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Jörg Urban bleibt Chef von Sachsens AfD 

AfD-Landtagsfraktionschef Urban bleibt Chef der Partei. Er wurde in Weinböhla wiedergewählt. Bundeschef Chrupalla forderte von der Partei Selbstreflexion.

Von Thilo Alexe
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Jörg Urban (2.v.r.), Vorsitzender des sächsischen Landesverbandes der Alternative für Deutschland (AfD), wurde auf dem Parteitag in Weinböhla wiedergewählt.
Jörg Urban (2.v.r.), Vorsitzender des sächsischen Landesverbandes der Alternative für Deutschland (AfD), wurde auf dem Parteitag in Weinböhla wiedergewählt. © Oliver Killig/dpa

Dresden. Das markante Stichwort heißt Selbstreflexion. AfD-Bundeschef Tino Chrupalla nennt es und versteht es als Forderung an seine Partei. Der sächsische Bundestagsabgeordnete mahnt die AfD zum Innehalten und Nachdenken. "Dazu gehört, dass wir auch unser eigenes Leben und Handeln kritisch hinterfragen", sagt er vor knapp 400 sächsischen Delegierten beim Landesparteitag in Weinböhla. Nach dem rassistischen Attentat von Hanau hat Chrupalla einen Mitgliederbrief verfasst. "Auch wenn es schwer fällt", heißt es darin, müsse sich die AfD fragen, warum es den politischen Gegnern gelinge, die Partei mit dem Verbrechen in Verbindung zu bringen. Chrupalla schreibt weiter: "Wer sich rassistisch und verächtlich über Ausländer und fremde Kulturen äußert, handelt ehrlos und unanständig und damit gegen Deutschland und gegen die AfD."

Chrupalla will diesen Brief nun erklären. Er plädiert, wie in seiner Bewerbung als Bundeschef im November, für eine gemäßigte Rhetorik. Allerdings beklagt er auch eine "niederträchtige Kampagne" in den Medien gegen die AfD. Dadurch und durch die Kritik der politischen Gegner heizt sich nach Chrupallas Lesart das gesellschaftliche Klima weiter auf. "Wenn das so weitergeht, dann haben wir hier in den nächsten Jahren einen Bürgerkrieg." Deeskalierend müsse die AfD wirken, die sich nicht auf die Methode der "Scharfmacher" einlasse. Chrupalla beklagt eine alarmierende Verrohung der politischen Auseinandersetzung. Eine Demokratie lebe vom Diskurs. Sie könne aber nur gelingen, wenn die Auseinandersetzung vom Respekt für den anderen und der Achtung dessen Meinung geprägt sei.

Man kann das als Kritik am Gegner verstehen, aber auch einen Appell an die AfD zur Dialogfähigkeit heraushören. Chrupalla erhält viel Applaus. Allerdings ist seine Sicht nicht unumstritten. "Was soll denn ein mediales Abrüsten bringen", fragt etwa der Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme. Dann dominierten andere Parteien mit ihren Angriffen. Oehme will einer von drei Vizelandeschefs werden, scheitert aber knapp. Der Dresdner Mitbewerber Joachim Keiler erhält 192 Stimmen und damit exakt das erforderliche Quorum.

Delegierte des sächsischen Landesverbandes der Alternative für Deutschland (AfD) sitzen im Plenum ihres Parteitags. 
Delegierte des sächsischen Landesverbandes der Alternative für Deutschland (AfD) sitzen im Plenum ihres Parteitags.  © Oliver Killig/dpa

Die Vorstandswahl, der eigentliche Grund für den Parteitag, verläuft ansonsten eher unspektakulär. Jörg Urban bleibt für weitere zwei Jahre Landeschef, sein Ergebnis fällt mit 87,5 Prozent nur etwas schlechter aus als beim Hoyerswerdaer Parteitag 2018. "Wir sind derzeit der erfolgreichste Landesverband der AfD", sagt der 55-Jährige vor den Delegierten. In seiner Bewerbungsrede spielt Urban auf seinen Geburtsort Meißen an, der eine lange Historie aufweise. Wenn in seiner Gegenwart jemand von 1.000 Jahren deutscher Geschichte spreche, zucke er nicht zusammen, sondern denke an seine Heimatstadt. Als künftigen Schwerpunkt nennt er die Vorbereitung der Bundestagswahl. Zudem solle die AfD ihre Öffentlichkeitsarbeit ausbauen, um weitere Wähler zu erreichen. Urban, der Wasserbauingenieur ist und in Dresden lebt, kritisiert dabei die nach seiner Ansicht linientreuen Medien.

Ebenfalls bestätigt wird Jan Zwerg als Generalsekretär, der wie Urban ohne Gegenkandidat antritt. Auch Zwerg geht in seiner Rede auf das aufgeheizte gesellschaftliche Klima ein. Schuld daran seien unter anderen Kanzlerin Angela Merkel und die Medien. "Nicht wir. Punkt." Neu im 13 Mitglieder umfassenden Vorstand ist Nicole Klinger. Die 27-jährige Leipzigerin diskutierte im vergangenen Jahr in einem Streitgespräch für eine Wochenzeitung mit CDU-Chef Michael Kretschmer. Sie hält, wie sie sagt, "nichts" von dessen Politik und will Deutschland wieder zu einem "demokratischen Rechtsstaat" machen.

Tino Chrupalla, Bundesvorsitzender der AfD, spricht in Weinböhla zu den Delegierten. 
Tino Chrupalla, Bundesvorsitzender der AfD, spricht in Weinböhla zu den Delegierten.  © Oliver Killig/dpa

Mehrere Redner werben in der Wahlaussprache um Geschlossenheit. Tatsächlich haben in den vergangenen Monaten die sächsischen AfD-Bundestagsabgeordneten Lars Herrmann und Verena Hartmann die Partei verlassen, Hartmann wegen des von ihr beobachteten wachsenden Einflusses des "Flügels". In Zwickau trennte sich die Stadtratsfraktion unlängst von ihrem bisherigen Vorsitzenden. Grund sind Differenzen angesichts der anstehenden OB-Wahl.

Das allerdings trübt die Stimmung im Weinböhlaer Zentralgasthof, vor dem etwa 150 Gegner der Partei demonstrieren, kaum. Immerhin erreichte die AfD bei der Landtagswahl im September mit 27,5 Prozent ein Ergebnis, das bislang kein anderer Landesverband schaffte. Mitregieren kann sie aber nicht, wie der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland als Gastredner konstatiert: "Hier in Sachsen hat die Mehrheit bürgerlich-konservativ gewählt." Das spiegle sich aber nicht in der Kenia-Koalition.

Es ist kein Zufall, dass Gauland auch Thüringen ins Visier nimmt. Dort hat die AfD vor drei Wochen dem FDP-Politiker Thomas Kemmerich ins Amt des Ministerpräsidenten verholfen. Nach einem Tag und immensem öffentlichen Druck kündigte der Liberale seinen Rücktritt an. Gauland kommentiert das so: "Die nationale Front steht." Der AfD-Senior weiß, die Partei kann aufgrund ihrer Stärke im Osten Entscheidungen beeinflussen. Doch fehlen ihr bislang die Partner, um in einer Koalition zu regieren.

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