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Sachsen fehlen Zehntausende Sozialwohnungen

Weil zu wenige Wohnungen gebaut und Hilfsgelder ungeschickt eingesetzt werden, fehlen bundesweit Sozialwohnungen. In Sachsen können einige der Probleme jedoch abgemildert werden.

Von Paul Meyer
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Ein Bündnis aus Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden hat deutlich mehr Wohnungen für Menschen mit kleinem Einkommen gefordert.
Ein Bündnis aus Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden hat deutlich mehr Wohnungen für Menschen mit kleinem Einkommen gefordert. © Archivfoto: Sebastian Gollnow/dpa

Dresden. In Sachsen fehlen einer Studie zufolge Zehntausende Sozialwohnungen. Im Jahr 2022 habe es im Freistaat rund 12.500 Sozialwohnungen gegeben - benötigt würden allerdings rund 60.000. Das geht aus einer Berechnung hervor, die das Bündnis "Soziales Wohnen" am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Bundesweit fehlen demnach mehr als 910.000 Sozialwohnungen.

Die Zahl der Sozialwohnungen im Freistaat habe in den vergangen fünf Jahren nur leicht zugelegt. 2017 habe es 11.623 dieser Wohnungen gegeben, 2022 seien es 12.541 gewesen. Somit waren 2022 nur noch 0,5 Prozent des Wohnungsbestandes Sozialwohnungen, während das 2007 noch auf zehn Prozent zutraf. Das führt in Dresden und Leipzig zu leichten Mängeln an Wohnraum. Deshalb spricht der Leiter der Studie, Geschäftsführer Matthias Günther vom Pestel-Institut in Hannover, für ärmere Menschen von einer „bestehenden Ausgrenzung am Wohnungsmarkt“. Im ländlichen Raum Sachsens hingegen gibt es teilweise Leerstand, sodass von Knappheit keine Rede sein kann.

Im gesamten Bundesgebiet gibt es Menschen, die trotz Anspruchs keine Sozialwohnung bekommen. Das führt zu anderen Schwierigkeiten: Die Job-Center zahlen für Berechtigte die Unterkunftskosten. Die so gezahlte Miete ist allerdings häufig ebenso hoch wie die regionale Vergleichsmiete oder sogar höher. Somit werden die Zahlungen des Job-Centers selbst zu Treibern des Mietenanstiegs, woraufhin die Job-Center wiederum mehr zahlen müssen. Dieses Modell ist so dysfunktional, dass Günther fragen muss: „Fördern wir den Haushalt oder den Vermieter?“

Geld fließt in Unterkunftskosten statt in Neubau

Allerdings wirkt sich dieser miettreibende Effekt in Sachsen nicht extrem aus, da dort über 34 Prozent der Mietwohnungen von gemeinwohlorientierten Anbietern wie Genossenschaften angeboten werden. Die vergleichsweise geringen Mieten dieser Wohnungen verhindern starke Preissteigerungen. Trotzdem stiegen auch in Sachsen die Mieten für Sozialwohnungen in den letzten zehn Jahren prozentual stärker an als der allgemeine Mietindex.

Günther sieht hier ein „deutliches Missverhältnis wegen der Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus“. Statt mit dem Geld den Neubau von Sozialwohnungen zu fördern, werden hauptsächlich Unterkunftskosten bezahlt. Weil diese übermäßig hoch sind, zahlte der Bund etwa 2022 für Unterkunftskosten 700 Millionen Euro mehr als angemessen. Statt wie bisher vier Milliarden Euro für den Neubau und über 20 Milliarden für die Unterkunftskosten zu zahlen, sollten neuer Wohnraum geschaffen und damit die Unterkunftskosten deutlich reduziert werden.

Bündnis "Soziales Wohnen" fordert mehr Sozialbau

In diesem Sinne mahnte das Bündnis „Soziales Wohnen“ aus Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden den Bau von mehr als 910.000 Sozialwohnungen an und berief sich dabei auf die Studie „Bauen und Wohnen 2024 in Deutschland“ des Pestel-Instituts.

Demnach gab es Ende 2022 in Deutschland rund 1,088 Millionen Sozialwohnungen. Das Bündnis "Soziales Wohnen" geht davon aus, dass bundesweit eine Aufstockung auf einen Bestand von zwei Millionen Sozialwohnungen bis zum Jahr 2030 nötig ist - dann wäre in etwa der Stand aus dem Jahr 2007 erreicht. Auch perspektivisch sei es enorm wichtig, den Wohnungsmietmarkt zu entspannen. Denn Deutschland ist in Zukunft auf den Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland angewiesen, um alle Arbeitsplätze zu besetzen. Wenn diese aber in Deutschland keine bezahlbaren Wohnungen vorfinden, kämen sie auch nicht zum Arbeiten hierher.

Mehrwertsteuer-Senkung für Sozialwohnungsbau gefordert

Das Bündnis forderte, Bund und Länder sollten umgehend 50 Milliarden Euro als Sondervermögen für die Förderung von sozialem Wohnraum im Grundgesetz verankern. Denn die Bauvorhaben erforderten langfristige Planung unabhängig von der Tagespolitik und den wechselnden Koalitionen. Nur so könne es gelingen, dem Ampel-Ziel von 100.000 neuen Sozialwohnungen im Jahr ein Stück näherzukommen. Zudem sprach sich das Bündnis für Steuerminderungen aus: Für den Neubau von Sozialwohnungen sollten künftig 7 statt bislang 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden.

SPD, Grüne und FDP hatte wegen des enormen Bedarfs vor allem in den Städten in ihrem Koalitionsvertrag den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen angepeilt - davon 100.000 Sozialwohnungen. Auch wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs räumte die Regierung im vergangenen Jahr aber ein, das Ziel zunächst zu verfehlen. Knappe Materialien, Fachkräftemangel und gestiegene Zinsen zählen zu den Hindernissen.

Die Mieten sind bei Sozialwohnungen staatlich reguliert. Wohnen dürfen dort nur Menschen, bei denen die Behörden besonderen Bedarf sehen, weil sie kleine Einkommen haben. Nach einer bestimmten Zeit können die Wohnungen normal am Markt vermietet werden, weshalb die Zahl der Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren stetig abnahm. (mit dpa)