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Wie Corona fast eine Arzt-Familie trennt

Ein Tscheche wäre mit Kind und Kegel beinah illegal umgezogen, um in Oderwitz zu arbeiten. Weil die Kollegen sogar die Kanzlerin ins Boot holten, kam es anders.

Von Anja Beutler
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Lukas Bauer mit Frau und den drei Kindern. Sie leben in Cvikov und er pendelt täglich nach Deutschland zur Weiterbildung in einer Oderwitzer Praxis.
Lukas Bauer mit Frau und den drei Kindern. Sie leben in Cvikov und er pendelt täglich nach Deutschland zur Weiterbildung in einer Oderwitzer Praxis. © privat/Bauer

Bis in die frühen Morgenstunden dieses Donnerstags hat Lukas Bauer mit seiner Frau überglücklich Umzugskisten wieder ausgepackt. Dass die tschechische Regierung am späten Mittwochabend nun doch eingelenkt hat und Pendler aus medizinischen Berufen weiterhin über die Grenze nach Deutschland lässt, macht aus ihm einen glücklichen Menschen.

"Wir haben mit meiner Frau lange überlegt, was wir machen, wenn die Grenze auch für uns Pendler geschlossen wird", erklärt der 30-Jährige und erläutert den ersten Plan: Gemeinsam mit den drei kleinen Kindern wollten sie vorübergehend nach Deutschland ziehen. Eine Unterkunft in Großschönau war schon gefunden, alles war geputzt und vorbereitet. Doch dann der Rückschlag: "Bei einem Telefonat mit der Botschaft habe ich erfahren, dass meine Familie nicht hätte ausreisen dürfen", sagt er.

Für den Mann, der kurz vor den Facharztprüfungen zum Allgemeinmediziner steht, eine Katastrophe. "Wir hätten uns drei Wochen und oder gegebenenfalls noch länger nicht sehen können. Wenn ich dann nach Hause zu Besuch gekommen wäre, hätte ich zwei Wochen in Quarantäne gemusst und nicht wieder zur Arbeit gedurft", schildert er die Regeln, die ihm die von staatlicher Seite genannt wurden.

Was also tun? Eine so lange Trennung von seiner Frau, der fünfjährigen Tochter und den beiden dreieinhalb und zweijährigen Söhnen in Kauf nehmen? Eigentlich unmöglich. "Hätte ich aber meine Weiterbildung in Oderwitz bei Dr. Roger Voigt unterbrochen, hätte man meine Ausbildung nicht anerkannt, weil ich sechs Monate am Stück in einer Praxis arbeiten muss und mir noch ein Monat fehlte", schildert er seine Zwickmühle.

Wie Verbrecher über grüne Grenze?

Also fasste das Ehepaar einen surrealen Plan, bei dem sie sich wie Verbrecher fühlten: "Ich wollte normal mit dem Auto über die Grenze fahren und meine Frau inzwischen mit den Kindern illegal durch den Wald über die grüne Grenze nach Deutschland kommen", erklärt er. Er habe von einigen Kollegen gehört, dass sie solche Pläne hegten. Wohl war ihm bei dem Gedanken allerdings nicht. "Wir haben geweint am Abend der Entscheidung, weil uns klar war, dass wir das nicht machen können, ich dann aber arbeitslos werde und alles rund um meine Approbation unklar ist", schildert Lukas Bauer die emotionale Lage der Familie.

Dass buchstäblich in letzter Stunde doch noch ein diplomatisches Wunder geschehen ist, hat Bauer vor allem der Politik aber auch der Hartnäckigkeit seiner Kollegen zu verdanken. Ein Netzwerk aus etwa 25 deutschen und tschechischen Ärzten im Raum Zittau haben gemeinsam die Drähte glühen lassen.

Lukas Bauer selbst hat dem Landtagsabgeordneten Stephan Meyer (CDU) von dem Ausreiseverbot der Familie erzählt: "Er wusste das gar nicht." Auch Bauers Kollegin und Landsmännin Eva Martinkova, die beim Oderwitzer Arzt Gottfried Hanzl angestellt ist, hat Mails geschrieben und viel telefoniert in den letzten zwei Tagen: "Ich habe mit dem tschechischen Außen-, Innen- und Gesundheitsministerium Kontakt aufgenommen und die Lage geschildert", sagt Frau Martinkova.

Ihre deutschen Kollegen haben sich bis zu Ministerpräsident Michael Kretschmer und Kanzlerin Angela Merkel vorgearbeitet, um sich Gehör zu verschaffen. "Es war wunderbar zu spüren, wie sich so viele Menschen gemeinsam für ein Ziel einsetzen", sagt Frau Martinkova. Dabei war es nicht nur den niedergelassenen Medizinern ein Bedürfnis, auch von den Ärzten aus dem Klinikum Oberlausitzer Bergland kam viel Unterstützung. Dass all diese Mühe so rasch entlohnt wurde - dafür sind die Ärzte unendlich dankbar und haben das in einem offiziellen Dankesbrief auch formuliert:

Dieses Dankesschreiben haben die Ärzte an die Politiker in Sachsen und auf Bundesebene gerichtet.
Dieses Dankesschreiben haben die Ärzte an die Politiker in Sachsen und auf Bundesebene gerichtet. © Screenshot Thomas Christmann

Lukas Bauer kann sich diesen Worten nur anschließen. Denn dank der politischen Vermittlung kann er nun jeden Tag aufs Neue von seinem Zuhause in Cvikov (Zwickau) die reichlich 30 Kilometer nach Oderwitz fahren - und auch wieder zurück. Seine Zukunft sieht der junge Mediziner in Deutschland: "Ich habe hier viele Kollegen und Freunde, fühle mich hier überhaupt nicht fremd", sagt er. Außerdem gehen seine Kinder in Lückendorf in die Schkola-Kita. Seine Frau ist übrigens auch Ärztin. Wenn die Kinder groß genug sind, will sie ebenfalls die nötigen Weiterbildungen absolvieren, sagt er. 

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