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Zwei Nieskyer bei der Tour de France

Enrico Poitschke und André Schulze sind als Sportdirektor und sportlicher Leiter bei der wichtigsten Rundfahrt dabei.

Von Frank Thümmler
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Enrico Poitschke gibt am Materialwagen seinem Fahrer Emanuel Buchmann Nahrungsnachschub und taktische Anweisungen. Die muss der Fahrer befolgen (, wenn er kann). Poitschke ist der Chef.
Enrico Poitschke gibt am Materialwagen seinem Fahrer Emanuel Buchmann Nahrungsnachschub und taktische Anweisungen. Die muss der Fahrer befolgen (, wenn er kann). Poitschke ist der Chef. © Markus und Michael Roth

Von Niesky in die große Welt des Radsports. Enrico Poitschke und André Schulze haben beide eine beachtliche aktive Radsportkarriere hinter sich. 

Der kampfstarke Poitschke (heute 49) war in seiner Karriere bei den großen Rundfahrten durch Italien, Spanien und einmal auch Frankreich dabei. Und Sprinter André Schulze (44) holte eine ganze Reihe beachtliche Sprintsiege bei Profirennen. Heute sind beide im direkten Umfeld der Fahrer sehr erfolgreich, Schulze als Sportlicher Leiter, Poitschke gar als Sportdirektor eines Radteams. Und das nicht bei irgendeinem, sondern beim besten deutschen Team Bora-hansgrohe, das in den vergangenen Jahren in die absolute Weltspitze vorgedrungen ist und zu den Favoritenteams bei der am Sonnabend beginnenden Tour de France gehört. Die SZ sprach im Vorfeld mit Enrico Poitschke.

Das ist jetzt Ihre sechste Tour de France-Teilnahme als Sportdirektor, zuzüglich der einen als Fahrer. Geht der Puls so kurz vor dem Start noch nach oben oder ist da viel Routine dabei?

Natürlich bleibt die Tour de France immer etwas Besonderes. Aber inzwischen ist auch viel Routine dabei. Wir haben in den letzten Jahren viel erlebt, mit Stürzen von Fahrern, dem Ausschluss eines Fahrers. Wir haben auch schon viel gewonnen. Wir haben alles schon mal mitgemacht. Und deswegen wird man von Jahr zu Jahr ein bisschen relaxter und ausgeglichener.

Sie haben nach Ihrer aktiven Karriere 2009 mit einem kleinen Team als Sportdirektor angefangen und es nach und nach in die höchste Profiliga und jetzt in die Weltspitze geführt. Wie macht man das?

Wir hatten schon 2009, als wir in der untersten Profiliga angefangen haben, unsere Vision. Dass es sich so entwickelt, kann man nur hoffen. Wir haben uns einfach jedes Jahr weiterentwickelt, das Team, die Fahrer und auch uns selber. Das Schöne bisher war, dass wir noch nie wirklich ein schlechtes Jahr hatten, auch wenn einige Rückschläge nicht ausgeblieben sind. Wir haben immer mehr und größere Rennen gewonnen. Und das motiviert einen natürlich. Ich glaube, wir können da schon ein wenig stolz drauf sein.

In Ihrer Position sind Sie für Erfolg und Misserfolg des Teams verantwortlich. Was können Sie überhaupt tun?

Man kann sehr viel tun. Man hat die Verantwortung, welche Fahrer man verpflichtet, welche Fahrer zu welchen Rennen fahren, welche Taktik gefahren wird und auch, dass das Team um die Fahrer herum, bei der Tour 35 Leute, optimal arbeitet.

Wenn Sie im Team-Auto hinter dem Feld herfahren, steuern Sie dann alles über die Funkverbindungen – wann attackiert oder nachgesetzt wird? Oder entscheiden die Fahrer noch selbst?

Es ist schon so, dass man sehr viel vorplant und durch die Funkverbindung einen sehr großen Einfluss auf das Renngeschehen hat und immer reagieren kann. Es ist ganz wichtig für den Erfolg des Teams, dass sich jeder Rennfahrer an die taktischen Vorgaben hält. Der einzelne Rennfahrer hat schon eine sehr beschränkte Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen.

Sie waren als Rennfahrer ja noch ohne diese Technik unterwegs. Waren Sie damals schon Taktikfuchs und macht Sie das heute so erfolgreich? Immerhin sind Sie Sportdirektor beim laut Weltrangliste derzeit drittbesten Team.

Da spielen viel Faktoren eine Rolle, wie man auf Menschen wirkt, wie man ein Team führen kann und was man für Möglichkeiten bekommt. Ich hatte das Glück, diese Aufgabe schon zeitig übertragen zu bekommen, zugleich war es auch meine Passion. Und dann liefen viele Dinge einfach richtig gut, und ich konnte mich ständig weiterentwickeln.

Auf welche Ihrer Fahrer sollten die Fans bei der Tour besonders achten?

Wir haben den dreifachen Weltmeister Peter Sagan als einen der Kapitäne im Team. Er will wieder um das Grüne Trikot kämpfen und Etappen gewinnen. Mit Emanuel Buchmann und Patrick Konrad haben wir zwei junge Fahrer, die das Potenzial haben, unter die Top Ten zu fahren. Und Maximilian Schachmann ist ein Riesentalent, das diesmal noch lernen soll und auf der einen oder anderen Etappe angreifen soll. Wir sind sehr breit aufgestellt. Am Ende wollen wir vielleicht ein paar Tage das Gelbe Trikot tragen, das Grüne Trikot erobern, mindestens eine Etappe gewinnen und einen Fahrer unter die ersten Zehn der Gesamtwertung bringen.

Die Nieskyer Radsportler, die manchmal auch schon an der Strecke waren, werden wieder mitfiebern. Haben Sie eigentlich noch Kontakt nach Niesky?

Doch. Ich bin sehr oft noch bei meiner Mutter. Ab und zu, das klappt aber relativ selten, treffe ich auch noch alte Sportkameraden. Und in der sportlichen Leitung hier habe ich ja auch André Schulze dabei, der das Team einen Teil der Tour de France begleiten und Steffen Radochla nach den ersten Tagen ablösen wird. Wir hoffen, wir können auch die Nieskyer jubeln lassen.

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