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"Das Dritte Reich und wir": Radebergs NS-Geschichte als Podcast

Radeberg im Nationalsozialismus: Bei dem Projekt "Das Dritte Reich und wir" ist auch Radebergs Geschichte erforscht worden. Was das mit der Feuerwehr zu tun hat und wie daraus ein Podcast entstanden ist.

Von Verena Belzer
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Gert Schöbel von der Radeberger Feuerwehr arbeitet mit am bundesweiten Projekt "Das Dritte Reich und wir". Hier zeigt er Unterlagen aus dem Archiv.
Gert Schöbel von der Radeberger Feuerwehr arbeitet mit am bundesweiten Projekt "Das Dritte Reich und wir". Hier zeigt er Unterlagen aus dem Archiv. © Marion Doering

Radeberg. "Hier passierte es" - so heißt der Podcast über Radebergs Geschichte im Nationalsozialismus, der unter anderem auf Spotify und allen anderen Kanälen, auf denen es Podcasts gibt, zu hören ist. Sechs Folgen, sechs spannende Themen, jeweils zwischen 10 und 15 Minuten. Und eine ganz besondere Folge kommt noch.

Entstanden ist der Podcast als Abschluss eines deutschlandweiten Projekts unter dem Titel "Das Dritte Reich und wir". Federführend ist dabei die Justus-Liebig-Universität Gießen in Kooperation mit dem Deutschen Feuerwehrverband. Zehn Kommunen beteiligen sich und erforschen dabei ihre eigene NS-Geschichte.

Und eine der Kommunen ist Radeberg. Projektleiter vor Ort ist Gert Schöbel, Mitarbeiter der Stadtverwaltung, ehemaliger langjähriger Stadtwehrleiter der Radeberger Feuerwehr. Andere beteiligte Kommunen erarbeiteten zum Abschluss eine Ausstellung - in Radeberg wurde es das beliebte Format eines Podcasts.

Radeberger Feuerwehr war für Podcast etliche Stunden im Archiv

"Wir wurden vom Feuerwehrverband auf das Projekt aufmerksam gemacht", berichtet Gert Schöbel von den Anfängen. Die Fragestellung an die Feuerwehr lautete: Wie wirkte sich der Nationalsozialismus ganz konkret auf die heimische Wehr aus? Mussten bestimmte Personen die Feuerwehr verlassen? War die Feuerwehr politisch gefärbt oder unabhängig?

In vier Workshops, geleitet vom Historiker Clemens Tangerding, erarbeiteten die Radeberger Mitwirkenden gemeinsam mit einem Projektteam aus Historikern so viel Wissen rund um die Feuerwehr in der NS-Zeit. Doch nicht nur darüber. "Wir haben Zeitzeugen gesucht, Quellen, alte Dokumente", berichtet Gert Schöbel. "Sind ins Stadtarchiv, in die Slub nach Dresden."

Gert Schöbel hat etliche Stunden in Archiven verbracht - und gewühlt und gegraben. "Geschichte hat mich schon immer interessiert", erzählt er - und man sieht das Leuchten in seinen Augen, wenn er davon berichtet, was er alles im Archiv gefunden hat.

Die Radeberger Hitlerjugend von 1943 - eines von vielen Fotos, die für das Projekt zusammengetragen wurden.
Die Radeberger Hitlerjugend von 1943 - eines von vielen Fotos, die für das Projekt zusammengetragen wurden. © Marion Doering

Radeberger Feuerwehr eilte nach dem Bombenangriff 1945 nach Dresden

"Die Radeberger Feuerwehr war nach dem Bombenangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 auch in die Landeshauptstadt geeilt, um zu helfen", berichtet Schöbel. "Dort sind viele Feuerwehrleute gestorben, aber die Radeberger sind unversehrt zurückgekommen." Radeberg selbst war am 7. Mai bombardiert worden. "Dabei starben ein Mann und ein Kleinkind."

Ein wenig erinnere ihn das jetzt an den Krieg in der Ukraine. "Da kommen auch viele Feuerwehrleute ums Leben, die helfen wollen und dann nochmal beschossen werden."

Ganz grundsätzlich könne man schon sagen, dass die Nazis die Feuerwehren im Land ab 1933 instrumentalisiert haben - "das ganze Feuerwehrwesen wurde beispielsweise in Vorbereitung auf den Krieg vereinheitlicht". Als der dann losging, sei die Radeberger Wehr oft dabei gewesen, als das Krankenhaus wegen Luftalarm evakuiert werden musste.

In Radeberg gab es keine Synagoge, "aber in anderen Städten wurden den Wehren untersagt, während der Reichspogromnacht die brennenden Synagogen zu löschen", erzählt Gert Schöbel.

"Wir helfen allen, unabhängig von Hautfarben oder Geschlecht"

Heute ist ihm ganz wichtig zu sagen: "Wir als Feuerwehr helfen allen, unabhängig von Hautfarben oder Geschlecht. Und diese Werte wollen wir auch der Jugend vermitteln." In seiner eigenen Jugend sei in der Schule so manches Geschichtliche anders dargestellt worden, "aus politischen Gründen", sagt Schöbel. Umso wichtiger sei es ihm nun zu erforschen, wie es denn nun wirklich war.

Das Wühlen im Archiv habe ihm dabei besonders viel Spaß gemacht. "Ich bedauere nur, dass ich nicht früher damit begonnen habe, Zeitzeugen zu befragen. Viele sind mittlerweile gestorben."

Der Historiker Clemens Tangerding leitet das Projekt "Das Dritte Reich und wir".
Der Historiker Clemens Tangerding leitet das Projekt "Das Dritte Reich und wir". © Clemens Tangerding

Jüdische Geschäfte in der Hauptstraße und Euthanasie in Kleinwachau

Über die Ergebnisse seiner Recherche zur Feuerwehr in der NS-Zeit soll es bald auch noch eine Podcast-Folge geben - der erste Aufnahmeversuch war an der Tonqualität und zu großen Hintergrundgeräuschen gescheitert.

"Doch das kommt noch", verspricht Historiker Clemens Tangerding, der auch ankündigt, in Radeberg als Abschluss des Projekts noch eine öffentliche Diskussionsveranstaltung abzuhalten.

Die bisher erschienenen sechs Podcast-Folgen drehen sich nun um andere Themen, die das Radeberger Projektteam ebenfalls erforscht. Dabei handelt es sich unter anderem um jüdische Geschäfte in der Hauptstraße und wie deren Besitzer später in Konzentrationslagern ermordet wurden, um die 111 Opfer der Euthanasie in Kleinwachau oder um die Verbrechen im Arbeitserziehungslager.

"Es gilt, die städtische Geschichte aufzuarbeiten"

Dass es für die erschossenen Häftlinge des Arbeitserziehungslagers am Robert-Blum-Weg in Radeberg keine Gedenktafel gebe, das habe ihn verwundert, erzählt Clemens Tangerding. Er habe das Gefühl, in der Stadt gebe es eine "Auseinandersetzung um Erinnerung", sagt er. "Die einen sind der Geschichte überdrüssig, die anderen wollen bewusstes Erinnern."

Auffällig ist auch, dass es kein Gedenken an die jüdischen Opfer aus Radeberg gibt - viele andere Städte haben hier die Form der sogenannten Stolpersteine gewählt.

Und in diesem Sinn käme Radeberg dem Ziel des Projekts am nächsten. "Es gibt etwas zu debattieren, es gilt, die städtische Geschichte aufzuarbeiten." Die geplante Diskussionsveranstaltung wolle er deshalb auch unter das Motto "Radeberg und der Kampf um die Erinnerung" stellen.