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Sozialministerin Köpping: "Sollten Chancen eines AfD-Verbots regelmäßig prüfen"

Während der Ostbeauftragte der Bundesregierung, vor einem möglichen AfD-Verbotsverfahren warnt, spricht sich Sachsens Sozialministerin dafür aus. Unterstützung kommt von Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.

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Die sächsische Sozialministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Petra Köpping, hat sich für die Prüfung eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens ausgesprochen.
Die sächsische Sozialministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Petra Köpping, hat sich für die Prüfung eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens ausgesprochen. © dpa/Matthias Rietschel

Berlin. Die sächsische Sozialministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Petra Köpping, hat sich für die Prüfung eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens ausgesprochen. "Wir sollten die Chancen eines AfD-Verbots regelmäßig prüfen", sagte Köpping dem "Spiegel" und stellte sich damit an die Seite der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken.

Das NPD-Verbotsverfahren sei gescheitert, weil die Partei nur auf geringe Wahlergebnisse gekommen sei und damit keine Gefahr darstellte. "Das sehe ich bei der AfD anders", argumentierte Köpping. "Die AfD ist stark, sie ist eine Gefahr für die Demokratie."

Auch der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat trotz Bedenken für die Prüfung eines Verbotsverfahrens der AfD plädiert. „Wenn der Verfassungsschutz in drei Bundesländern die AfD als gesichert rechtsextremistisch einstuft, dann hat der Staat die Pflicht, ein Verbot der AfD zu prüfen“, sagte Thierse dem "Tagesspiegel". Dennoch gelte zu bedenken, dass für ein Parteiverbot in Deutschland hohe Hürden existierten. "Ein Verbotsverfahren dauert lange, wohl viele Jahre, und die AfD würde dies propagandistisch erheblich ausschlachten, sich als Opfer stilisieren", sagte Thierse weiter.

Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sieht die Gefahren eines Verbotsverfahrens gegen die AfD, hält eine Prüfung aber für angebracht.
Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sieht die Gefahren eines Verbotsverfahrens gegen die AfD, hält eine Prüfung aber für angebracht. © Daniel Schäfer

SPD-Politiker uneins über Verbotsverfahren

Unter den Sozialdemokraten besteht keine Einigkeit über die Frage nach einem Verbotsverfahren gegen die AfD. Parteichefin Saskia Esken hatte sich für eine regelmäßige Prüfung eines AfD-Verbots ausgesprochen. Ihr Parteifreund Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung, warnte dagegen davor. Ein solches Verfahren hätte kaum Chancen und würde die Solidarisierung mit der AfD verstärken. "Ein Parteiverbot ist sehr schwer durchzusetzen. Die juristischen Erfolgschancen betrachte ich als gering", so Schneider.

Entscheidend sei aber die politische Dimension: "Wenn wir eine Partei verbieten, die uns nicht passt, die in Umfragen aber stabil vorne liegt, dann führt das zu einer noch größeren Solidarisierung mit ihr. Und das selbst von Leuten, die gar keine AfD-Sympathisanten oder -Wähler sind. Die Kollateralschäden wären sehr hoch."

Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD)
Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD) © dpa

AfD-Verbotsverfahren: "Scheitern wäre fatal für gesellschaftliches Klima"

Das Ziel müsse laut Schneider sein, die AfD inhaltlich zu stellen und den Wählern zu verdeutlichen, "was die Konsequenzen ihrer inhaltlichen Positionen wären. Sie hat gegen den Mindestlohn gestimmt. Sie will die Erbschaftssteuer abschaffen, also weniger Umverteilung", sagte Schneider. Die Partei pflege in der Sozialpolitik "das rückständige Gesellschaftsbild der 1950er-Jahre, das muss für viele ostdeutsche Frauen furchtbar sein".

Auch Köpping schränkte ein, man müsse nicht ohne Wenn und Aber ein Verbotsverfahren anstreben, "denn ein Scheitern wäre fatal für das gesellschaftliche Klima". Die Stärke der AfD in Sachsen, sei nicht neu, sagte Köpping. "In der Corona-Pandemie gab es massive Kampagnen: gegen das Impfen, gegen die Schutzmaßnahmen. Dieser heftige Populismus zerfrisst die Demokratie." Die demokratischen Parteien müssten dagegenhalten, "auch die Union", mahnte Köpping.

AfD in Sachsen in neuer Umfrage bei 37 Prozent

Die AfD wird derzeit in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt von den Landesämtern für Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. In allen Umfragen zur Bundestagswahl liegt die Partei mit mehr als 20 Prozent deutlich vor allen drei Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP auf Platz zwei hinter der CDU/CSU. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo im September neue Landtage gewählt werden, sehen Umfragen die AfD mit teils deutlichem Abstand an der Spitze. Laut neuester Wahlumfrage kommt die AfD in Sachsen auf 37 Prozent, die CDU auf 33 Prozent. Die Sozialdemokraten kommen demnach nur noch auf drei Prozent und muss um dein Einzug in den Landtag bangen.

Ex-Bundestagspräsident Thierse sieht in der Schwäche der SPD auch ein "dramatisches Problem" für die CDU. Die bisherige Strategie von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sei nicht aufgegangen - im Gegenteil. "Sie ist erfolglos. Die AfD wird stärker und stärker", so Thierse.

Schneider appellierte an die Bevölkerung, sich stärker zu engagieren: "Die stille Mitte muss sich erheben, um diese Demokratie zu erhalten. Da müssen alle mithelfen. Dieser Aufgabe können wir uns nicht einfach entledigen, indem wir die AfD verbieten. Da würden wir es uns zu einfach machen." (dpa/mit SZ/hek)