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Was macht diese Dresdner Kita anders?

Die Einrichtung auf der Rehefelder Straße ist unter den Top 10 in Deutschland und könnte einen Preis abräumen. Warum? Das zeigt ein Besuch.

Von Sarah Herrmann
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Die Outlaw-Kita auf der Rehefelder Straße ist unter den Top 10 in Deutschland.
Die Outlaw-Kita auf der Rehefelder Straße ist unter den Top 10 in Deutschland. © Sven Ellger

Es ist laut. Kinder spielen auf dem Hof, rennen in den Fluren der Kita auf der Rehefelder Straße hin und her. Die wirkt auf den ersten Blick wie eine ganz normale Kita. Doch etwas scheint hier anders zu sein. Denn als einzige Einrichtung in ganz Sachsen steht die Kindertagesstätte der Outlaw gGmbH im Finale des deutschen Kita-Preises. Sie hat es somit unter die besten zehn im bundesweiten Wettbewerb geschafft. Doch was macht die Einrichtung so besonders, dass sie sich gegen mehr als 1.000 Konkurrenten durchsetzen konnte? Ein Besuch.

Im Erdgeschoss des Gebäudes melden sich die Kinder an, wenn sie am Morgen in die Kita kommen. Schon dort ist etwas zu sehen, das es in vielen anderen Einrichtungen nicht gibt: An einer Tafel vermerken die Kinder mithilfe von Magneten, ob sie an diesem Tag einen Mittagsschlaf halten wollen. Denn in der Outlaw-Kita sollen die Kinder so viel wie möglich selbst entscheiden. 

Deshalb gibt es zumindest im Kindergartenbereich auch keine Gruppenräume. Stattdessen steht den Kindern ein Bau- und Konstruktionsraum, ein Kreativraum, eine Kuschel- sowie eine Rollenspielecke, ein Sport- sowie ein Theaterraum zur Verfügung. Im Restaurant können außerhalb der Essenszeiten auch Gesellschaftsspiele gespielt werden. Zwischen den Räumen können sich die Kinder frei bewegen - das nennt man offenes Konzept.

"Was uns auszeichnet, ist, dass wir den Kindern so viel unverplante Zeit wie möglich geben", sagt Kita-Leiterin Katja Hillenbrand. Schon im Kleinkindalter sei der Tag oft strukturiert. Ständig müssen die Kinder etwas tun. Dabei sollten sie auch mal etwas tun dürfen. "Viele Eltern machen sich Sorgen, dass ihre Kinder sich nicht gut entwickeln und denken, dass sie ihnen ganz viele Angebote machen müssen", so die Leiterin weiter. 

Dabei sei es wichtig, Kinder Dinge allein tun und Spiele von selbst entdecken zu lassen. Es muss nicht immer das klassische Spielzeug sein, dass von den Kleinen erkundet wird. Auch mit einer Flasche oder einem Topf aus der Küche können Kinder mitunter viel anfangen. "Deswegen darf bei uns auch mit fast allem gespielt werden", so Hillenbrand. Allein zu entscheiden und zu spielen, fördere die Kreativität und das Selbstbewusstsein. Und das sei es doch, was die Kleinen später im Erwachsenenleben brauchen.

Sogar die Projekte werden meist von den Kinder bestimmt - mal bewusst, mal unbewusst. Denn wenn die Kleinen Fragen haben, werden diese oft im Rahmen eines großen Projektes beantwortet, an dem jeder mitarbeiten kann, der will. So ist auch eine Aktion zum Thema Umweltschutz entstanden. "Ein Kind berichtete in der Gruppe, dass Wale sterben, weil sie zu viel Plastik im Bauch haben", erzählt die stellvertretende Leiterin Susanne Luther. Daraufhin habe sich das Team damit auseinandergesetzt, was die Kita und was jeder einzelne von den Mitarbeitern für den Umweltschutz tut. Ein Projekt mit Folgen: "Manch einer hat sein Verhalten überdacht", so Hilllenbrand.

Auch in der Krippe stehen die Türen offen. Erich (l.) und Finn lesen mit Erzieherin Eva ein Buch.              
Auch in der Krippe stehen die Türen offen. Erich (l.) und Finn lesen mit Erzieherin Eva ein Buch.               © Sven Ellger
Auch eine Holzwerkstatt mit richtigem Werkzeug gibt es in der Kita.  
Auch eine Holzwerkstatt mit richtigem Werkzeug gibt es in der Kita.   © Sven Ellger
Wer zwischendurch etwas Ruhe braucht, kann es sich wie Nohé (vorn) und Anton in der Kuschelecke gemütlich machen.
Wer zwischendurch etwas Ruhe braucht, kann es sich wie Nohé (vorn) und Anton in der Kuschelecke gemütlich machen. © Sven Ellger
Für kleine Schauspieler gibt es den Theaterraum.  
Für kleine Schauspieler gibt es den Theaterraum.   © Sven Ellger
Der kleine Vincent und Praktikantin Julia haben es sich in der Bücherecke gemütlich gemacht. In der Kita auf der Rehefelder Straße findet jedes Kind einen Platz nach seinem Geschmack.
Der kleine Vincent und Praktikantin Julia haben es sich in der Bücherecke gemütlich gemacht. In der Kita auf der Rehefelder Straße findet jedes Kind einen Platz nach seinem Geschmack. © Sven Ellger

Mittlerweile würden sich die Eltern bewusst für oder gegen das Konzept der Outlaw-Kita entscheiden, sagt Hillenbrand. Doch die Einrichtung hat noch nicht seit jeher mit dem offenen Konzept gearbeitet. Während des Umbruchs habe es schon Diskussionen gegeben, sagt Luther. Kritiker sagen oft, dass es im offenen Konzept keine Regeln gibt und die Kinder einfach machen, was sie wollen. "Wir haben aber natürlich auch Regeln. Wir wollen ja friedlich miteinander leben", sagt Hillenbrand. Doch es gebe nur so viele Vorschriften, wie notwendig. "Die wenigen Regeln werden dafür umso besser befolgt", sagt die Stellvertreterin.

Dennoch sei eine gewisse Gelassenheit beim offenen Konzept wichtig. "Man muss aushalten, wenn ein Kind bei einem Projekt erst mitmacht und dann doch wieder geht. Man muss auch aushalten, dass man nicht alle Kinder immer im Blick hat und dass es weniger ordentlich ist", sagt Hillenbrand. Diese Gelassenheit habe auch die Experten vom Deutschen Kita-Preis überzeigt, die neulich zu Besuch waren, sagt die Leiterin.

Zwei Mitarbeiter haben jeder der übrigen 10 Kitas einen zweitätigen Besuch abgestattet. Zum einen wurden dabei die alltäglichen Abläufe beobachtet. Zum anderen Interviews mit Kindern, Eltern, Mitarbeitern sowie dem Träger Outlaw geführt. Ein erstes Feedback gab es bereits. Nun wird ein Bericht verfasst, der einer noch unbekannten Experten-Jury vorgelegt wird. Im Finale, das im Mai in Berlin stattfindet, werden dann die erstplatzierte sowie vier zweitplatzierte Kitas ausgezeichnet. Sie erhalten 25.000 beziehungsweise 10.000 Euro.

"Was wir mit dem Geld machen würden, wissen wir noch nicht", sagt Hillenbrand. Denn niemand aus dem Team habe zu träumen gewagt, dass die Kita überhaupt so weit kommt. Auch die Initiative, sich zu bewerben, sei eher von außen gekommen. Mehrfach sei die Leitung von Praktikanten, Studenten und Fachkräften darauf angesprochen worden, dass sich das lohnen würde. 

"Dass wir so weit gekommen sind und so gutes Feedback bekommen haben, macht uns stolz", sagt Hillenbrand. Sollte nun auch noch ein Preis dabei herauskommen, ist zumindest eines klar: "Was mit dem Preisgeld passiert, entscheiden natürlich die Kinder mit", sagt Hillenbrand. Schließlich muss Sachsens beste Kita ihrem Erfolgsrezept ja treu bleiben.   

Der Preis wird im Mai in Berlin vergeben. Die erstplatzierte Einrichtung erhält 25.000 Euro. Die vier Zweitplatzierten dürfen sich über je 10.000 Euro freuen.

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