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Energiepauschale der Bewohner einbehalten: Handelte Seniorenheim rechtswidrig?

Sächsische.de berichtete über ein ASB-Pflegeheim in Gröditz, das von seinen Bewohnern die Energiepauschale einbehalten wollte. Ein Einzelfall bei den Wohlfahrtsverbänden?

Von Kornelia Noack
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Die gestiegenen Energiepreise sind ein massives Problem für viele Pflegeheime. Wie ein ASB-Geschäftsführer in Gröditz dies abfedern wollte, ist auf Kritik gestoßen.
Die gestiegenen Energiepreise sind ein massives Problem für viele Pflegeheime. Wie ein ASB-Geschäftsführer in Gröditz dies abfedern wollte, ist auf Kritik gestoßen. © dpa/Martin Schutt

Die Aufregung war groß, als vergangene Woche durch einen Beitrag von Sächsische.de bekannt wurde: Die Pflegeeinrichtung des Arbeiter Samariter Bundes (ASB) in Gröditz hatte ihren Bewohnern schriftlich angekündigt, dass sie die im Dezember ausgezahlte Energiepauschale von 300 Euro einziehen wird. Prompt folgte die Kritik von Sozialverbänden und der Verbraucherzentrale Sachsen.

„Das Verhalten ist nicht rechtens und zeigt, dass sich hier Träger von Pflegeheimen auf Kosten der ihnen anvertrauten Personen bereichern“, sagte Ralph Beckert vom VdK Sachsen. Andreas Krüger, Geschäftsführer der ASB Altenheim-Betriebsgesellschaft mit Sitz in Riesa, hielt dagegen. „Wofür sind die Pauschalen dann bestimmt, wenn sie nicht bei den Energiekosten der Bewohner herangezogen werden?“, sagte er auf SZ-Nachfrage.

"Handelt sich um eine nicht abgestimmte Aktion"

In dem Schreiben des ASB-Heimes an seine knapp 80 Senioren oder ihre Betreuer hieß es: „Aufgrund der gestiegenen Energiekosten hat die Bundesregierung im Dezember 2022 eine einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro gezahlt. Für die Bewohner, die in unserem Pflegeheim wohnen, werden wir die Energiepreispauschale gemeinsam mit den Heimkosten im Februar von ihrem Konto einziehen.“ Unterzeichnet war der Brief von Andreas Krüger.

Doch offenbar hatte der Geschäftsführer aus Gröditz im Alleingang gehandelt. „Es handelt sich um eine nicht abgestimmte Aktion einer einzelnen ASB-Gliederung“, teilte der Landesverband Sachsen schriftlich mit. Der scheint über den Vorgang alles andere als glücklich zu sein. Denn die Gesetzeslage ist eindeutig.

Auch Caritas in Thüringen bat Bewohner um Geld

Für den Einzug der Energiepauschale gibt es keine rechtliche Grundlage. Stationäre Pflegeeinrichtungen dürfen den Pflegebedürftigen nur die verhandelten Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung, die Ausbildungsumlage sowie die Investitionskosten in Rechnung stellen.

Nur wenige Tage nach Bekanntwerden des Gröditzer Falls hatte auch die Caritas in Thüringen eingeräumt, dass eine ihrer Trägergesellschaften Pflegebedürftige um die Weiterleitung der ausgezahlten Energiehilfen des Bundes gebeten hat. Das Schreiben sei Anfang Dezember an 650 Pflegebedürftige in neun Heimen gegangen. Es habe sich um eine „Bitte“ an die Bewohner gehandelt, um die steigenden Energiekosten abzufedern. Drei Viertel der Angeschriebenen hätten das Geld an die Gesellschaft weitergeleitet.

Keine Schreiben an Senioren in Sachsen

Und die Caritas in Sachsen? „Wir haben unsere Bewohner bezüglich einer Überlassung der Energiepauschale nicht angeschrieben und haben das auch nicht vor“, sagte Andreas Schuppert, Sprecher des Caritasverbandes für das Bistum Dresden-Meißen. Der Verband betreibt elf Altenpflegeheime mit rund 830 Pflegeplätzen.

Ganz ähnlich äußert sich Andreas Wirth vom Caritasverband Görlitz, der eine Einrichtung mit 60 Plätzen unterhält: „Weder die Heimleitung noch der Caritasverband haben die Bewohner oder ihre Betreuer angeschrieben, um auf die Verwendung des Geldes Einfluss zu nehmen. Das Geld steht nach unserer Auffassung allein den Bewohnerinnen und Bewohnern zu.“

Hohe Energiekosten werden Heimen erstattet

Die Pflegeheime der Diakonie in Sachsen werden ebenfalls angesichts der gestiegenen Energiekosten keine Sonderzahlungen einfordern. Ihr sei in Sachsen kein Fall bekannt, sagte Sprecherin Sigrid Winkler-Schwarz der SZ. Vielmehr habe der Landesverband die Träger und Einrichtungen der Altenpflege auf die Entlastungsprogramme des Bundes hingewiesen.

Für den Zeitraum vom Oktober 2022 bis einschließlich April 2024 haben voll- und teilstationäre Pflegeeinrichtungen einen Anspruch auf sogenannte Ergänzungshilfe beziehungsweise Erstattungen aus dem Härtefallfonds des Bundes, um ihre erhöhten Energiekosten zu schultern. Dabei wird ihnen die Differenz zwischen den aktuellen Abschlägen und dem Verbrauch, den sie im März 2022 hatten, erstattet. Wie die Antragstellung laufen soll, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt.

DRK und AWO setzen auf Hilfen vom Bund

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Sachsen hatte seine 37 Einrichtungen frühzeitig darüber informiert, dass es für die Einbehaltung oder die Aufforderung zur Überweisung der Energiepreispauschale keine Rechtsgrundlage gibt. „Bisher sind uns diesbezüglich auch keine Fälle bekannt geworden“, sagte Sprecher Dr. Kai Kranich gegenüber der SZ. Dennoch seien die gestiegenen Energiekosten eine erhebliche Belastung für die Altenheime. „Sobald die Richtlinien für die Hilfsfonds vorliegen, werden die DRK-Pflegeeinrichtungen die Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen“, schreibt Kranich.

Die Arbeiterwohlfahrt Sachsen geht davon aus, das ihre Einrichtungen die Entlastungsprogramme nutzen werden. „Uns ist auch nicht bekannt, dass die Energiepauschale von Bewohnern einbezogen wurde oder dies noch vorgesehen sei“, sagte Referentin Lissy Nitsche-Neumann. Auf Nachfrage in einzelnen Heimen sei dies ebenso verneint worden.

Bewohner sollten Einzugsermächtigung prüfen

Sollten Pflegebedürftige dennoch vom Betreiber ihres Heimes gedrängt werden, die Energiepauschale abzugeben, sollten sie unverzüglich Widerspruch dagegen erheben. „Bei bereits erfolgten Abbuchungen sollte zudem das Geld zurückgebucht werden“, empfiehlt Micaela Schwanenberg, Rechtsreferentin der Verbraucherzentrale Sachsen.

Ohnehin sollte jeder zunächst prüfen, ob und wenn ja, wofür dem Heim eine Einzugsermächtigung vorliegt. Auch der Sozialverband VdK fordert Einrichtungen auf, eventuell zu Unrecht eingezogene Gelder zurückzuerstatten.