SZ + Sachsen
Merken

Grüne Ministerin Meier: "Wir alle sind stärker als dieser Hass"

In Neukieritzsch beschließt die Landespartei ihr Wahlprogramm. Sie will für stabile demokratische Mehrheiten sorgen - also weiterregieren.

Von Thilo Alexe
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Wolfram Günther, Franziska Schubert und Katja Meier bei der Landesversammlung der sächsischen Grünen. Auf dem zweitägigen Parteitag geht es um das Programm für die kommenden Landtagswahlen.
Wolfram Günther, Franziska Schubert und Katja Meier bei der Landesversammlung der sächsischen Grünen. Auf dem zweitägigen Parteitag geht es um das Programm für die kommenden Landtagswahlen. © Sebastian Willnow/dpa

Bereits die Auftaktreden am Freitagabend zeigen, wo Sachsens Grüne hinwollen. Außenministerin Annalena Baerbock stellt als Gastrednerin beim Landesparteitag in Neukieritzsch die Fähigkeit der Partei zur Kompromissfindung in den Fokus. Und Landeschefin Marie Müser sagt, nachdem es 2019 um das Verhindern der AfD gegangen sei, stehe jetzt noch mehr auf dem Spiel: „Es geht darum, stabile demokratische Mehrheiten in Sachsen zu sichern.“

Kompromisse, demokratische Mehrheiten: die Grünen wollen weiterregieren. Die Stärke der AfD lässt das Ziel aber in die Ferne rücken. Bewahrheiten sich jüngste Umfragewerte, könnte es für die Grünen gerade so für eine Fortsetzung des Bündnisses mit der ungeliebten CDU und der SPD reichen. Doch im Wahlkampf geht es um Profilschärfung. Mit einer Koalitionsaussage lässt sich schlecht um Wähler werben. Daher erklingt – deutliche, nicht überdeutliche - Kritik an den Christdemokraten. Und jede Menge Beschwörung eigener Fähigkeiten.

So treten zum Beginn des zweiten Tags der Zusammenkunft Katja Meier, Wolfram Günther und Franziska Schubert zusammen auf die Bühne. Beim Reden wechseln sie sich ab. Die Kabinettsmitglieder und die Fraktionschefin bilden das designierte Spitzentrio für die Wahl im September. Justizministerin Meier lobt die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. „Wir alle sind stärker als dieser Hass.“ Und mit Blick auf die eigene Partei sagt sie: „Wir machen den Unterschied. Wir sind die demokratische Lebensversicherung für diesen Freistaat.“

Marie Müser (l) und Christin Furtenbacher, Landesvorsitzende Bündnis 90/ Die Grünen in Sachsen.
Marie Müser (l) und Christin Furtenbacher, Landesvorsitzende Bündnis 90/ Die Grünen in Sachsen. © Sebastian Willnow/dpa

Fraktionschefin Schubert drängt auf mehr Geld für Kommunen und die Transformation der Wirtschaft: „Wir brauchen Investitionen in so viele Bereiche.“ Doch die CDU habe in Sachsen für die „restriktivste Schuldenbremse der gesamten Bundesrepublik“ gesorgt. Für deren Lockerung, sagt Schubert, „werden wir mit aller Kraft auch weiterkämpfen“.

Energie- und Umweltminister Günther erinnert an die schwierigen Bedingungen für das Regieren in Bund und Land. „Wir haben es mit vielen Anstrengungen geschafft, warm durch diesen Winter zu kommen.“ Zu den grünen Erfolgen im Land zähle ein Klimaprogramm. „Wir werden umsteigen zu 100 Prozent Erneuerbaren in diesem Land.“ Die Energiewende, sagt Günther und widerspricht damit CDU-Regierungschef Michael Kretschmer, sei nicht gescheitert.

Recht zügig verabschieden die 120 Delegierten das Wahlprogramm. In dem steht, was in einem grünen Programm zu stehen hat. Klimaneutralität in Sachsen soll ab 2040 hergestellt sein, nicht wie im Entwurf zunächst vorgesehen 2045. Der Braunkohleausstieg soll deutlich früher als bis 2038 vollzogen, der Ausbau erneuerbarer Energien forciert werden. Sachsen soll sichere Heimat für Geflüchtete werden. Die Grünen drängen auf die Stärkung von Bus und Bahn. Im Programmentwurf formulieren sie das Ziel einer „Mobilitätsgarantie“.

Fraglich ist, wie stark landespolitische Forderungen ausschlaggebend für die Landtagswahl sind. Womöglich gerät diese zu einer Abstimmung über Migration, Energiewende und die Haltung zu Russland. In einem Interview, das kurz vor dem Parteitag erschien, sagte CDU-Landtagspräsident Matthias Rößler, 70 bis 80 Prozent der Sachsen verträten russlandfreundliche Positionen: „Die Leute wollen keinen Krieg mit Russland.“ Dagegen warb Baerbock in Neukieritzsch für weitere Ukrainehilfe, „weil Frieden und Freiheit zusammengehören“. Zudem gehe es um Selbstschutz.

Mit dieser Haltung dürften es die Grünen mancherorts schwer haben. Allerdings verfügt die Partei über eine stabile Klientel in Leipzig und Dresden. Dort holte sie 2019 drei Direktmandate. Die aktuellen Umfragewerte liegen mit sieben Prozent nur knapp unter dem Landtagswahlergebnis von 8,6 Prozent. Landeschefin Christin Furtenbacher sieht die Partei als „gestaltende Kraft“ im Freistaat.

Gelingt der Wiedereinzug ins Parlament, dürfte Valentin Lippmann erneut dabei sein. Der Dresdner Abgeordnete hält eine der am stärksten beklatschten Reden in Neukieritzsch. Er drängt darauf, dass Verfassungsfeinde nicht in sächsischen Behörden beschäftigt werden: „Man kann nicht Nazi sein und im Staatsdienst arbeiten wollen.“ Als „Kernaufgabe“ für die nächste Legislatur nennt er den Umbau des Verfassungsschutzes. Eine Behörde, die überrascht sei, wenn etwas passiere, könne kein Frühwarnsystem bilden. Das zieht. Gespannt blickt die Partei auf die Europawahl im Juni. Beobachter erwarten einen Zuwachs für die AfD. Ministerin Meier sagt: „Es lohnt sich, für Europa zu kämpfen.“