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Ein Jahr nach Räumung: Heibo-Unterstützer erhält Bußgeld-Bescheid

Ein Jahr nach der Räumung des Heibos bei Ottendorf haben Unterstützer Bußgeld-Bescheide erhalten, weil sie sich im Wald aufgehalten haben. Einer davon ist der Dresdner Christian Schmidt. Warum er dort war und warum er Einspruch eingelegt hat.

Von Verena Belzer
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Christian Schmidt ist Dresdner, war aber am 15. Februar vergangenen Jahres im Wald zwischen Ottendorf und Würschnitz.
Christian Schmidt ist Dresdner, war aber am 15. Februar vergangenen Jahres im Wald zwischen Ottendorf und Würschnitz. © Christian Juppe

Dresden/Ottendorf-Okrilla. Über ein Jahr ist es her, als Ottendorf-Okrilla bundesweit in die Schlagzeilen geriet: 1.000 Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet waren in das Waldstück Heidebogen - genannt "Heibo" - eingerückt, um dort 54 Aktivisten von Bäumen zu holen. Eineinhalb Jahre lang hatten sie sich dort in wechselnder Besetzung in Baumhäusern eingerichtet - als Protest gegen die geplante Rodung des Waldstücks.

Konkret sollten 7,5 Hektar Wald verschwinden. Zum Hintergrund: Auf dieser Fläche wollte das Kieswerk Ottendorf-Okrilla Kies abbauen. Alle juristischen Einwände dagegen waren gescheitert.

Und während die großen Harvester bereits ihre Arbeiten abgeschlossen, die alten Bäume wie Strohhalme gefällt und die Landschaft kahl zurückgelassen haben, damit sich das Kieswerk weiter in den Wald hinein ausbreiten kann, haben andere noch immer mit den Folgen zu kämpfen. Und das sind vor allem juristische. Der Konflikt schwelt weiter. Eine Aktivistin beispielsweise wurde wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

16 Bußgeldbescheide wegen Heibo-Räumung ausgestellt

Wie das Landratsamt Bautzen auf Nachfrage von Sächsische.de mitteilt, wurden wegen des Verstoßes gegen das Waldgesetz - in diesem Fall das Betreten des Waldes trotz erlassener Waldsperrung - insgesamt 16 Bußgelder verhängt. "Die Bußgeldhöhe variiert tat- und schuldangemessen zwischen 500 und 1.250 Euro", schreibt die Pressestelle. "Bei insgesamt neun der 16 Bußgelder wurde Einspruch eingelegt, es wurden noch keine Bußgelder bezahlt."

Einer derjenigen, bei denen ein solcher Bußgeldbescheid in den Briefkasten flatterte, ist der Dresdner Christian Schmidt. Er selbst war nicht Teil der Waldbesetzer und hatte auch nicht mit den Heibos im Wald übernachtet. Er hegt jedoch Sympathien für die hauptsächlich jungen Leute, die diesen Protest über eineinhalb Jahre lang bei Wind und Wetter und trotz widriger Umstände aufrechterhielten.

"Grundsätzlich interessiere ich mich für Amphibien", erzählt der 53-jährige Theaterpädagoge. "Schon seit meiner Kindheit. So bin ich zum Naturschutz gekommen." In der Laußnitzer Heide, wozu der Heidebogen gehört, gibt es beispielsweise bedeutende Vorkommen an Kreuzottern und Zauneidechsen.

Beeindruckt vom Engagement der Heibo-Aktivisten

Christian Schmidt hatte das Protest-Camp einige Male besucht und war vom Einsatz und dem Engagement der Aktivisten beeindruckt. "Ich habe die Menschen dort als sehr jung, friedlich, aber auch ängstlich, sensibel und verwundbar wahrgenommen." Die Angst vor einer gewaltsamen Räumung der Polizei habe immer im Raum gestanden. "Ich habe ihren Mut und ihren persönlichen Einsatz für die gute Sache bewundert", sagt er.

Er könne nicht verstehen, warum die Natur, "unsere Lebensgrundlage und ökologisch so wertvolle Gebiete vor unserer Haustüre" für Sand zerstört würden. Nachweislich hat der Kiesabbau bereits dafür gesorgt, dass das Grundwasser belastet und einige Schwellenwerte überschritten werden.

Auf dieser Grafik erkennt man, wo das Protestcamp lag.
Auf dieser Grafik erkennt man, wo das Protestcamp lag. ©  SZ-Grafik: Gernot Grunwald

Und auch wenn er selbst nicht in Baumhäusern übernachtete, in der Sache fühlte er sich den Heibos verbunden. Und deshalb war er am Tag der Räumung auch in den Heidebogen gekommen. "Ich finde es berechtigt und empfinde es als mein demokratisches Recht, die Organe des Staates zu kontrollieren", sagt er. "In diesem Fall die Polizei. Es stand zu befürchten, dass es brutal zugehen könnte, wenn niemand vor Ort ist und zuschaut."

Von einem Waldbetretungsverbote habe er nichts gewusst, berichtet er. Er habe weder Durchsagen der Polizei gehört noch andere Hinweise darauf gehabt.

"Der Staat hat eine unglaubliche Härte gezeigt"

"Ich bin dann irgendwo im Wald von Polizisten angesprochen worden", berichtet er. Sie hätten dann seine Personalien aufgenommen, was eine ganze Weile gedauert habe. Ein inhaltliches Gespräch zu ihrem Einsatz sei mit den Beamten nicht möglich gewesen. "Ich habe sie gefragt, was sie hier eigentlich schützen. In meinen Augen nur die Interessen eines Privatunternehmens, des Kieswerks nämlich."

Die Tatsache, dass auf rund 50 Aktivisten etwa 1.000 Polizisten kamen, hält er für absolut unverhältnismäßig: "So eine Machtdemonstration. Und das wegen Sand. Das ist doch Wahnsinn", sagt Christian Schmid. "Für mich ist klar, dass so etwas Radikalisierung schafft. Der Staat hat hier eine unglaubliche Härte gezeigt."

"Ist diese Höhe wirklich berechtigt?"

Dass er ein knappes Jahr nach der Aktion im Wald einen Bußgelbescheid über 791 Euro erhalten würde, damit hatte er nicht gerechnet. "Ist diese Höhe wirklich berechtigt?", fragt Christian Schmid. Wie einige andere auch hat er Einspruch eingelegt. "Das Verfahren ist jetzt dem Amtsgericht übergeben worden."

Die Heibo-Unterstützer haben sich anwaltliche Hilfe genommen. Nun wird abgewartet, wie es weitergeht. "Für mich ist die Begründung für das Bußgeld auch fadenscheinig", sagt Christian Schmidt. "Es soll Waldbetretungsverbot wegen der Rodung von Bäumen geherrscht haben. Aber da wurde nichts gefällt. Die Leute wurden von den Bäumen gepflückt."

Und eines ist ihm auch wichtig: Nur weil das Protestcamp geräumt und die Bäume gefällt wurden, ist das Thema noch lange nicht abgehakt: Aktuell befindet sich das Gebiet "Würschnitz West" im Genehmigungsverfahren. Auch hier soll Kies abgebaut werden. "Wie kann man Moorgebiete für den Kiesabbau freigeben?", fragt sich Christian Schmid. "Moore binden CO₂. Moore sind wichtig!"

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