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Bäcker für eine Nacht

In der Landbäckerei Gerber beginnt 1.30 Uhr der Arbeitstag. SZ-Redakteur Steffen Gerhardt formte nicht nur den Teig, er lernte auch die Vielfalt des Berufes kennen.

Von Steffen Gerhardt
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Bäckermeister Uwe Kopke erklärt SZ-Redakteur Steffen Gerhardt, wie aus diesen Teigrollen Brezeln gemacht werden.
Bäckermeister Uwe Kopke erklärt SZ-Redakteur Steffen Gerhardt, wie aus diesen Teigrollen Brezeln gemacht werden. © André Schulze

Der Wecker klingelt um ein Uhr. Also aufstehen, wenn andere ins Bett gehen. Nichts los auf den Straßen. Von Horka bis nach Förstgen begegnet mir nur ein Auto - und ein Fuchs, der die Straße quert. In Förstgen angekommen, ist die Landbäckerei Gerber das einzige Haus im Ort, in dem es hell leuchtet. Dort wird schon gearbeitet.

Die Backstube von Uwe Kopke ist mein Ziel. In dieser Nacht will ich kennenlernen,  wie das ist, als Bäcker tätig zu sein. Während ich mich mit weißem T-Shirt und Bäckerschürze ausstaffiere, läuft die Teigrührmaschine bereits auf Hochtouren. "Die Brote sind das erste, was in den Ofen muss", sagt Uwe Kopke. Er führt mich zu einer Maschine aus der die geformten Rohlinge purzeln, die am Ende ein Mischbrot sind. Meine erste Aufgabe: Die Teigrollen von einem Pfund Gewicht mit den bereitstehenden Backformen aufzufangen, um sie in ein Regal zu stellen. Von dort aus werden sie in den Backofen geschoben.    

Teigrollen im Akkord

Die Maschine spuckt die Teigrollen im Akkord aus, da muss man schnell sein: Form greifen, darunter halten, Teig reinfallen lassen und ins Regal stellen. Zeit zum Quatschen bleibt da keine. "Handwerk ist körperliche Arbeit" höre ich im Hintergrund. Als die ersten Brote im Ofen sind, erzählt mir Uwe Kopke, dass in seiner Bäckerei noch vieles mit der Hand gemacht wird. Automatisierte Backstrecken sind hier ein Fremdwort. Zum einen fehlt der Platz und zum anderen das Geld dafür.  

"Wir sind ein kleiner Familienbetrieb. Das Geschäft führe ich mit meiner Frau Heike, dazu kommen ein Geselle und Drazan, unser kroatischer Mitarbeiter in der Backstube, sowie fünf Frauen als Verkäuferinnen", zählt der Bäckermeister auf.  Denn zu seiner Bäckerei mit Geschäft in Förstgen kommt noch die Filiale in Weigersdorf. Von sieben bis zehn Uhr werden hier die Backwaren verkauft. 

Aus zwei Teigkugeln wird eine Semmel

Inzwischen klingelt erneut ein Wecker. Die Uhr zeigt die dritte Stunde des neuen Tages an. Zeit zum Aufstehen heißt es für die Brote, die in einer Stunde im Backofen braun und knusprig geworden sind. Schnell werden sie aus dem mit Heizöl befeuerten Ofen geholt, denn jetzt wird der Platz für Semmeln und Brötchen gebraucht.   

Geselle Matthias Pretze zeigt mir, wie aus kloßgroßen Teigkugeln Semmeln werden: "Einfach zwei Kugeln mit den Fingern zusammenschieben und fest drücken", sagt er. Das klappt gut, zumal eine Maschine den Teig zu kleinen und gleich großen Kugeln formt und auf einem runden Tablett ablegt. 

Um 3 Uhr kommen nicht nur die ersten fertigen Brote ins Regal, sondern auch Uwe Kopkes Frau in die Backstube. Für sie beginnt jetzt der Arbeitstag. Der Blechkuchen ist ihr Metier. Auf jedes Backblech setzt sie ein Gitter, dass ein genaues Schneiden der Kuchenstücke ermöglicht. Schließlich soll ein Stück so groß wie das andere sein. Parallel dazu kümmert sich Heike Kopke darum, dass alle Backwaren im Geschäft nebenan ihren Platz haben.      

Auf der Suche nach einem Lehrling

Mit Mischbrot allein macht man heute seine Kunden nicht mehr glücklich. Sie verlangen auch nach Spezialbroten. Das ist eine Umstellung für Uwe Kopke gewesen. Von 1984 an hat er in der Landbäckerei Gerber gelernt. Sein Chef war Claus Gerber. Hier hat er praktisch das umgesetzt, was er in der Görlitzer Berufsschule gelernt hat. Beim Brotbacken gab es nur zwei Sorten: Mischbrot und Weißbrot. "Damals waren wir zwei große Klassen von Bäckerlehrlingen, und heute sucht man mitunter vergeblich nach einem guten Lehrling", sagt der Inhaber. Vergangenes Jahr wollte er gern einen aufnehmen, aber kein Jugendlicher bewarb sich um die Stelle.   

Uwe Kopke wird es in diesem Jahr wieder versuchen. Vielleicht klappt es. Denn ein junger Mann, der schon zweimal zum Praktikum in der Landbäckerei war, muss sich dieses Jahr für einen Beruf entscheiden. "Wir würden uns freuen, wenn er den Bäcker wählt", sagt Klaus Kopke. Inzwischen stehe ich an einem Holztisch und muss Teigklumpen portionieren, also auf gleiches Gewicht bringen. Denn daraus werden weitere Brote gebacken. 

Nicht nur Mischbrot ist gefragt

Links von mir eine Waage mit Gewichten zum Draufstellen - und viel älter als ich, schätze ich mal. Aber sie erfüllt immer noch ihre Pflicht, damit die Brote ein einheitliches Gewicht haben. In dieser Nacht werden zu dem Mischbrot noch Brote mit Dinkel, Schrot und Zwiebeln gebacken. Geselle Matthias hat den Teig bereits angerührt, der nun vor mir liegt. Abfall gibt es dabei nicht. Eine Handvoll Teig bleibt meistens übrig. Sie wird auf den abgewogenen Teig aufgeteilt.  Somit bekommen die Kunden heute mehr Brot für ihr Geld, schießt es mir durch den Kopf.      

Matthias sagt, dass er über die Woche sechs oder sieben Teigsorten für die Brote herstellt. Dabei hat sich eingebürgert, dass es bestimmte Brotsorten an unterschiedlichen Tagen gibt. Die Kunden haben sich darauf eingestellt und rechnen damit, dass die Brote dann auch im Laden sind. Das betrifft nicht nur Förstgen und Weigersdorf. Im Mückaer Edeka-Markt hat Uwe Kopke einen Backstand. In Boxberg steht ein Hänger seiner Bäckerei und dann ist da noch das Bäckermobil. Mit ihm sind im Wechsel zwei Angestellte zwischen Kreba-Neudorf und Hohendubrau unterwegs, aber auch in Vierkirchen, Petershain und Wartha.

Inzwischen ist es Zeit, den Laden aufzuschließen. Unter den ersten Kundinnen ist Gisela Egel. Sie trägt jeden Morgen die Sächsische Zeitung in Förstgen aus. Auf ihrem Weg liegt die Landbäckerei. Dort holt sie jeden Morgen frische Semmeln und Brot, wenn welches gebraucht wird. Gisela Egel ist froh, im Dorf noch einen Bäcker zu haben. Neben dem Fleischer sind das die beiden einzigen Geschäfte im Ort. 

Bäckerei bleibt bestehen

Gisela Egel ist glücklich darüber, dass es mit der Bäckerei weitergegangen ist. Nach dem frühen Tod von Bäckermeister Claus Gerber vor zwei Jahren stand die Entscheidung, zu schließen oder das Geschäft fortzuführen. Der einstige Lehrling und heutige Bäckermeister Uwe Kopke entschloss sich, die Bäckerei zu übernehmen. "Damit habe ich mich vor der Arbeitslosigkeit bewahrt", sagt er rückblickend. Seine Frau Heike, die vorher in der Buchhaltung  eines Betriebes beschäftigt war, ist mit eingestiegen. "Für mich war das eine totale Umstellung, was Arbeit und Zeit betrifft. Aber nun habe ich mich daran gewöhnt, und mir macht die Arbeit und der Kontakt zu den Kunden sehr viel Spaß", erzählt sie.   

Ich habe inzwischen Pfannkuchen und Brezeln im Zucker gewälzt und dabei erfahren, dass die Pfannkuchen der Verkaufsschlager der Bäckerei sind. "Wir verkaufen sie das ganze Jahr über, weil die Kunden danach fragen", sagt Uwe Kopke. In der Tat, sie haben ihre eigene Note, stelle ich beim Kosten fest. Die Uhr zeigt inzwischen 6 Uhr, und ich mache Platz für Vincent. Der 16-Jährige ist für eine Woche als Ferienarbeiter in der Bäckerei und kann nun dem Personal weiter helfend zur Seite stehen, so wie ich es tat. 

Aus zwei Teigkugeln wird eine Semmel. Im Hintergrund "füttert" Geselle Matthias Pretze die Maschine, die den Teig zu diesen Kugeln formt. 
Aus zwei Teigkugeln wird eine Semmel. Im Hintergrund "füttert" Geselle Matthias Pretze die Maschine, die den Teig zu diesen Kugeln formt.  © André Schulze
Den Brotteig zu einer Halbkugel zu formen ist nicht so einfach. Geselle Matthias war um einiges schneller als der SZ-Redakteur.
Den Brotteig zu einer Halbkugel zu formen ist nicht so einfach. Geselle Matthias war um einiges schneller als der SZ-Redakteur. © André Schulze
Die Spezialität der Förstgener Bäckerei sind die Pfannkuchen. Sie werden von Hand gebacken, mit Marmelade oder Eierlikör gefüllt und mit Zucker versehen.  
Die Spezialität der Förstgener Bäckerei sind die Pfannkuchen. Sie werden von Hand gebacken, mit Marmelade oder Eierlikör gefüllt und mit Zucker versehen.   © André Schulze
Ab 4 Uhr füllt sich der Laden mit leckerem Kuchen sowie Semmeln und Broten. Heike Kopke verkauft hier ab 5.15 Uhr. Ihr Arbeitstag beginnt aber bereits 3 Uhr mit den Vorbereitungen.
Ab 4 Uhr füllt sich der Laden mit leckerem Kuchen sowie Semmeln und Broten. Heike Kopke verkauft hier ab 5.15 Uhr. Ihr Arbeitstag beginnt aber bereits 3 Uhr mit den Vorbereitungen. © André Schulze

Damit endet unsere Serie "Einer muss es ja machen".

Das Video dazu.

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