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Warum die Radeberger Brauerei-Mitarbeiter Freibier bekommen

In der Radeberger Exportbierbrauerei bekommen die rund 250 Mitarbeiter Freibier. Dieser Brauch nennt sich "Haustrunk" und geht auf eine lange Tradition zurück. Nicht nur in Radeberg.

Von Siri Rokosch
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Früher tranken die Brauerei-Mitarbeiter ihr Freibier nur in der Brauerei, und das waren ordentliche Mengen. Wie sieht das heutzutage bei Radeberger aus?
Früher tranken die Brauerei-Mitarbeiter ihr Freibier nur in der Brauerei, und das waren ordentliche Mengen. Wie sieht das heutzutage bei Radeberger aus? © Archiv/Matthias Balk/dpa (Symbolfoto)

Radeberg. Gleich vorweg: Nicht nur die Angestellten der Radeberger Exportbierbrauerei bekommen Freibier - oder wahlweise alkoholfreie Getränke - steuerfrei. Auch andere Brauereien in Sachsen bieten ihren Mitarbeitern den "Haustrunk" an. Bis zu 2,5 Liter können das pro Tag sein.

Ungewöhnlich ist dieser steuerrechtlich betrachtete "Sachbezug" aber nicht, denn auch in anderen Branchen erhalten Mitarbeiter Rabatte oder Vergünstigungen auf eigens produzierte Waren oder Produkte von Partnerunternehmen.

"Haustrunk"-Tradition geht auf 19. Jahrhundert zurück

In der Radeberger Exportbierbrauerei erhalten alle 250 Beschäftigten den "Haustrunk", sagt Pressesprecher Hendrik Wagner: "Dabei haben unsere Azubis grundsätzlich den gleichen Anspruch wie die anderen Mitarbeiter."

Haustrunk habe in Radeberg eine lange Tradition. Das Unternehmen war 1872 gegründet worden. "Es lässt sich für die Exportbierbrauerei nicht lückenlos sagen, ob diese Regelung bereits seit Bestehen der Brauerei bestand. Auch die Menge variierte von Zeit zu Zeit. Ein wichtiges Merkmal heute ist die Wahlmöglichkeit und das damit verbundene Angebot an hauseigenem Braugut, wie Pilsner oder Alkoholfrei, sowie alkoholfreien Getränken", sagt Wagner, der betont, dass der "Haustrunk" "nicht nur bei Radeberger, sondern grundsätzlich bei Brauereien und Getränkeherstellern eine Rolle spiele.

Der Autor und Historiker Holger Starke, Mitarbeiter des Dresdner Stadtmuseums, kennt sich in der Geschichte dieser langen Tradition gut aus. Er schrieb das Buch "Vom Brauerhandwerk zur Brauindustrie", und erklärt gegenüber Sächsische.de: "Die Anfänge des 'Haustrunks' lassen sich zirka auf den Beginn des 19. Jahrhunderts zurückführen. Ein genaues Datum ist nicht bekannt. Damals waren Verkostungen in den Brauereien üblich, und getrunken wurde bis Mitte des 19. Jahrhunderts ausschließlich in den Betrieben."

Ab 1860 entstanden dann die ersten Brauereigewerkschaften, welche Tarifverträge einführten. Mit diesen Tarifverträgen wurde in den Brauereien in und rund um Dresden festgeschrieben, wie viel Bier den Beschäftigen zusteht - und das waren ordentliche Mengen, wie Starke berichtet: "Fünf Liter Doppelbier pro Tag oder zehn Liter Einfachbier pro Tag waren damals üblich. Jüngere Brauereimitarbeiter bekamen drei Liter täglich."

Starke betont aber, dass es sich zur damaligen Zeit nicht um so starke Biere wie heutzutage handelte. Zu jener Zeit war Dünnbier das gängige Bier.

Dieses "Trink"-System hielt sich bis Mitte des 20. Jahrhunderts, danach durfte der "Haustrunk" nur noch mit nach Hause genommen und nicht mehr in den Brauereien genossen werden.

Freibier-Anspruch häufig Teil des Tarifvertrags

Bis zu 2,5 Liter "Haustrunk" können Arbeitgeber ihren Brauereimitarbeitern in Deutschland ab dem 18. Lebensjahr pro Arbeitstag steuerfrei zur Verfügung stellen, bestätigt Thomas Gläser, Geschäftsführer des Sächsischen Brauerbundes.

"Einen gesetzlichen Anspruch gibt es aber nicht", betont Gläser: "In Tarifverträgen ist ein Anspruch der Beschäftigten aber häufig vereinbart. Die entsprechenden Tarifverträge bestehen meist seit vielen Jahren inhaltlich unverändert."

Inwieweit die Regelung auch von nicht tarifgebundenen Unternehmen in Anspruch genommen wird, unterliege der Entscheidung des Unternehmens, so Gläser.

Zur Tradition des "Haustrunks" sagt er: "Der Inhaber einer Brauerei bezeichnete dies einmal als 'identitätsstiftende Tradition'. Das bringt es mit wenigen Worten treffend zum Ausdruck." Gläser erklärt zudem, dass es sich steuer- und sozialabgabenrechtlich hierbei um einen Sachbezug handele. Im Zuge der allgemeinen Entwicklungen am Arbeitsmarkt, auch des Fachkräftemangels wegen, erfreuten sich zusätzliche Sachleistungen branchenübergreifend zunehmender Beliebtheit, von Bewerbern würden sie häufig sogar erwartet.

In der Radeberger Exportbierbrauerei variieren die Mengen sowie der umgerechnete Tagessatz, weil die Mitarbeiter Wahlmöglichkeiten haben, sagt Wagner: "Deshalb lässt sich die auf einen Tag umgerechnete Menge nicht punktgenau beziffern und sie liegt auch unter den 2,5 Litern."

Jeder Mitarbeiter habe das gleiche Anrecht auf "Haustrunk", je nach Gebindegröße und Sorte, wie Bier, alkoholfreies Bier, alkoholfreie Getränke in zum Beispiel 24 Mal 0,33-Liter-Mehrwegflaschen, 20 Mal 0,5-Liter-Mehrwegflaschen oder zwölf Mal 1-Liter-Mehrwegflaschen.

Auch Feldschlößchen und Freiberger pflegen Tradition

Auch bei Feldschlößchen Dresden wird die Tradition des "Haustrunks" heutzutage fortgeführt, wie Mike Gärtner, Vorstand der Feldschlößchen-Aktiengesellschaft, sagt: "Wobei das den Mitarbeitern angebotene Bier nicht nur eine alte Tradition, sondern auch eine Anerkennung für ihre Arbeit ist, wie viele andere Unternehmen das auch in bestimmten Formen wie Firmenrabatten pflegen."

Im Freiberger Brauhaus werde von einem "Haustrunk-Brauch" eigentlich nicht gesprochen, sagt Andrea Berndt, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit: "Es ist eine tarifliche Regelung und anspruchsberechtigt sind alle Beschäftigten der Freiberger Brauerei." Aktuell gibt es am Standort Freiberg knapp 145 Mitarbeiter.

Getrunken wird bei allen Mitarbeitern aber grundsätzlich zu Hause.