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Sachsens Landtag nimmt Kiesabbau bei Radeburg unter die Lupe

Beim geplanten Tagebau kämpfen Radeburgs Moorschützer gegen den Abbaubetrieb in Ottendorf-Okrilla. Eine Experten-Anhörung sollte Klarheit bringen.

Von Kathrin Krüger
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"Ohne Kiesrücken keine Moore", so das Fazit von Dr. Holger Oertel, Nabu-Sachverständiger des Landesverbandes, bei der Anhörung zum Kiesabbau im Landtag in Dresden.
"Ohne Kiesrücken keine Moore", so das Fazit von Dr. Holger Oertel, Nabu-Sachverständiger des Landesverbandes, bei der Anhörung zum Kiesabbau im Landtag in Dresden. © Kathrin Krüger

Dresden/Würschnitz. Die "Heibo"-Baumschützer brachten den geplanten Kiesabbau in Würschnitz-West überregional in die Schlagzeilen. Am Donnerstag war der für Sachsen so wichtige Tagebau Thema im Landtag. Per Livestream wurde die Debatte des Umweltausschusses im Plenarsaal ins Internet übertragen. Bei der von der Linksfraktion beantragten Anhörung äußerten sechs Sachverständige ihre Einschätzungen zu den Verfüllungen des bisherigen Abbaus. Und den möglichen Auswirkungen des dritten Abschnittes in Würschnitz-West. Für diese 134 Hektar Waldfläche läuft aktuell das Planfeststellungsverfahren. Im April sollen demnach die "erheblich" überarbeiteten Antragsunterlagen in die öffentliche Auslegung gehen.

Das Kieswerk Ottendorf-Okrilla betreibt schon den Abbau in Würschnitz und bereitet das neues Gebiet Würschnitz-West vor.
Das Kieswerk Ottendorf-Okrilla betreibt schon den Abbau in Würschnitz und bereitet das neues Gebiet Würschnitz-West vor. © Kristin Richter
2022 und 2023 protestierten die Baumbesetzer mit dem "Heibo"-Camp gegen den Abbau. In Naturschutzfragen waren sie eher nicht bewandert.
2022 und 2023 protestierten die Baumbesetzer mit dem "Heibo"-Camp gegen den Abbau. In Naturschutzfragen waren sie eher nicht bewandert. © Kristin Richter
Die bestehenden und das geplante Abbaugebiet zwischen Würschnitz und Ottendorf.
Die bestehenden und das geplante Abbaugebiet zwischen Würschnitz und Ottendorf. © Nabu Sachsen, OBA

Was hat Kies mit dem Moor zu tun?

Etwa 50 Interessierte um den Radeburger Moorschützer Matthias Schrack und Aktivisten aus Dresden verfolgten die Debatte auf der Besuchertribüne. Ihnen geht es bei dem seit sechs Jahren andauernden Genehmigungsverfahren um die streng geschützten Waldmoore bei Großdittmannsdorf. Und um das europäische Vogelschutzgebiet westlich des beantragten Abbaus. "Dass die Naturschutz-Abteilung des Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (Smekul) hier nicht beteiligt wird, ist ein Skandal", findet Naturfreund Matthias Schrack. Stattdessen dreht sich vieles um ein hydrologisches Gutachten des Oberbergamtes Freiberg, das das Antragsverfahren bearbeitet. Auch die für die Anhörung eingeladenen Gutachter arbeiten nach Auskunft der Naturschützer im Auftrag des Abbaubetriebes, das Kieswerk Ottendorf-Okrilla, bzw. des Oberbergamtes. Deshalb werde die Gefährdung des Waldmoores durch den Abbau nicht dargestellt.

Warum ist der Abbau so wichtig?

Dr. Holger Oertel, Sachverständiger des Nabu-Landesverbandes Sachsen und Betreuer der Schutzgebiete, sieht als Einziger der Experten die Umsetzung des geplanten Kiesabbaus als Zerstörung der Schutzgüter und Schutzgebiete. Die weiteren Gutachter von privaten Ingenieur- bzw. Umweltbüros und aus dem Landratsamt Bautzen, Untere Wasserbehörde, teilen diese Ansicht nicht. Sie unterstreichen, auch ein Interesse daran zu haben, die Moorgebiete zu erhalten. Auch Martin Herrmann vom Oberbergamt sieht durch ausreichende Gegenmaßnahmen keinen drohenden Umweltschaden. Er stellt vielmehr das Kieswerk als "Säule der regionalen Rohstoffversorgung im Großraum Dresden" dar. Seit 1949 werden die hiesigen Sande und Kiese im industriellen Stil abgebaut. Jährlich werden in Sachsen rund 36 Millionen Tonnen für die Bauwirtschaft benötigt, im Raum Dresden davon zwei Millionen Tonnen. Kennzeichnend für den Ottendorfer Rohstoff sei ein hoher Quarzgehalt und das Fehlen betonschädlicher Substanzen. Eine Alternative wäre, die Rohstoffe aus dem Ausland zu importieren.

Was wird zur Vorbeugung getan?

Rückwirkend bis 2004 wurde eine FFH-Verträglichkeits-Voruntersuchung durchgeführt. Sie habe "wegen der Lage und der Technologie" keine erheblichen Beeinträchtigungen für die Schutzgebiete feststellen können. Bei der Analyse der Verfüllung des ausgelaufenen Kieswerkes Laußnitz 1 sei "keine signifikante Änderung des Grundwassers" erkennbar. Dennoch wird ein weiteres Grundwassermonitoring gefordert. Die meteorologische Entwicklung - Stichwort Klimawandel - müsse einbezogen werden. Wichtig ist auch, dass Würschnitz-West im Trockenabbau durchgeführt wird. Empfohlen wird von den Fachleuten eine Teilverfüllung mit wasserdurchlässigem Material. Aus dem Nadel-Laub-Mischwald soll nach Abschluss der Nutzung ein Laub-Nadel-Mischwald werden. "Wir gucken 30 Jahre voraus" unterstreicht Professor Dr. Holger Mansel, der das hydrologische Gutachten erstellte. Es werde "Unterstützungswasser" zum Auffüllen gebraucht.

Warum sind die Naturschützer dagegen?

Die Moorschützer um Matthias Schrack und ihren Landesvertreter Holger Oertel stellt das nicht zufrieden. Sie sehen die Moore als "Hotspot der Biodiversität" vor der Auslöschung, wenn der neue Kiesabbau kommt. Das Monitoring ist in ihren Augen nur Nachsorge, keine Vorsorge. Denn wenn dabei etwas festgestellt werde, sei es ja schon zu spät. Ein Problem ist auch, dass bisher Umweltgrenzwerte für Moore fehlen. Ein Abgeordneter der Grünen sagte in der Fragestunde, dass die Bergbauaufsicht erst handele, wenn ein Schaden eingetreten sei. "Deshalb haben sich alle anerkannten Naturverbände gegen den Tagebau ausgesprochen", so der Landtagsabgeordnete.