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Welche Bedenken Taiwanesen gegen den Chipstandort Dresden haben

Der sächsische FDP-Abgeordnete Frank Müller-Rosentritt war mit einer Bundestagsdelegation in Taiwan. Dort lernte er die andere Seite der Ansiedlungsdebatte um den Chiphersteller TSMC kennen.

Von Nora Miethke
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Der sächsische FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt mit dem Außenminister Taiwans, Jaushieh Joseph Wu.
Der sächsische FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt mit dem Außenminister Taiwans, Jaushieh Joseph Wu. © privat

Der weltgrößte Chiphersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) zieht den Bau einer Spezialchipfabrik in Dresden offenbar ernsthaft in Betracht. TSMC-Chef C. C. Wei sagte am Donnerstag in einer Telefonkonferenz zu den Quartalszahlen, der Konzern prüfe in Europa mit Kunden und Partnern den Bau einer Spezialfabrik, die auf Technologien für die Automobilindustrie ausgerichtet sei.

Während dem Vernehmen nach TSMC-Manager diese Woche in Dresden die Lage für eine mögliche Ansiedlung einer Fab sondierten, erfuhr der sächsische FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt in Taipeh, wie eine Expansion nach Europa dort gesehen wird. „Die eine Seite fordert, man müsste angesichts der Bedrohung durch die Volksrepublik China mehr anderswo in der Welt produzieren.

Die andere Seite warnt davor, wenn man das zu viel tut, gibt man sein Schutzschild auf“, sagt Müller-Rosentritt. 80 Prozent der Computerchips für chinesische Exportgüter kommen aus Taiwan. Die Taiwanesen sehen die Halbleiterindustrie deshalb als ihr Schutzschild vor einem Angriff Chinas. Das Argument, dass China sich mit einem Angriff vor allem ins eigene Fleisch schneiden würde, weil die Volksrepublik im Fall eines Überfalls keinen Zugang mehr zu den dringend benötigten Chips hätten, hört Müller-Rosentritt vor Ort auch und merkt, dass die Debatte im vollen Gang ist.

Er hat gemeinsam mit der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und anderen FDP-Abgeordneten die demokratische Inselrepublik vier Tage lang besucht und ist am Freitag zurückgekehrt.Während seines Aufenthalts war die Insel einem Militärmanöver mit 57 Kampfflugzeugen und und 4 Kriegsschiffen der Chinesen ausgesetzt. So will die Volksrepublik den militärischen Druck aufrechterhalten. Die kommunistische Partei in Peking betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Taiwan sieht sich dagegen längst als unabhängig an.

Die Delegation der FDP-Bundestagsfraktion mit der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann in der Mitte in Taipeh.
Die Delegation der FDP-Bundestagsfraktion mit der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann in der Mitte in Taipeh. © Privat/Müller-Rosentritt

Der zunehmende Konflikt ist ein Grund für die mögliche Ansiedlung in Sachsen. In Taiwan wüsste man um die Vorteile von Silicon Saxony, allerdings gäbe es in der Branche auch zunehmend Sorgen hinsichtlich einer sicheren Energieversorgung und der demografischen Lage, ob man überhaupt genügend Arbeitskräfte finden würde, gibt Müller-Rosentritt seine Eindrücke wider und natürlich sei es ein Kampf um Fördermittel.

Der FDP-Abgeordnete hat in seinen Gesprächen aber auch eine allgemeine Debatte um die Spitzentechnologie wahrgenommen: Das Bewusstsein sei deutlich gestärkt, dass man stärker außerhalb Taiwans und Festland-Chinas produzieren müsse. Fraglich sei jedoch, ob das in Europa sein muss oder ob nicht Standorte in anderen asiatischen Ländern wie Japan, Malaysia oder Südkorea besser wären.

Da die Chips aus Taiwan überwiegend für Apples iPhones und Mac-Computern benötigt werden und bekanntlich nicht in Europa gebaut werden, sieht sich Müller-Rosentritt auch mit der Frage konfrontiert, ob es überhaupt Sinn mache in Europa die Kapazitäten auszuweiten, wenn die Kunden dafür überwiegend in Asien sitzen und es wenig nachhaltig erscheint, die in Europa produzierte Chips für Apple oder Samsung zurück nach Asien zu verschiffen.

„Das ist ein riesiger Weck-up Call für den Industriestandort Deutschland“, findet Müller-Rosentritt, wenn Vertreter der Spitzentechnologie glauben, nicht nach Deutschland kommen zu müssen, weil es hier keine Kunden für ihre Produkte gibt oder der Energiesicherheit kein nachhaltiger Glauben geschenkt wird. Daher wäre es hilfreich, wenn Deutschland auch in diesen Branchen Ansiedlungen schaffen würde.

Westliche Delegationen demonstrieren Solidarität in Taipeh

Die Situation in der Chipindustrie war aber nicht der Hauptgrund für den sächsischen FDP-Abgeordneten, mit nach Taipeh zu fliegen. „Wir müssen den Kontakt zu Demokratien und offenen Gesellschaften stärken. Der Krieg in der Ukraine zeigt uns, Freiheit muss immer wieder neu verteidigt werden“, erklärt Müller-Rosentritt seine Hauptmotivation. Er ist im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags für die Region Asien verantwortlich und hat federführend das Kapitel zur China-Strategie im Koalitionsvertrag mit verhandelt.

Größer als die Gefahr eines militärischen Überfalls hält er die Gefahr wirtschaftlichen Drucks seitens der Volksrepublik China auf Taiwan, etwa durch eine Blockade der Häfen an der Taiwanstraße, um die Gesellschaft auf der Insel zu verändern. Solch eine Blockade hätte auch immense Folgen für die sächsische Wirtschaft. „Die Hälfte unserer Importe und Exporte gehen durch diese Meerenge. Eine Blockade hätte viel krassere Auswirkungen auf sächsische Unternehmen als der Krieg in der Ukraine“, erläutert Müller-Rosentritt. Deshalb seien Besuche ausländischer Delegationen vor Ort und die Berichterstattung darüber so wichtig, um den Preis für die Chinesen so hoch wie möglich zu treiben.

„Je mehr man über die Bedrohungslage spricht, desto geringer wird sie“, sagt der Abgeordnete, der in den vergangenen Tagen die Präsidentin Taiwans, Tsai Ing-wen, wie auch den Premier, Innen- und Außenminister getroffen hat. Parlamentarier aus Tschechien, Polen, Frankreich und dem Baltikum würden sich auf der Insel die Klinke in die Hand geben, um ihre Solidarität zu zeigen. Prag hätte die Städtepartnerschaft zu Peking aufgekündigt und durch eine mit Taipeh ersetzt, berichtet Müller-Rosentritt.

Gruppenbild vom Treffen der FDP-Bundestagsabgeordneten mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen (9.v.l.) . Foto: PR
Gruppenbild vom Treffen der FDP-Bundestagsabgeordneten mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen (9.v.l.) . Foto: PR © Privat/Rosentritt

Den sächsischen Unternehmen empfiehlt er, ihre Lieferketten zu diversifizieren. „Sie müssen strategisch überlegen, wo sie im Fall des Ausfalls von China produzieren könnten und welche Märkte in Asien noch wichtig sein können“, sagt der Asien-Experte und schaut dabei in Richtung Malaysia, Vietnam und vor allem Indien.

Und das tun die Taiwanesen auch. Fast die Hälfte ihrer Direktinvestitionen sind bislang in der Volksrepublik China. Derzeit baut TSMC eine Fabrik in Japan. Eine Fertigung in Dresden wäre die erste Produktionsstätte in Europa.

"Es ist jetzt an uns, die Gesetzgebung so weit zu ändern, damit Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtert und der Standort Deutschland attraktiver wird. Das muss ein modernes Einwanderungsrecht leisten", so Müller-Rosentritt.