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Die große Ballkritik aus der Semperoper

Ein Skandal und reihenweise Absagen haben das Ereignis überschattet. Trotzdem tanzten die Gäste bis in den frühen Morgen. So fanden sie den Ballabend.

Von Nadja Laske
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Sein Auftritt beim 15. Semperopernball stand auf der Kippe: Peter Maffay.
Sein Auftritt beim 15. Semperopernball stand auf der Kippe: Peter Maffay. © (c) Christian Juppe

Egal, wohin man in der Opernnacht lauschte: Zwei Eindrücke spiegelten die meisten Gäste des 15. Semperopernballes wider: Niemandem hat die übliche Verleihung der ein, zwei, drei, vielen St. Georgs Orden gefehlt. Keiner vermisste die ein, zwei, drei, vielen Reden im Ballprogramm - Förmlichkeiten, die halt dazu gehörten, aber nicht den Unterhaltungswert der mindestens zweistündigen Eröffnungsgala steigerten. Und: Das Feiern nach dem nun deutlich bunteren Programm erschien vielen Ballbesuchern entspannter denn je. Einerseits, weil sich weniger Menschen an den neuralgischen Vergnügungspunkten drängten, andererseits, weil jeder Erleichterung empfand. 

Die Anspannung vor dem Event war immens gewesen. Seit Ballchef Hans-Joachim Frey Ägyptens Staatspräsidenten Al-Sisi den Dresdner Ballorden überbracht hatte, überschlugen sich die Ereignisse: Die Moderatorin Judith Rakers sagte ab, ihre Nachfolgerin, Mareile Höppner, ebenfalls, SAP-Gründer Dietmar Hopp wollte nicht mehr geehrt werden, Unicef nicht mehr Charitypartner sein, mehrere Künstler baten um Auflösung ihrer Verträge. Peter Maffay knüpfte seinen Auftritt beim Mitternachtskonzert an die Bedingung, dass Frey sich nicht nur für seinen Fehlgriff entschuldigt, sondern Al-Sisi den Preis wieder aberkennt. 

Bis hin zur Bedeutungslosigkeit reichten die Rückzieher. Fußballergattin Cathy Hummels, die wenigstens für die junge Debütantengeneration interessant gewesen wäre, meinte, ihren Namen besser nicht mit diesem Ball zu beschmutzen. Sogar Jenny Elvers hatte echt viel zu verlieren.

Die Stunde der Sternchen

Die ohnehin dürftige VIP-Gästeliste schrumpfte am Tag vor dem Ereignis bis zur Unkenntlichkeit. Die Dresdner Schauspieler Stephanie und Wolfgang Stumpf verschwanden stillschweigend davon, genau so wie die weltberühmte Opernsängerin Anna Netrebko. Immerhin blieb deren Ehemann, der Tenor Yusif Eyvazov im Programm. Hans-Joachim Freys osteuropäischer Künstlercast stand geschlossen hinter ihm und füllte das Galaprogramm mit hohem Niveau. Die Sensibilitäten, Diktatoren gegenüber, sind halt verschieden.

Nichts von all dem ließen sich die Fotografen am Roten Teppich anmerken. Sie brüllten genau so laut, um die Aufmerksamkeit der Prominenz zu erhaschen, wie in den vergangenen Jahren auch. Eine halbe Ewigkeit haben die Journalisten aus ganz Deutschland am Rand des Laufsteges gewartet und sich gefragt: Wer wird sich überhaupt noch im Blitzlichtgewitter drehen? Kurz vor Beginn des Programms ging es dann doch hoch her. Es war die Stunde der Sternchen.

Echte Stars lassen sich schon immer schwer nach Dresden bewegen. Dabei sind sie so wichtig - nicht nur als Zier des Ballzaren Frey. Sondern, um das zu erreichen, was dieser beabsichtigte, als er den St. Georgs Orden ins Spiel brachte: Aufmerksamkeit für den Ball, nicht nur in Dresden, nicht nur in Sachsen, nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt - und am besten darüber hinaus.

Das meinen die Ballgäste

Uwe Herrmann, Modemacher, mit Ester Barone: "Die Preisträger habe ich beim diesjährigen Ball nicht vermisst. Dadurch war das Programm kompakter, was ja auch ein Vorteil ist. Was viele Kritiker, die nach dem ganzen Wirbel der vergangenen Wochen die Abschaffung des Balles fordern, nicht im Blick haben: Der Semperopernball ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Dresden. Gerade in der konjukturell eher schwachen Zeit am Anfang des Jahres sorgt er dafür, dass Hotels gut gebucht sind und dass an der Organisation beteiligte Firmen Geld verdienen. Wenn das wegfallen würde, wäre das für viele ein Einschnitt. Ansonsten schaue ich persönlich natürlich immer sehr auf die Kleider der Debütanten. Schließlich war ich viele Jahre für deren Look verantwortlich. Farblich waren die Kleider in diesem Jahr sicherlich besonders."
Uwe Herrmann, Modemacher, mit Ester Barone: "Die Preisträger habe ich beim diesjährigen Ball nicht vermisst. Dadurch war das Programm kompakter, was ja auch ein Vorteil ist. Was viele Kritiker, die nach dem ganzen Wirbel der vergangenen Wochen die Abschaffung des Balles fordern, nicht im Blick haben: Der Semperopernball ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Dresden. Gerade in der konjukturell eher schwachen Zeit am Anfang des Jahres sorgt er dafür, dass Hotels gut gebucht sind und dass an der Organisation beteiligte Firmen Geld verdienen. Wenn das wegfallen würde, wäre das für viele ein Einschnitt. Ansonsten schaue ich persönlich natürlich immer sehr auf die Kleider der Debütanten. Schließlich war ich viele Jahre für deren Look verantwortlich. Farblich waren die Kleider in diesem Jahr sicherlich besonders." © Marion Doering
Sabine und René Urban, Open-Air-Ball-Besucher: "Wir sind zum 14. Mal auf dem Semperopernball, er ist uns mittlerweile zur Tradition geworden. Von der Diskussion im Vorhinein haben wir uns nicht abschrecken lassen. Das ist der Opernball, und den lassen wir uns nicht von der Politik kaputt machen. Auch dieses Jahr macht es genauso so viel Spaß wie immer, hier zu sein. Als Dresdner gehört er einfach dazu."
Sabine und René Urban, Open-Air-Ball-Besucher: "Wir sind zum 14. Mal auf dem Semperopernball, er ist uns mittlerweile zur Tradition geworden. Von der Diskussion im Vorhinein haben wir uns nicht abschrecken lassen. Das ist der Opernball, und den lassen wir uns nicht von der Politik kaputt machen. Auch dieses Jahr macht es genauso so viel Spaß wie immer, hier zu sein. Als Dresdner gehört er einfach dazu." © (c) Christian Juppe
Stanislaw Tillich, sächsischer Ministerpräsident a.D.: "Ich fand den Abend und auch das Galaprogramm super. Was jetzt aber wichtig ist: Dass die Diskussionen der vergangenen Tage rund um den Ball in den nächstn Wochen konstruktiv fortgesetzt werden. Aber für diese Ballnacht sollte das erst einmal nicht im Vordergrund stehen. Der Tag war zum Feiern da. Auch wenn ich die Preistrgäer diesmal nicht vermisst habe, sollten sie im Rahmen einer solchen Verantaltung schon eine Rolle spielen. Nun muss darüber entschieden werden, wie genau das in Zukunft aussehen kann."
Stanislaw Tillich, sächsischer Ministerpräsident a.D.: "Ich fand den Abend und auch das Galaprogramm super. Was jetzt aber wichtig ist: Dass die Diskussionen der vergangenen Tage rund um den Ball in den nächstn Wochen konstruktiv fortgesetzt werden. Aber für diese Ballnacht sollte das erst einmal nicht im Vordergrund stehen. Der Tag war zum Feiern da. Auch wenn ich die Preistrgäer diesmal nicht vermisst habe, sollten sie im Rahmen einer solchen Verantaltung schon eine Rolle spielen. Nun muss darüber entschieden werden, wie genau das in Zukunft aussehen kann." © Marion Doering
Antje Ertel und Mike Bernhardt, Open-Air-Ball-Besucherin aus Kamenz: "Na klar habe ich mir im Vorfeld des Balles Gedanken über all die Geschehnisse gemacht. Aber ich habe mir gesagt: Ich gehe trotzdem hin!“
Antje Ertel und Mike Bernhardt, Open-Air-Ball-Besucherin aus Kamenz: "Na klar habe ich mir im Vorfeld des Balles Gedanken über all die Geschehnisse gemacht. Aber ich habe mir gesagt: Ich gehe trotzdem hin!“ © (c) Christian Juppe
Tillmann Blaschke, Kaufmännischer Geschäftsführer Porzella-Mnufaktur Meissen, mit Diana Strohbach:  "Ich finde, den Ballorganisatoren und den vielen Mitwirkenden ist dieser Abend wunderbar gelungen. Sie haben den richtigen Ton getroffen. Die Probleme der vergangenen Wochen wurden im Programm offensiv angesprochen. Dieser Weg war die beste Lösung. Ich glaube, der Semperopernball ist dort, wo er ist, in guten Händen."
Tillmann Blaschke, Kaufmännischer Geschäftsführer Porzella-Mnufaktur Meissen, mit Diana Strohbach:  "Ich finde, den Ballorganisatoren und den vielen Mitwirkenden ist dieser Abend wunderbar gelungen. Sie haben den richtigen Ton getroffen. Die Probleme der vergangenen Wochen wurden im Programm offensiv angesprochen. Dieser Weg war die beste Lösung. Ich glaube, der Semperopernball ist dort, wo er ist, in guten Händen." © Marion Doering

Mit der umstrittenen Preisverleihung an einen Despoten hat er nicht nur geografisch Grenzen überschritten, und das zum wiederholten Mal. Als Wladimir Putin 2009 den Orden erhielt, hagelte es Kritik. Für Kopfschütteln sorgte 2017 die Huldigung des saudiarabischen Prinzen Salman al Saud  - auch er ein "Brückenbauer" und "Hoffnungsträger". Er setze sich dafür ein, dass Frauen in seinem Land selbst Auto fahren dürfen, hieß es damals zur Verkündung der Personalie auf einer Pressekonferenz. 

Doch was ist übrig geblieben von der Empörung, den Distanzierungen, den vielen Statements und gesetzten Zeichen? Und was blieb vom Ball? Unters Parkett lässt sich nichts kehren. Die Beteiligten haben sich dafür entschieden, die Schwierigkeiten der vergangenen beiden Wochen auch auf dem Ball anzusprechen. Mehr oder weniger deutlich ging es dabei um Fehler und den Aufruf zu einer fairen Streitkultur. Auch der MDR ging offensiv mit dem Thema um, zeigte sogar im Ballprogramm einen Beitrag, in dem der Sender die Vorgeschichte der Preisverleihung an Al-Sisi, seine Person und die Lage in Ägypten einordnet. "Keine gute Idee" und "Krasse Fehlentscheidung" nannte MDR-Moderator René Kindermann die Ordenübergabe. Dass der MDR im Vorfeld nichts von Hans-Joachim Freys Ambitionen gewusst haben will, bleibt dennoch unglaubhaft. Ebenso die Behauptung des MDR-Programmdirektors Peter Dreckmann, der noch zuletzt im Medienmagazin ZAPP betonte, keinerlei Einfluss auf das Ballprogramm zu haben.

Roland Kaiser erschien bei allem am glaubhaftesten. Schon früh hatte er seine Position zum Geschehen und zum Ball selbst erklärt. Vor dem Hintergrund, dass der Staatskanzlei der Plan, Al-Sisi zu ehren, vor Freys Reise nach Kairo bekannt war, lässt Michael Kretschmers "Aber es ist gut, dass man auch mal Fehler erkennt und nachgibt", indes seltsam einseitig erscheinen. Hätte die sächsische Regierung die schwere Beschädigung des Dresdner Semperopernballs und die negativen Schlagzeilen aus der Landeshauptstadt verhindern können? Auch diese Frage muss künftig Bestandteil der Aufarbeitung sein.

In alter Verbundenheit: Sylvie Meis moderierte zweimal den Dresdner Semperopernball, einmal an der Seite von Roland Kaiser. Am Freitagaband traf sie als Gast des Programms in der Oper mit ihm zusammen und zeigte sich sehr emotional.
In alter Verbundenheit: Sylvie Meis moderierte zweimal den Dresdner Semperopernball, einmal an der Seite von Roland Kaiser. Am Freitagaband traf sie als Gast des Programms in der Oper mit ihm zusammen und zeigte sich sehr emotional. © dpa-Zentralbild

Die Gäste selbst genossen den Ballabend sichtlich. Bis 5 Uhr morgens feierten und tanzten sie in den verschiedenen Sälen. Spürbar mehr Bewegungsfreiheit auf den Tanzflächen und an den Bars ließ den Eindruck gewinnen, es seien deutlich weniger Gäste zum Ball gekommen als üblich. Dabei hatte die PR-Agentur des Balls drei Tage vor dem Event erklärt, nur rund 30 Tickets von 2000 seien noch vakant, und es habe auch nur vereinzelt Anrufe von Kunden gegeben, die ihre Tickets zurückgeben wollten.

Ballchef Hans-Joachim Frey zieht eine positive Bilanz: „Der 15. Dresdner Opernball war ein erster Neustart. Wir sind sehr glücklich, dass das veränderte Ballkonzept sehr positiv angenommen wurde und draußen wie drinnen für eine fröhliche und entspannte Ballatmosphäre sorgte." So haben alle Beteiligten das bekommen, was sie verdienen: Die Gäste einen ausgelassenen Abend. Die Künstler Applaus für ihre überzeugende Leistung. Und die Verantwortlichen die Aussicht auf ein Nachspiel. 

Mit Jana Mundus und Marvin Graewert

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In eigener Sache

Die DDV-Mediengruppe distanziert sich vom Semperopernball-Preisträger: Der künstlerische Leiter des Semperopernballs, Hans-Joachim Frey, hat am 26. Januar den ägyptischen Staatspräsidenten Abdel Fatah Al-Sisi mit dem St.-Georgs-Orden des Dresdner Semperopernballs ausgezeichnet.

Die DDV-Mediengruppe ist seit vielen Jahren offizieller Medienpartner des Dresdner Semperopernballs. Ziel dieses Engagements war und ist es, ein Dresdner Event mit nationaler Ausstrahlung für Sachsen aufzubauen und zu befördern. Umfang und Art dieses Engagements werden regelmäßig neu bewertet.

Die DDV-Mediengruppe hat keinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des Balls.Statement des Verlages zum Ball