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„Für mich war's die emotionalste Baustelle“

Zehn Jahre nach der Neu-Eröffnung des Harbig-Stadions verrät der Bauleiter, dass Dynamos K-Block fast anders geheißen hätte. Das Interview zum Geburtstag.

Von Sven Geisler
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Sein Leben spielt auf Baustellen. Kay-Uwe Panzer erinnert sich an einige Anekdoten aus seiner Zeit in Dresden.
Sein Leben spielt auf Baustellen. Kay-Uwe Panzer erinnert sich an einige Anekdoten aus seiner Zeit in Dresden. © kairospress/Thomas Kretschel

Herr Panzer, welche Tücken mussten Sie beim Bau das Stadions meistern?

Es war eine spannende Angelegenheit, weil im laufenden Spielbetrieb alle Bedingungen des DFB einzuhalten waren. So mussten wir ständig eine Kapazität von mindestens 10.000 Zuschauern garantieren, der Rasen musste jederzeit bespielbar sein, das Sicherheitskonzept funktionieren. Zudem mussten bestimmte Baumaßnahmen zwischen zwei Heimspielen abgeschlossen sein, dafür hatten wir dann 14 Tage. Es war wie ein Puzzlespiel mit 25.000 Teilen.

Das Stadion entstand neu an alter Stelle. War das die Herausforderung?

Natürlich. Es gab wenig Platz. Für die Montage der Gegentribüne mussten wir deshalb sogar das Spielfeld um rund vier Meter schmaler machen, um Schienen für einen Kran zu verlegen. Ich habe zu Ralf Minge gesagt: Das ist für euch ein echter Heimvorteil. Ihr könnt schon mal Eckbälle trainieren, die Gegner kommen damit nicht klar. Außerdem haben wir zum Beispiel die 40 Meter langen Tribünen-Träger selbst vor Ort auf der Baustelle produziert, weil erstens die Anfahrt von außen schwierig gewesen wäre und wir zweitens von Schwertransporten über die Autobahn unabhängig sein wollten. Andere haben mit dem Finger an die Stirn getippt, aber wir konnten dadurch flexibel bauen. Die Tribünenplatten entstanden in der Nähe des Stadions in einem alten Fertigteilwerk, welches extra dafür umgebaut wurde.

Mit dem Projekt standen auch Sie als Bauleiter im Fokus. Wie haben Sie diese Aufmerksamkeit erlebt?

Verrückt. Das mediale Interesse hat mich schon überrascht, aber noch verblüffender war, wie intensiv die Fans den Bau begleitet haben. Das ging so weit, dass mich einer spätabends – ich lag schon im Bett – auf meinem Handy anrief; weiß der Kuckuck, woher der meine Nummer hatte. Mensch, wie geht’s weiter auf der Baustelle?

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe ihm gesagt: Du kannst mich gerne im Büro besuchen, aber rufe mich bitte nie wieder an. Ich habe dann Kontakt mit Fanvertretern aufgenommen, und die meinten: Die Leute rennen uns die Bude ein, wollen wissen, was los ist, den Bau ihrer neuen Heimstätte begleiten. Daraufhin habe ich vorgeschlagen, einmal in der Woche eine Baustellen-Besichtigung anzubieten: maximal 15 Mann, eine kleine Teilnahme-Gebühr für den Nachwuchs. 14 Tage später hieß es von Dynamo: Für das nächste halbe Jahr sind alle Führungen ausgebucht. Wahnsinn. Die Fans fühlten sich mitgenommen, haben auch gesagt, was sie gut finden und was nicht gelungen ist.

Gab es Vorschläge, die Sie berücksichtigen konnten?

Sicher. Als es um die Fankneipe mit dem Ausgang zum K-Block ging, meinten sie: Auf der gegenüberliegenden Seite müsste ein Dynamo-Logo zu sehen sein. Also habe ich den Fans einen Bestuhlungsplan von der Tribüne gegeben, sie haben einen Wettbewerb gemacht und uns ihren favorisierten Entwurf geschickt. Genauso haben wir das umgesetzt. Bei diesem Bauvorhaben war alles sehr, sehr emotional. Das zeigte sich auch in der Reaktion auf die Bezeichnung der Zuschauer-Blöcke.

Inwiefern?

Wer nicht in der Fanszene unterwegs ist, weiß nicht, worauf er achten muss. Wir hatten einfach mit A angefangen und sind einmal rum gegangen. Dann bekamen wir den Hinweis: Der Block am Bad muss K heißen! Das war nicht so vorgesehen. Also sortierten wir alles um. Übrigens: Die Gegentribüne war kaum fertig, da kam der holländische Trainer Ruud Kaiser zu mir: Du, kann ich die Tribüne benutzen, ich will Treppentraining machen. Ich habe ihm gesagt, wann es geht. Er hat die Spieler hoch und runter gescheucht und sich gefreut, die Jungs waren ziemlich geschlaucht.

Es gab auch einen Unfall, ein Bauarbeiter wurde schwer verletzt. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Das war das negative Erlebnis. Ein Schlosser ist beim Rückbau einer der Giraffen (Flutlichtmasten/d. A.) unter einen Träger geraten, sein linker Fuß wurde dabei zertrümmert. Die Gesundheit aller hat oberste Priorität auf der Baustelle, trotzdem sind solche Unfälle leider nicht auszuschließen. Dynamo hat eine Spendenaktion gestartet und dem Mann, der selber Fan ist, ein Auto mit Automatik-Antrieb übergeben. Dadurch hat er das gespürt, was den Verein ausmacht: Zusammenhalt.

Ursprünglich sollten die auch für das Stadtbild markanten Flutlichtmasten erhalten werden. Wieso mussten die sogenannten Giraffen weichen?

Sie waren ein Wahrzeichen, stimmt. Es war jedoch schnell klar, dass es nicht funktioniert. Wir mussten das Stadion vom Georg-Arnhold-Bad wegrücken, die Masten hätten dadurch an falschen Punkten gestanden. Da fällt mir eine Episode ein …

Erzählen Sie bitte.

Als wir die Leute aufgerufen hatten, sich die alten Sitzschalen zu holen. Es war ein regnerischer Tag. Ein älteres Ehepaar kam zu mir: Auf diesen Stühlen saßen wir 30 Jahre lang! Sie hatten Tränen in den Augen. Da weißt du gar nicht, was du sagen sollst, so berührend ist das.

Haben Sie sich ein Erinnerungsstück vom alten Stadion behalten?

Nein, aber ich habe zum 40. Geburtstag eins von Dynamo bekommen. Ich stamme ja aus dem Erzgebirge, sie haben mich als Räuchermännchen anfertigen lassen: mit Helm, Aktentasche in der Hand und Stadionplan. Dazu ein kleines Abbruchstück.

Wie ordnen Sie den Stadionbau in Dresden für sich ein?

Für mich war es die emotionalste Baustelle, die ich je hatte. Der Stresslevel war maximal, aber es hat sich gelohnt. Ich habe 15 Jahre in Dresden gewohnt, ich liebe diese Stadt. Es waren rund 400 Leute beteiligt, sie haben Karten für die Eröffnungsfeier bekommen. Es war für mich ein bewegender Moment, als ich ihnen am Stadionmikrofon danken konnte und die Zuschauer für sie die La-ola-Welle gemacht haben.

Welche Projekte haben Sie seitdem umgesetzt?

Ich war drei Jahre in der Schweiz. Dort haben wir ein Verwaltungszentrum für den Kanton Bern errichtet, inklusive Gefängnis. In Bad Homburg haben wir die Hochtaunuskliniken gebaut, dann das Stadion in Chemnitz, und jetzt arbeite ich in Frankfurt am Main an einem Hochhaus für Büros.