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Sachsens kranke Krankenhäuser

Nach Jahren der Ruhe kommen nun auch in Sachsen wieder zunehmend mehr Kliniken in Finanznöte. Um welche es geht - eine Recherche.

Von Ulrich Wolf
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Dresdens Krankenhäuser in städtischer Trägerschaft, zu denen das Krankenhaus Friedrichstadt (Foto) zählt, machten 2017 fast 2,9 Millionen Euro Verlust.
Dresdens Krankenhäuser in städtischer Trägerschaft, zu denen das Krankenhaus Friedrichstadt (Foto) zählt, machten 2017 fast 2,9 Millionen Euro Verlust. © Archivbild: Sven Ellger

So verärgert reagiert ein Ministerium selten: „Die Absicht der Malteser, die beiden Krankenhäuser in Görlitz und Kamenz zu verkaufen, kam völlig überraschend und wurde nur über die Medien kommuniziert“, teilte das sächsische Sozialministerium Anfang November mit. 

Die Malteser müssten ihrer Verantwortung für die Standorte gerecht werden, schiebt die Pressestelle des Ministeriums hinterher. Man selbst könnte hinzufügen: Schließlich laute das Motto der katholischen Hilfsorganisation „Weil Nähe zählt“.

Doch wenn es um Geld geht, wird mancher Werbespruch hinfällig. Man könne eine „hochwertige medizinische und pflegerische Versorgung finanziell nicht mehr sicherstellen“, begründen die Malteser ihre Verkaufspläne. „Die Dynamik auf der Kostenseite ist sehr groß, die auf der Seite der Einnahmen nicht“, hieß es. 

Die Vergütungen im Krankenhausbereich deckten die Kostensteigerungen nicht mehr. Auch die Förderung nötiger Investitionen sei nicht ausreichend. Ist die Wirkung des Ende 2015 verabschiedeten Krankenhausstrukturgesetzes, das die Finanzierung der Kliniken reformieren sollte, bereits verpufft?

Fakt ist: Mindestens fünf Krankenhausbetreiber in Ostsachsen schrieben 2017 rote Zahlen. In einem Millionenminus landeten die Klinik in Sebnitz, die Oberlausitz-Kliniken mit ihren Standorten in Bautzen und Bischofswerda sowie die Städtischen Kliniken Dresden. Und die Malteser Sachsen-Brandenburg gemeinnützige GmbH: Ein Minus von gut zwei Millionen Euro stand dort unter dem Strich.

Im Prognoseteil des damaligen Jahresabschlusses heißt es: „Auf Basis der Unternehmensplanung erwarten wir, dass die Gesellschaft ein gegenüber dem Geschäftsjahr 2017 leicht verbessertes, aber weiter deutlich negatives Jahresergebnis ausweisen wird.“

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Das Ergebnis für 2018 ist noch nicht veröffentlicht. Wohl aber, dass es in nur wenigen Monaten mehrfache Wechsel in der Geschäftsführung gab, zuletzt im Juni und im Oktober. Bereits im März beriefen die Malteser ihren Geschäftsführer für das Ressort Medizin und Pflege sowie Finanzen ab: Florian Rupp. Der 37-Jährige ist seinem Metier jedoch treu geblieben. Seit Oktober ist der gebürtige Allgäuer Geschäftsführer des Krankenhauses in Radeberg.

Die Klinik in Radeberg gehört weitgehend zum zweitgrößten privaten Krankenhausbetreiber Deutschlands, dem Asklepios-Konzern in Hamburg. Diesem Unternehmen gehören sechs weitere Häuser in Sachsen, darunter die Sebnitzer Klinik, die 2017 ebenfalls Verluste machte, und die Orthopädische Fachklinik Hohwald bei Neustadt in der Sächsischen Schweiz.

Zu geringe Behandlungspauschalen?

Seit Januar 2018 lässt Asklepios an diesen Standorten einen von der Konkurrenz abgeworbenen Sanierer wirken. Ähnlich wie die gemeinnützig arbeitenden Malteser argumentiert auch der auf Profit bedachte Privatkonzern. Die in Deutschland gezahlten Behandlungspauschalen seien zu gering, argumentiert Pressesprecher Rune Hoffmann.

Selbst Spanien vergüte mit einem Durchschnittswert von 10.742 Euro je Fall fast doppelt so hoch wie Deutschland. Pfleger und Ärzte erstickten in Bürokratie. Der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) erschwere mit seinen Kontrollen die Finanzplanung. Zudem binde er zu viel Pflegepersonal.

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Der MDK Sachsen weist das zurück. Bundesweit seien 15 Prozent aller Krankenhausabrechnungen geprüft worden. Davon wären etwas mehr als die Hälfte fehlerhaft gewesen, sagt Sprecherin Diana Arnold. Der MDK Sachsen habe 2018 fast 142.000 Abrechnungen geprüft, 3,5 Prozent mehr als 2017. Die Zahl der Vollzeitkräfte für diesen Bereich sei von 30 im Jahr 2016 auf nun 44 gestiegen.

Asklepios-Sprecher Hoffmann schlägt vor, die Planungshoheit für die Krankenhäuser von der Landes- auf die Bundesebene zu verlagern. Der Landespolitik fehle die Kraft, ineffiziente Kliniken zu schließen. „Die Sorge, beim nächsten Urnengang abgestraft zu werden, überlagert jede Sachentscheidung“, so Hoffmann.

Das Carolus-Krankenhaus in Görlitz. Die Malteser wollen es verkaufen.
Das Carolus-Krankenhaus in Görlitz. Die Malteser wollen es verkaufen. © SZ-Archiv / Rolf Ullmann

Das Sozialministerium in Dresden hält dagegen: Eine Krankenhausplanung am grünen Tisch einer Bundesbehörde erscheine „wenig sachdienlich“. Regionale Besonderheiten könnten dabei einfach ausgeblendet werden.

Auch Hoffmann hält die Förderung der Länder für Krankenhäuser für nicht ausreichend. So habe Asklepios die Kosten von rund neun Millionen Euro für zwei neue Operationssäle in der orthopädischen Klinik Hohwald allein gestemmt. Zuvor waren seit der Wende etwa 25 Millionen Euro Fördermittel in den Standort geflossen.

Flächendeckende Versorgung hat Priorität

Das Sozialministerium verweist darauf, dass in diesem Jahr 160 Millionen Euro für die Krankenhausförderung bereitstünden. Die flächendeckende medizinische Versorgung habe „oberste Priorität“.

Der Asklepios-Konzern machte 2018 einen Nettogewinn von rund 172 Millionen Euro bei 3,4 Milliarden Euro Umsatz. Das Unternehmen gehört dem in Taunus lebenden Juristen und Multimilliardär Bernard große Broermann.