisch vor allem am 16. Oktober 1989. © Sven Ellger

Es gibt Ereignisse im Leben, die brennen sich ins Gedächtnis ein, sind stets abrufbar. Bei Karl-Heinz Kloppisch sind sie mit dem Namen Manfred von Ardenne verbunden. Mit ihm erlebte der Leiter des Urania Vortragszentrums Dresden und spätere Geschäftsführer des 1991 gegründeten Vereins einen außergewöhnlichen Abend im Kulturpalast. Seit 1969 bis 2012 fanden regelmäßig Urania-Veranstaltungen in den Kulturpalast-Sälen statt. Diese eine wird Kloppisch nie vergessen. Er hat den Auftritt des Roten Barons, wie von Ardenne in Dresden genannt wurde, vorbereitet. Für Sächsische.de erinnert sich der 66-Jährige an den denkwürdigen Tag, den 16. Oktober 1989.

Im Oktober 1989 stand der Termin „20 Jahre Dresdner Kulturpalast – Schlager im Palast“, zugleich 40 Jahre DDR im Raum. Kloppisch wurde von der Leitung des Kulturpalastes als wissenschaftlicher Berater verpflichtet. Neben der Auswahl von sportlichen „Schlagern“, Weltmeistern im Rudern oder im Schach gehörte zur Zeitreise auch Dresden als Stadt der Wissenschaft. Hier hatte er das Forschungsinstitut Manfred von Ardenne als Thema ausgewählt. Die damalige Moderatorin Carmen Nebel sollte wie zufällig im Publikum auf den Forscher aufmerksam werden.

Ab dem 13. Oktober 1989 waren fünf Veranstaltungen geplant, die beiden letzten jeweils mit Aufzeichnung durch das DDR-Fernsehen. Am Vormittag des 16. Oktober 1989 – abends sollte die erste Fernsehaufzeichnung sein – erhielt Kloppisch einen Anruf von der Chefsekretärin Professor von Ardennes. Von Ardenne wollte Kloppisch sprechen, um den Verlauf des Abends im Kulturpalast abzustimmen. Also fuhr Kloppisch auf den Weißen Hirsch. Von Ardenne kündigte an, dass er an dem Abend keine einfache Unterhaltung mit Carmen Nebel wünsche, sondern die Bühne nutzen wolle, um seine Vorstellungen von notwendigen Wirtschaftsreformen in der DDR zu äußern. Mehr wollte er nicht sagen.

„Obwohl wir keine Textfassung der seinerseits gewünschten kurzen Rede vorliegen hatten, war sich die Abendregie des Kulturpalastes der Brisanz bewusst“, erinnert sich Kloppisch. Er hatte sie im Vorfeld über die geplante Rede Ardennes informiert. Ein Auftritt im Verlaufe des Programms, zwischen Jägerchor und Rock’n’Roll-Orchester, wäre nicht gegangen. Letztlich wurde sein Vorschlag akzeptiert, dass von Ardenne nach offiziellem Abschluss der Veranstaltung auf die Bühne begleitet werde solle und der Abendregisseur diesen Auftritt ankündigen würde.

Manfred von Ardenne nach seiner Rede im Kulturpalast. Hinter ihm ist der Chef des Kulturpalastes, Werner Matschke, zu sehen. 
Manfred von Ardenne nach seiner Rede im Kulturpalast. Hinter ihm ist der Chef des Kulturpalastes, Werner Matschke, zu sehen.  © M. Günther

„Nicht ganz so einfach war es, den Einsatz der Kameratechnik, Ü-Wagen aus Berlin-Adlershof, über die unmittelbare Aufzeichnung der ,Schlager im Palast‘ hinaus zu gewährleisten“, sagt der frühere Urania-Chef. Hierzu war es ihm am Nachmittag gelungen, Heinz Adameck, den Chef des DDR-Fernsehens, in Berlin zu erreichen. „Kurz gefasst: Der Auftritt von Manfred von Ardenne wurde nach seinen ersten Sätzen durch die mehr als 1.400 inzwischen stehenden Gäste im Saal mit großem Applaus begleitet.“ 

Von Ardenne bezog sich auf die Vorgänge auf der Prager Straße am 7. und 8. Oktober in Dresden, die blutige Konsequenzen hatten. Er stellte seine Reformvorschläge in sieben Punkten dar. Unter anderem forderte er darin tiefgreifende Reformen der Wirtschaft, um sie effizient zu machen. Außerdem sei eine Abkehr vom bürokratischen Zentralismus nötig und die Übertragung der Verantwortung an die Betriebe und Firmen. Eine Forderung lautete: Gehaltsreduktion oder Kündigung bei Personen, die durch schlechte Arbeitsmoral auf Kosten von Arbeitskollegen oder der Gemeinschaft leben.

Werner Frisch, ein Journalist der Sächsischen Zeitung, war damals bei der Rede und der anschließenden Pressekonferenz im Kulturpalast dabei. Auch die hatte Kloppisch auf Wunsch von Ardennes in die Wege geleitet. Die Sächsische Zeitung druckte am darauffolgenden Mittwoch, dem 18. Oktober, wesentliche Teile der Rede ab. „Von Ardenne hatte das Manuskript schon vor seiner Rede für die Presse vorbereitet, auch an Modrow und Krenz wurde sie per Post verschickt“, sagt Kloppisch. Am Nachmittag des 18. Oktobers verbreiteten die Nachrichtenagenturen die Meldung vom Rücktritt Erich Honeckers. Es existiere eine Tonaufzeichnung der Ardenne-Rede vom Montag. Die nach Berlin gebrachte Bildaufzeichnung aber bliebe verschollen.

Die Bilder des Abends kann Kloppisch heute noch fast minütlich wiedergeben, so sehr haben sie ihn bewegt. In Erinnerung an Manfred von Ardenne hat er ihm auch die letzte Urania-Veranstaltung im Studiotheater des Kulturpalastes am 21. Mai 2012 gewidmet. Besonderer Anlass war das Gedenken an von Ardenne, der Ehrenmitglied des Vereins URANIA-Vortragszentrum gewesen war, sowie Ehrenbürger der Stadt Dresden. Sein Todestag jährte sich am 26. Mai 2012 zum 15. Mal. Im Studiotheater verfolgten auch die Söhne des berühmten Wissenschaftlers, Dr. Alexander von Ardenne und Dr. Thomas von Ardenne, die Ausführungen des TU-Rektors Prof. Dr. Hans Müller-Steinhagen. Insgesamt hat die Urania 1.001 Abende zu verschiedenen Themen im Kulturpalast gestaltet. (mit SZ/kle)


Das ist am 5. Oktober im gesamten Kulturpalast und rundum los:

Dresdner Philharmonie

14 – 14.30 Uhr: Forster Family (Foyer EG)

15 – 15.30 Uhr: Philharmonischer Kinderchor (Foyer 1. Zwischengeschoss)

16 – 16.30 Uhr: Blechbläserensemble des Landesgymnasiums für Musik (Foyer 1. OG)

16.30 – 17 Uhr: Chor 49. Grundschule (1. ZG)

17 – 17.30 Uhr: Musaik (Foyer 1. OG)

17.30 – 18 Uhr: Kreuzchor (1. ZG)

18 – 18.30 Uhr: Banda Internationale (Foyer EG)

Zentralbibliothek

Ganztägig – Kurzfilme in der Studiobühne (1. OG); Schachturnier im Bereich Sach-/Fachliteratur; Gespräche mit Fotografen des Fotoaktiv 57 e. V. in der Ausstellung im Foyer 2. OG

10.30 – 12 Uhr: Kinderbuchbühne mit Ralph Caspers und Ulf K: Wenn Riesen reisen (1. OG)

11 – 13.30 Uhr: Walking Piano im Foyer 2. OG

14.30 – 15 Uhr: Klavierkonzert im Foyer 2. OG

15 – 15.45 Uhr: Theatertalk mit Akteuren des ehemaligen Kulturpalasts (Dresden Lounge, 1. OG West)

15 – 16.30 Uhr: Namhafte Jugendbuchautorinnen und -autoren (im Veranstaltungsraum, 1. OG Ost)

15 – 18  Uhr: Aktion Lampenfieber. Bühne für Heinrich-Schütz-Konservatorium (2. OG West)

15.30 – 16 Uhr: Klavierkonzert im Foyer, 2. OG

17 – 19 Uhr: Lesung Ernst Hirsch: Das Auge von Dresden (Dresden Lounge, 1. OG West)

Herkuleskeule

17/20 Uhr: Vorstellung „Freibier wird teurer“ mit Wolfgang Schaller und Rainer Bursche

Zentrum für Baukultur

12. September – 19. Oktober 2019: Ausstellung zu markanten Beispielen der Ostmoderne, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum begehen: Kulturpalast, Prager Straße, Fernsehturm. Erste Veranstaltung zum „Weg der roten Fahne“ ist für den 7. Oktober im ZfBK, Eingang über Galeriestraße.

Open-Air-Gala Altmarkt

ab 19.50 Uhr Countdown, moderiert von Kim Fisher, unter anderem mit Rainhard Fendrich, den Kastelruther Spatzen, Inka Bause, Tim Bendzko und den Rocklegenden.

Galaabend im Kulturpalast

Im Konzertsaal findet ein besonderer Galaabend mit OB Dirk Hilbert und Ministerpräsident Michael Kretschmer und vielen Künstlern statt.

1 / 6