Update Politik
Merken

Ranghohe AfD-Politiker planten mit Neonazis Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland

Im November haben einflussreiche AfD-Politiker gemeinsam mit potenziellen Geldgebern die "Remigration" von Millionen von Menschen geplant. Das beweisen Recherchen des "Correctiv"-Netzwerks. Mit dabei: Der persönliche Referent Alice Weidels und CDU-Mitglieder.

 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Einige AfD-Politiker sollen bei einem geheimen Treffen bei Potsdam die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant haben.
Einige AfD-Politiker sollen bei einem geheimen Treffen bei Potsdam die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant haben. © dpa-ZentralbildKlaus-Dietmar Gabbert/dpa

Essen/Berlin/Potsdam. Bei einem Treffen bei Potsdam im November 2023 haben einflussreiche AfD-Politiker gemeinsam mit bekannten Rechtsextremisten und weiteren, vor allem finanziellen Unterstützern über die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland beraten. Das berichtet das gemeinwohlorientierte Medienhaus Correctiv in Zusammenarbeit mit Greenpeace. Ein Correctiv-Team war demnach bei dem Treffen vor Ort.

Eingeladen hatte zu der Zusammenkunft unter anderen der ehemalige Mitbesitzer der Bäckerei-Selbstbedienungs-Kette „Backwerk“, Hans Christian Limmer, heute einer der Eigner der Restaurant-Franchisemarke „Hans im Glück“. Einer der Hauptredner auf dem Event war Martin Sellner. Der Österreicher war jahrelang Chef der rechtsextremistischen Identitären Bewegung. Sellner ist auch über Jahre regelmäßig als Redner bei Pegida-Demonstrationen in Dresden aufgetreten.

In einem Einladungsbrief für die Zusammenkunft, der Correctiv vorliegt, heißt es: Bei der Veranstaltung werde ein „Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans“ vorgestellt. Und: Die „Chancen, unser Land wieder auf einen normalen und gesunden Kurs zu bringen“, seien „so groß wie nie zuvor“. Die Einladung stammt von Limmer und dem bekannten Rechtsextremen Gernot Mörig.

CDU-Parteimitglieder sollen auch dabei gewesen sein

An der Veranstaltung sollen auch zwei Vertreterinnen der CDU-nahen "Werteunion" teilgenommen haben. Dabei soll es sich laut correctiv zum einen um Michaela Schneider handeln. Sie gehört neben der "Werteunion" auch der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU an. Bei der zweiten Teilnehmerin handelt es sich um Simone Baum - stellvertretende Bundesvorsitzende der "Werteunion". Während es sich bei der "Wertunion" nicht um eine Parteigliederung der CDU handelt, ist die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Teil der CDU.

Auf Anfrage von rbb24-Recherche teilte ein Sprecher der Partei mit, man prüfe den Sachverhalt, sollten Parteimitglieder an dem Treffen teilgenommen haben. Grundsätzlich gelte: "Wer an solchen Treffen teilnimmt, verstößt gegen die Grundsätze der CDU."

Treffen mit Rechsextremisten: Referent von AfD-Chefin Alice Weidel dabei

Mehrere Quellen gaben gegenüber Correctiv-Reportern an, Martin Sellner hätte ein Konzept vorgetragen, das die "Remigration" von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte fordert. Das würde in dieser Form auch deutsche Staatsbürger treffen. Teilnehmer am Treffen hätten dann erklärt, wie genau sie diese Strategie in die Tat umsetzen wollen, sollte die AfD in Regierungsverantwortung gelangen. Teil des Konzeptes sei ein "Musterstaat" in Nordafrika, wohin man die Menschen bewegen wolle. Menschen, die sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzen, könnten auch dorthin, sagte Sellner.

Die anwesenden AfD-Politikerinnen und -Politiker zeigten sich während des Treffens mit dem Konzept einverstanden. So ergänzte der anwesende AfD-Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund: Man müsse in seinem Bundesland dafür sorgen, dass es "für diese Klientel möglichst unattraktiv zu leben" werde. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy sagte, sie verfolge das skizzierte Ziel schon länger und habe bei ihrem Parteieintritt selbst schon ein "Remigrationskonzept mitgebracht".

Einer der Besucher des Treffens war der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig. Vor allem seine Teilnahme zeigt, dass rechtsextremes Gedankengut bis in die Spitze des Bundesverbandes der Partei hineinragt. Hartwig sagte der Correctiv-Recherche zufolge bei dem Treffen zu, die inhaltlichen Pläne des Treffens in die Partei zu tragen.

Roland Hartwig (AfD) 2020 im Bundestag.
Roland Hartwig (AfD) 2020 im Bundestag. © Britta Pedersen/dpa

Hartwig hatte für die AfD im Bundestag die Arbeitsgruppe "Verfassungsschutz" geleitet mit dem Auftrag, sich mit dem Thema einer "möglichen Beobachtung durch Landesämter oder das Bundesamt für Verfassungsschutz" zu befassen. Im Dezember war Hartwig dann abberufen worden - gegen die Stimme des aus Sachsen stammenden AfD-Bundessprechers Tino Chrupalla. Vor seiner Parteiarbeit war Hartwig Chefjustiziar eines Pharma-Konzerns.

Einladung: "Mindestspende von 5.000 Euro"

Bislang weist die AfD ein Konzept wie das vorgetragene offiziell von sich, ebenso wie den Vorwurf, mit rechtsextremem Gedankengut gegen verfassungsmäßige Grundsätze zu verstoßen. In ihrer offiziellen "Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität" schreiben die Bundes- und Landessprecher: "Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltlos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen."

In der Einladung für das Treffen hieß es, eine „Mindestspende von 5.000 Euro“ werde erhoben. Diese Spende solle deutlich machen, dass "die Sammlung von Unterstützungsmitteln eine Kernaufgabe unserer Runde ist". Mit diesen "Unterstützungsmitteln" und mithilfe der AfD sollen laut Aussagen während des Treffens Social-Media-Kanäle zur Bewerbung der Ideen aufgebaut werden. Weidels Referent Hartwig sagte dazu, der neue Bundesvorstand sei bereit, Geld in die Hand zu nehmen und Themen zu betreiben, die nicht nur unmittelbar der Partei zugutekommen.

AfD-Politiker aus Sachsen-Anhalt: War als "Privatperson" vor Ort

Correctiv konfrontierte viele der Teilnehmer zu ihren beim Treffen getroffenen Aussagen. Gernot Mörig, der sich auf die Fragen hin als „alleiniger Veranstalter“ bezeichnete, wies darauf hin, es habe keine Teilnahmebedingung, schon gar nicht in Form einer Spende, gegeben – obwohl es in seiner Einladung anders stand.

Zu dem besprochenen "Remigrationskonzept" sagte Mörig, er erinnere sich an die Aussagen des Neonazis Sellner anders – denn hätte er sie "bewusst wahrgenommen", so hätte er sicherlich widersprochen. Ähnlich äußert sich der Unternehmer Limmer, der am Treffen selbst jedoch nicht teilgenommen hat. Er weist darauf hin, anders als Mörig nicht Organisator und Planer der Veranstaltung gewesen zu sein. Auch würde er "immer widersprechen", wenn jemand "deutsche Staatsangehörige als Staatsbürger zweiter Klasse behandeln wollte".

Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsvorsitzender Ulrich Siegmund betont in seiner Antwort auf die Fragen, er sei als „Privatperson“ und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen. In seiner Antwort über die Anwaltskanzlei Höcker lässt Siegmund offen, wie er dem Konzept der „Remigration“ gegenüber steht. Er schreibt lediglich, dass er Menschen „nicht gesetzeswidrig ausweisen“ wolle. Martin Sellner sowie der AfD-Politiker Hartwig und die AfD-Abgeordnete Huy antworteten ebenso wie der AfD-Bundesvorstand bis Redaktionsschluss nicht auf die Fragen. (SZ/mxh)

Der Inhalt des Textes wurde Sächsische.de von Correctiv.lokal zur Verfügung gestellt. Hier können Sie mehr über das Projekt erfahren.