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Wie eine Großfamilie Corona erlebt

Ulrike und Jan Novak aus Herrnhut haben sieben Kinder. Sie berichten von Familientrubel, Leben ohne Hamsterkäufe und schmerzlicher Trennung.

Von Anja Beutler
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Jan Novak (rechts) und Ulrike Novakova (hinten, zweite von rechts) mit ihren sieben Kindern in ihrem Garten in Herrnhut.
Jan Novak (rechts) und Ulrike Novakova (hinten, zweite von rechts) mit ihren sieben Kindern in ihrem Garten in Herrnhut. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Erstaunlich ruhig ist es im Hintergrund als Ulrike Novakova am Telefon über ihren momentanen Alltag berichtet. Kaum etwas zu hören von vier Schulkindern, zwei Kita-Kindern und einem halbjährigen Baby. Die 40-Jährige lacht. Doch, turbulent ist es schon: "Als Mutter komme ich mir mitunter vor wie ein Feuerlöscher - oder wie der Dirigent eines Sinfonieorchesters", erzählt sie lachend. "Uns kann jedenfalls nicht die Decke auf den Kopf fallen - so viele Sozialkontakte wie wir hat wohl im Moment kaum jemand." Und das sehen sie und ihr Mann Jan als Vorteil.

Dass sie einen neunköpfigen Haushalt jetzt bei allen Einschränkungen des Alltagslebens am Laufen halten muss, nimmt Mutter Ulrike erstaunlich gelassen. Da muss man doch eine Menge einkaufen - wird man da jetzt, in Zeiten von Hamsterkäufen, nicht doppelt schräg angeschaut? Die Herrnhuterin lacht. Ihre Antwort ist verblüffend: "Das kann ich aus eigener Erfahrung gar nicht sagen, ich war vielleicht vor einer reichlichen Woche das letzte Mal im Kaufland", erzählt sie und schiebt als Erklärung gleich hinterdrein: "Ich habe eine sehr ausgedehnte Vorratswirtschaft, das reicht noch für ein paar Tage." Und wenn frische Milch oder Joghurt ausgehen, kaufe man Nachschub. Sollte wirklich etwas mehr auf dem Einkaufszettel stehen, steuert die Familie eben auch mal zwei Märkte an.

Kein Einkaufsstress bei Großfamilie

Abgesehen davon hat die Novaks die Corona-Krise nicht wirklich überrascht. Da Jan Novak aus Tschechien stammt und die Welle der Hamsterkäufe dort bereits zehn Tage früher als in Deutschland einsetzte, hat sich die Familie bereits auf Ähnliches eingestellt. "Ich musste bei meinem letzten Einkauf deshalb schon ein bisschen schmunzeln, als ich gesehen habe, dass die Körbe all jener, die sonst nur für zwei Personen einkaufen, so voll waren wie unser Korb sonst", sagt sie.

Die größte Herausforderung im Moment ist, die Kinder zu beschäftigen. "Wir merken, dass es ihnen unterschiedlich gut gelingt, sich zu konzentrieren", erklärt Mutter Ulrike, "aber sie teilen sich das je nach Konzentrationsphasen ein". Die Kinder beschäftigen sich auch unter- und miteinander. "Dass die Älteren die Jüngeren unterrichten, hatten wir aber noch nicht - aber helfen oder den alten Hefter hervorholen, wenn es Fragen gibt, das machen sie", beschreibt die Mutter. Sollte es irgendwo mit dem Schulstoff hängen, könnte auch Jan Novak eingreifen - er ist Lehrer an einer Görlitzer Schule - momentan aber in Elternzeit.

Familie vermisst Bewegung außer Haus

Dass Vater Jan schon vor Beginn der Corona-Einschränkungen zu Hause war, ist auch der Grund, warum sich die Familie nicht so stark umgewöhnen musste. Klar, die Aktivitäten außer Haus, das fehle schon, sagen die Eltern. Aber eine Runde ums Feld oder in den nahen Wald gehen dürfe man ja genauso wie sich im Garten hinterm Haus aufhalten. "Lagerkoller haben wir noch nicht", befindet Ulrike Novakova, die immer auf genügend Bewegung achtet und mit ihrem Sohn Nathanael und ihren Brüdern bei der Sat.1-Show "Fittest Family Germany" angetreten ist. Außerdem gibt es bei drei der sieben Kinder feste Musikschultermine für ihre Violinen- und Flötenstunden: "Wir machen das jetzt online", sagt die Mutter. Auch ihr Mann nutzt die neue digitale Bewegungsfreiheit und macht Schulungsangebote der Krankenkasse ebenfalls per Bildschirm.

So locker sich das Leben bislang in der Großfamilie gestaltet - eines sorgt die Novaks sehr: Die Mutter von Jan Novak ist 83 und wohnt in Tschechien - aber über die Grenze darf jetzt niemand von ihnen. Wann die Familie die Oma oder andere Verwandte wiedersehen können, das ist eine quälende Ungewissheit. Überraschend fand Ulrike Novakova auch, wie rasch die wirtschaftlichen und demokratischen Freiheiten durch das Virus eingeschränkt werden konnten. "Das war mein größter Aha-Effekt", sagt sie. Sie hoffe, dass man nach Ostern die Regeln bald wieder lockern kann.

Extra intensive Familienzeit

Bis sich alles wieder normalisiert, genießen die neun Herrnhuter aber eine ganz besonders intensive Familienzeit mit drei gemeinsamen Mahlzeiten statt wie sonst gerade einmal einer. Da ihr Glaube - sie gehören zum Jesus-Haus, einer evangelischen Freikirche - für sie im Leben generell eine große Rolle spielt, gibt er ihnen auch jetzt wesentlichen Halt und Kraft. "Wir haben jetzt jeden Tag zwischen 9 und 10 Uhr Familienzeit, wo wir gemeinsam in der Bibel lesen, beten und einen Psalm auswendig lernen", erklärt die Mutter. Psalm 91 haben sie sich ausgesucht - und der ist tatsächlich eine treffende Antwort auf diese Zeit, findet Frau Novakova, denn es geht darin unter anderem um Gottes Schutz auch vor Pest und Seuchen.

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