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Heidefriedhof-Protest hat ein Nachspiel

Es gibt ein erstes Gesprächsangebot an die Organisatoren der Gedenkveranstaltung am 13. Februar. Doch das reicht ihnen nicht.

Von Christoph Springer
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Demonstranten entrollten am 13. Februar auf dem Heidefriedhof ein Spruchband und riefen lautstark Parolen.
Demonstranten entrollten am 13. Februar auf dem Heidefriedhof ein Spruchband und riefen lautstark Parolen. © Archiv: René Meinig

Die Leser hatten ein Mikrofon und Lautsprecherboxen und als Bürgermeister Detlef Sittel (CDU) am Donnerstag auf dem Heidefriedhof ans Mikro trat, war es noch ruhig. Sittel begann, die ersten der reichlich 3.800 Namen von Opfern der Bombenangriffe auf Dresden im Februar 1945 zu lesen. Plötzlich erklang ein Murmeln aus vielen Richtungen. Es kam aus den Taschen von Menschen, die sich kurz zuvor zu den versammelten Heidefriedhof-Besuchern gestellt hatten. In ihren Taschen hatten sie Lautsprecher versteckt. „Täterinnen sind keine Opfer. Wir fordern: Gedenken abschaffen. Wir gedenken der Opfer der deutschen Barbarei“, war aus jeder Tasche in Dauerschleife zu hören. In diesem Moment hatte Sittel noch das Sagen.

Doch dann wurde es laut. Die Demonstranten entrollten ein Spruchband, stürmten auf die Stufen vor dem großen Aschegrab im Ehrenhain und riefen unter anderem „Nie, nie, nie wieder Deutschland“ und „wir haben Spaß und ihr habt nur Deutschland.“

Ab diesem Moment hatten es die Namensleser schwer und Holger Hase, Vorsitzender des Vereins, der die Veranstaltung organisiert hatte, war außer sich. Auch am Tag danach kann er immer noch nicht richtig fassen, was passiert ist. „Ich finde das nach wie vor nicht angemessen“, beurteilt er den Protest und er bleibt dabei: Ist die Stadt nicht bereit, künftig mehr für die Sicherheit dieser Gedenkveranstaltung am 13. Februar zu tun, findet sie ohne ihn als Chef des Denk Mal Fort-Vereins statt.

Die Stadt hatte am Abend vorher vom Verwaltungsgericht beschieden bekommen, dass die Demo gegen die Namenslesung auf dem Friedhof stattfinden muss. Hase forderte Zugangskontrollen zur Lesung, die gab es aber nicht. „Ein Friedhof ist keine Kleingartensparte, wo ich einfach einen Bereich absperre und quasi als privat markiere“, erklärt Rathaus-Sprecher Kai Schulz die Position der Verwaltung. Einlasskontrollen seien schwer vorstellbar. „Wer entscheidet denn, wer zum Gedenken gehen darf und wer nicht? Und nach welchen Kriterien?“ Hase mache es sich „sehr einfach, die Verantwortung an die Stadt zu schieben."

Der so kritisierte Vereinsvorsitzende gab sich am Tag danach etwas versöhnlicher. „Wir werden das im Vorstand besprechen und dann beschließen, wie wir das im nächsten Jahr handhaben“, sagte Hase auf SZ-Anfrage. Das Format sei etwas für den 75. Jahrestags der Zerstörung Dresdens gewesen und habe andernorts, etwa 2015 auf dem Neuen Annenfriedhof, einwandfrei funktioniert. „Da waren auch Vertreter der Linkspartei dabei.“ Er hofft nun, dass es möglich ist, gemeinsam mit den Kritikern eine Lösung zu finden. Am Freitagmorgen habe ihn deshalb schon „eine politische Führungspersönlichkeit der Dresdner Linken“ angerufen. Wer das war, wollte Hase nicht sagen. Hase ist überzeugt: Weniger das Format der Lesung war Anlass des Protests als die Möglichkeit, den Heidefriedhof als Bühne zu nutzen und damit mediale Aufmerksamkeit zu erlangen.

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