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Neues Lokal im Kulturkraftwerk

Schon das T1 hat René Kuhnt zu einem Bistro-Highlight gemacht. Am Freitag öffnet er seine neue Restaurant-Kantine. Damit ist es wie mit allem, was lange dauert.

Von Nadja Laske
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Manchmal scheint es, als schwebe René Kuhnt in seinem unerschütterlichen Enthusiasmus über den Dingen. Gastronom, Innenarchitekt und Restaurator in einer Person ist der Betreiber der neuen Kulturwirtschaft.
Manchmal scheint es, als schwebe René Kuhnt in seinem unerschütterlichen Enthusiasmus über den Dingen. Gastronom, Innenarchitekt und Restaurator in einer Person ist der Betreiber der neuen Kulturwirtschaft. © (c) Christian Juppe

Dresden. Ein fliegender Teppich gefällig? Der fehlt noch in René Kuhnts märchenhaftem Reich. Dass er für den Fotografen förmlich vom Boden abhebt, passt zur Leichtigkeit, mit der der 50-Jährige von Raum zu Raum seines neuen Lokals "Kulturwirtschaft" im Kulturkraftwerk eilt - beflügelt von dieser ansteckenden Begeisterungsfähigkeit.

Rene Kuhnt ist mehr Gastgeber als Gastronom, Gestalter und Gesellschafter in einem. Ein Künstler unter den Wirten, der Kulinarik und Ambiente als Einheit praktiziert. Das konnten seine Gäste bereits im T1 erleben. Als er das alte Pförtnerhaus an der Einfahrt zum Kraftwerksgelände entdeckte, stand es kurz vorm Abriss. Rund 150.000 Euro investierter er und restaurierte fast alles selbst. „Wenn es fertig ist, dachte ich, werde ich hier gemütlich sitzen, Kaffee trinken und mit den Gästen plaudern“, erzählte er einmal. Kaffee und Plaudereien an Tisch oder Tresen genießt der Gastro-Pförtner am früheren Tor 1 tatsächlich gern - was ihn nicht daran hindert ständig auf Achse zu sein, mindestens im Geist.

Ein ganz besonderes Händchen hat Gastwirt René Kuhnt für die kleinen feinen Dinge, mit denen er seinen Gästen Wünsche von den Augen abliest. Dazu gehört mehr als Cola, Fanta, Sprite.
Ein ganz besonderes Händchen hat Gastwirt René Kuhnt für die kleinen feinen Dinge, mit denen er seinen Gästen Wünsche von den Augen abliest. Dazu gehört mehr als Cola, Fanta, Sprite. © (c) Christian Juppe

Mit feinem Gespür für Kleinodien hat er nun auch sein neues Lokal eingerichtet, als eine Art Restaurant und Kantine zugleich. Wer zu ihm kommt, soll a la Carte oder vom "kulinarischen Laufsteg" essen können. So nennt er das Büfett, von dem sich Speisen nehmen kann, wer keine Zeit für gediegene Bedienung hat, ob Gäste mit oder ohne Theaterkarte und zur späteren Stunde auch die Künstlerinnen und Künstler der Staatsoperette und des Theaters Junge Generation, die Kollegen der Technik, der Maske, der Garderobe. 

Ganz besonders stolz ist René Kuhnt auf sein hochbetagtes Faltboot, das bei ihm von der Decke hängt: "Das ist ein Klepper Vagabund aus dem Jahr 1910", erklärt er. Über den Kokospalmentisch, die historische Bohrmaschine, die er zur Stehlampe umfunktioniert hat, die Leuchten aus alten Eisenbahnwagons, die Bahnhofsuhr, die alte Schreibmaschine - über jedes Ding kann Kuhnt eine Geschichte erzählen. Auf einen ehemaligen Arztstuhl hat er einen Traktorensitz geschweißt, der riesige Schminkspiegel vervielfältigt die Galerie aus Schönheit und Skurrilität. 

Auf Rene Kuhnts kulinarischem Laufsteg können sich Gäste bedienen, die dem Speisen vom Büfett einer gediegenen Bedienung a la Carte vorziehen - in der Theaterpause zum Beispiel.
Auf Rene Kuhnts kulinarischem Laufsteg können sich Gäste bedienen, die dem Speisen vom Büfett einer gediegenen Bedienung a la Carte vorziehen - in der Theaterpause zum Beispiel. © (c) Christian Juppe

Mit Schwung lässt sich Rene Kuhnt auf einer seiner Turnhallenbänke aus aus DDR-Zeiten nieder: "Was wir darauf alles machen konnten!" Balancieren, von Seite zu Seite hüpfen und sich an lang ausgestreckten Armen bäuchlings über die ganze Länge ziehen. Auswechsel- und Büßerbank. Auf der dürfte Kuhnt gelegentlich gesessen haben. Der "Zappelphilipp" von einst steckt noch immer in ihm. 

Als Sohn einer gelernten Köchin und Kellnerin hat er beides mit der Muttermilch aufgesogen: das Bewirten und die Ruhelosigkeit des guten Gastgebers. "Ich bin nie fertig", sagt der gelernte Maler. Als Kind wollte er Gärtner werden. Das Faible ist seinen Räumen anzusehen. Frische Blumen, Pflanzschalen, Kräutertöpfe stehen zwischen all den schweren Karaffen, geschliffenen Gläsern, Porzellantellerchen mit Konfekt. Doch auch das Handwerkliche seines Berufes und sein künstlerisches Talent sorgen für eine innenarchitektonische Handschrift, die Besucher dazu verleitet, die Menükarte zu vergessen und das Ambiente zu bestaunen. 

Dabei kommen sie an der Absinthfontäne nicht vorbei. Sie erinnert an einen Samowar, auch wenn dessen Inhalt - selbst wenn mit Rum versetzt - nicht annähernd so viele Umdrehungen hat. Heute sitzen junge Leute um eine Shisha herum, früher gruppierten sich die Vergnügungssüchtigen um jene Fontäne, die den Hochprozentigen aus mehreren kleinen Hähnen fließen lässt. Auch dazu kann René Kuhnt viel erzählen, und ist damit rasch auch bei seinem Angebot von regionalen Weinen und Spirituosen. Die Sanierung des alten Speichers hat viel Zeit in Anspruch genommen, dann kam Corona und alles lag brach. Ab Start der Kulturwirtschaft am Freitag soll alles anders sein. Denn bekanntlich wird gut, was lange dauert.

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