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Die Energiewende ist nicht gescheitert. Sie wurde blockiert

Michael Kretschmer hält die Energiewende für gescheitert, Vertreter des sächsischen Mittelstands pflichten ihm bei. Warum das falsch ist, erklärt VEE-Präsident Wolfgang Daniels im Gastbeitrag.

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Der Präsident der VEE Sachsen e.V., Dr. Wolfgang Daniels sieht die Energiewende in Sachsen blockiert.
Der Präsident der VEE Sachsen e.V., Dr. Wolfgang Daniels sieht die Energiewende in Sachsen blockiert. © VEE

Von Dr. Wolfgang Daniels, Präsident der VEE Sachsen

„Die Energiewende, so wie sie geplant war, ist gescheitert“: Das ist der Wortlaut, mit dem der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer seit zwei Wochen in den Medien hausieren geht. Er trifft damit den Nerv des sächsischen Mittelstands.

Die Aussagen des Ministerpräsidenten und des Mittelstandsvertreters lesen sich wie Hohn, wie eine Satire. Denn gleichzeitig brennen in der Sächsischen Schweiz und in Tschechien seit Wochen ausgedörrte Wälder nieder, legt sich Brandgeruch über die sächsische Landeshauptstadt. Das vermehrte Auftreten von Waldbränden ist eine greifbare, fürchterliche Folge des drastischen Klimawandels. Wer über Energiepolitik spricht, muss auch ihre Effekte kalkulieren.

Eine Einsicht, dass Sachsen als Schlusslicht der deutschen Energiewende endlich Mitverantwortung übernehmen muss, fehlt. Auch im Jahr 2022 werden in Sachsen nur zwölf Windräder ans Netz gehen. Notwendig wären rund 80, jedes Jahr – und das seit 2020. Das liegt nicht daran, dass sich Sachsen nicht für Windkraft, Solar, Geothermie oder andere Formen der Erneuerbaren eignen würde. Die technischen Mittel sind vorhanden, wie etwa der neu eröffnete, zweitgrößte deutsche Solar-Batteriepark im sächsischen Großschirma beweist. Er trägt durch geglättete und verschobene Einspeisung zur Netzstabilität und zur Grundlast bei.

Klarer Wille und entschlackte Genehmigungsverfahren

Nein: Die Energiewende ist nicht gescheitert, sondern wurde in den letzten beiden Jahrzehnten durch politischen Unwillen ausgebremst, teilweise auch absichtlich blockiert und sabotiert. Auch und besonders in Sachsen. Parallel verstricken sich Ministerpräsident Kretschmer und Mittelstandsvertreter Rosenberg in ihrer eigenen Argumentation.

Erstens: Erneuerbare sind für die Wirtschaft schon heute unabdingbar. Unternehmen brauchen und wollen Energie aus Erneuerbaren. Steht grüner Strom nicht ausreichend zur Verfügung, besteht die Gefahr, dass Standorte abwandern oder gar nicht erst neu erschlossen werden. Aktuelle Belege: Intel landet in Magdeburg statt in Dresden, Tesla in Grünheide statt in der Lausitz.

Zweitens: Erneuerbare tragen zum Wohlstand und Wirtschaftswachstum bei. Um die Abhängigkeit von Lieferketten aus Fernost hinsichtlich notwendiger Bauteile zu verringern, brauchen wir Produktionsstandorte in Deutschland. Auch Sachsen würde sich anbieten, allerdings fehlt es an Investitionssicherheit (und grünem Strom). Der Ausbau der Erneuerbaren, verbunden mit einem Ausbau der Energienetze und Speicher, sorgt für Unabhängigkeit, Preisstabilität und Versorgungssicherheit.

Drittens: Für das angebliche „Scheitern“ der Energiewende sind genau jene verantwortlich, die jetzt besonders laut klagen – nämlich die CDU. Sie war die letzten 16 Jahre im Bund in der Verantwortung, sie stellt seit der Wende den sächsischen Ministerpräsidenten. Und sie hat sich entschlossen, sich einer lauten, rückwärtsgewandten Minderheit anzuschließen. Seit dem Frühjahr wissen wir nämlich, dass die Sächsinnen und Sachsen mehrheitlich hinter der Energiewende stehen . Zum Glück mehren sich auch in der CDU die Stimmen, die diesem Kurs nicht mehr folgen wollen.

Die Energiewende ist zu 100 Prozent technisch machbar, auch in Sachen Grundlast und Versorgungssicherheit. Deutsche Erneuerbare helfen derzeit, Lücken der französischen Erzeugung aus Atomstrom zu schließen. Was es braucht, sind politischer Wille und entschlackte Genehmigungsverfahren. Wie sich diese beschleunigen ließen, haben wir mehrfach skizziert – beispielsweise im Brandbrief zum Windkraftausbau Ende 2021. Denn derzeit scheitert es an vielen Kleinigkeiten: Regionalpläne und Regionalplaner stecken im Geiste noch im Jahr 2013 fest und sperren sich gegen angekündigte, flexiblere Auslegungen. In vielen Regionen Sachsens bleibt der Stillstand garantiert – derzeit.

Wir brauchen ein klares Bekenntnis der sächsischen Landespolitik, des sächsischen Ministerpräsidenten zum konsequenten Ausbau der Erneuerbaren – und zwar jetzt, sofort. Herr Kretschmer, die Energiewende muss jetzt, angesichts verdorrter Ernten, brennender Wälder und steigender Energiepreise, Chefsache werden! Es reicht nicht, wenn die Energiewende in einigen Jahren an Fahrt gewinnt. Das wären verlorene Jahre, die wir sehr, sehr teuer bezahlen werden.