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Dresden: Eltern klagen Kinder auf Wunschschule

Mehrere Fälle beschäftigen derzeit die Richter. Warum, und wonach die Schulen ihre Plätze vergeben.

Von Julia Vollmer & Sandro Pohl-Rahrisch
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Welches Klassenzimmer ist das richtige? Nicht alle Familien sind mit der Schule einverstanden, die ihnen zugewiesen wurde.
Welches Klassenzimmer ist das richtige? Nicht alle Familien sind mit der Schule einverstanden, die ihnen zugewiesen wurde. © Marijan Murat/dpa (Symbolfoto)

Dresden. An diesem Freitag gibt es Zeugnisse und dann starten Dresdens Schüler in die Sommerferien. Für manche von ihnen wartet nach den Ferien ein neues Abenteuer: der Wechsel auf die Oberschule oder das Gymnasium. Doch schon jetzt sind nicht alle glücklich darüber, was im August auf sie zukommt. Denn manche Schulen mussten mangels Plätzen Kinder ablehnen und an andere Schulen schicken. Nicht alle Eltern wollen sich das gefallen lassen.

Wie viele Eltern wehren sich gegen die Entscheidung?

Allein an den Oberschulen gibt es aktuell 49 Widersprüche und fünf Klagen, sagt Petra  Nikolov vom Landesamt für Schule und Bildung (Lasub). Weitere 16 Widersprüche und zehn Klagen gibt es, weil Eltern und Schüler nicht mit dem zugewiesenen Gymnasium einverstanden sind. Auch bei den Schulanfängern gibt es nicht an jeder Wunschschule genügend Platz. Hier zählt das Lasub aktuell 33 Widersprüche und drei Klagen.

Die Zahl der Widersprüche könne sich allerdings noch ändern, da ein Großteil der Schulen die eingegangenen Widersprüche noch nicht weitergeleitet habe, so Nikolov. Das hänge auch damit zusammen, dass nach wie vor kurzfristig wieder Plätze frei würden und sich manche Widersprüche somit erledigten.

Warum genau legen die Eltern Widerspruch ein?

Hauptgrund für einen Widerspruch ist laut Nikolov die Unzufriedenheit mit der zugewiesenen und von den Eltern im Anmeldebogen nicht angegebenen Schule. Im Oberschulbereich sind für die abgelehnten Schüler oftmals lange Fahrtwege zur neuen Schule verbunden. "Große Probleme ergeben sich an den Oberschulen in Plauen und Löbtau. Da an allen dort ansässigen Oberschulen Auswahlverfahren durchgeführt werden mussten, erfolgten Umlenkungen an weiter entfernte Schulen in die Johannstadt, Neustadt oder Striesen", sagt Petra Nikolov. Im Grundschulbereich liegt der Schwerpunkt bei der Universitätsschule sowie bei ausgewählten Schulen wie der 16. Grundschule, der 75. Grundschule und der 70. Grundschule. 

Wie werden Schulplätze eigentlich vergeben?

Im Gegensatz zu den Grundschulen und auch im Gegensatz zu anderen Bundesländern gibt es keine festgelegten Aufnahmekriterien für weiterführende Schulen. Es gilt das Prinzip der freien Schulwahl für Eltern. Eltern aus Pieschen dürfen also eine Schule in Striesen wählen und umgekehrt.

Über die Aufnahme entscheidet der Schulleiter im Rahmen der vorhandenen Plätze.
Übersteigt die Zahl der Anmeldungen die vorhandene Kapazität, wird an den Schulen ein Auswahlverfahren in Gang gesetzt. Zunächst wird geschaut, ob im kommenden Schuljahr bereits ein Geschwisterkind an der Schule lernt. Ist dies der Fall, gilt dies als Pluspunkt. Anschließend wird der Schulweg als Kriterium herangezogen. Während Kinder länger als eine Stunde zur Schule unterwegs, wenn sie abgelehnt würden, wäre das nicht mehr zumutbar. Gute Karten hat außerdem, wer in der Nähe der Schule wohnt. Schließlich entscheidet das Los über Kinder, die zwar alle vorangegangenen drei Kriterien erfüllen, aber nicht alle unterkommen können.

Welche Schulen hatten besonders viele Anmeldungen?

Laut der Zahlen vom März hatte das Gymnasium Bürgerwiese die meisten Anmeldungen. Damals wollten 209 Kinder an die Schule bei - laut Schulnetzplan - höchstens 168 vorhandenen Plätzen. Nicht weniger begehrt ist das neue Gymnasium Pieschen, wo es im Frühjahr 204 Anmeldungen bei rechnerisch 140 Plätzen gab. Der Ärger der Eltern, deren Kinder abgelehnt wurden, sei nachvollziehbar, sagt Schulleiterin Kerstin Müller. Die vielen Anmeldungen sehe sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Lachend deshalb, weil das Konzept der neuen Schule in kürzester Zeit so stark gefragt sei. Auf der anderen Seite sei sie traurig, so vielen Familien absagen zu müssen. Es sei nicht schön, dies nun vor Gericht klären zu müssen.

Was sagen die Eltern?

"Die praktische Situation der ungleich verteilten Schulkapazitäten kann man kurz- bis mittelfristig nicht ändern", so der Dresdner Elternratsvorsitzende Martin Raschke. Er betont aber auch: Lange Schulwege seien nur ein Grund unter vielen. "Bauliche Gegebenheiten, Wunschsprachen, Profile und soziales Umfeld der jeweiligen Wunschschule sind auch wichtig."

Wie könnten Lösungen aussehen?

Grünen-Bildungsexpertin Agnes Scharnetzky betont, bei der anstehenden Schulnetzplanung müsse man darauf achten, alle Schulformen gut in der Fläche zu verteilen. Linke-Stadträtin Anne Holowenko fordert, endlich eine bedarfsgerechte Schulnetzplanung durchzuführen. SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser sagt dagegen: "Das Argument der weiten Entfernung von Zuhause und Schule springt aus meiner Sicht aber neben den Punkt. Häufig erklagen Eltern auch Schulplätze am anderen Ende der Stadt, weil sie die konkrete Schule der näher gelegenen vorziehen." Zudem müsse man sich als Stadt nun endlich gemeinsam auf den Weg zu Gemeinschaftsschulen machen, damit Oberschüler und Gymnasiasten wohnortnah gemeinsam lernen können. CDU-Bildungsexperte Matthias Dietze, der selbst Lehrer ist, würde eine Vergabe der Schulplätze aus pädagogischer Sicht begrüßen, anstatt am Ende das Los entscheiden zu lassen. 

Wie hoch ist die Chance der Eltern, zu gewinnen?

Das lässt sich in den konkreten Fällen schwer sagen. In den vergangenen Jahren entschied das Verwaltungsgericht aber in mehreren Fällen im Sinne der Familien. So zum Beispiel im vergangenen Jahr. Damals widersprachen 19 Familien, deren Kinder an ein bestimmtes Gymnasium wollten. Das Gericht hob neun Ablehnungen wieder auf, unter anderem wegen unzumutbarer Härte. Sechs Widersprüche lehnte das Gericht ab. Vier Anträge zogen Eltern zurück, da ihre Kinder auf der Nachrückerliste doch noch nach oben rutschten. Sowohl das Lasub als auch Eltern legten daraufhin Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein und versuchten dort ihr Glück.

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