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Radebergs OB Frank Höhme im Interview: "Ich lasse jede Diskussion zu"

Ein knappes halbes Jahr ist Frank Höhme (parteilos) nun Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Radeberg. Zeit für eine Bilanz zum Ende des Jahres.

Von Verena Belzer
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Zum Ende des Jahres ist OB Höhme aus seinem Büro im Rathaus aus- und in ein kleines Besprechungszimmer umgezogen. Es stehen größere Renovierungsarbeiten an.
Zum Ende des Jahres ist OB Höhme aus seinem Büro im Rathaus aus- und in ein kleines Besprechungszimmer umgezogen. Es stehen größere Renovierungsarbeiten an. © René Meinig

Radeberg. Energie-Krise, unbesetzte Schlüsselstellen in der Rathausverwaltung, knappe Entscheidungen im Stadtrat: Es liegen aufregende, aber auch anstrengende Monate hinter Radebergs Oberbürgermeister Frank Höhme, der im Juli die Stichwahl gegen seine Konkurrentin Katja Mulansky gewonnen hat. Und viel Arbeit. Nach eigener Aussage kommt er kaum einen Abend vor 22 Uhr nach Hause. "Da muss ich im neuen Jahr einen anderen Rhythmus finden."

Herr Höhme, Sie sind seit August im Amt. Was haben Sie bisher bewirken können?

Von "Bewirken" würde ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sprechen. Dafür ist die Zeit wirklich zu kurz und die Herausforderungen zu groß. Aber ich verfolge meine Ansätze. Ich habe die Bürgersprechstunden eingeführt, auch in den Ortsteilen. Die werden gut angenommen. Man könnte da sogar noch mehr machen.

Ab dem nächsten Jahr soll es auch wieder bürgerfreundlicher im Einwohnermeldeamt werden. Da können die Bürger wieder ohne Termin kommen. Ein schneller Erfolg war die kleine Bank, die jetzt am Marktplatz steht. Ansonsten musste ich mich erst einmal in vieles einarbeiten. Aber ich bin noch an keinem Tag nicht lachend ins Rathaus gegangen.

Mit welchen Anliegen kommen die Bürger zu Ihnen?

Hauptsächlich sind das kleine Dinge. Dreckige Straßen. Fragen, warum ein Schild aufgestellt worden ist und ob das nötig sei. Warum die Beleuchtung nicht geht. Da muss ich den Bürgern dann den Hintergrund erklären. Bei der Straßenbeleuchtung wollen wir nächstes Jahr noch einen Schritt weiter gehen. Dann soll man per Barcode eine Schadensmeldung abgeben können.

Wie sehr hat Sie das Thema Energiekrise in den vergangenen Monaten beschäftigt?

Das waren sehr lange Abende mit den Amtsleitern, wir haben den "Krisenstab Energie" eingerichtet, um die Verordnung zum 1. September durchsetzen. In den ersten drei Wochen meiner Amtszeit kamen ständig neue Informationen, was wir alles machen und umsetzen müssen und wie wir das angehen sollen.

Manche Dinge gingen bei uns aber nicht, zum Beispiel jede zweite Leuchte abdrehen. Dafür ist unsere Infrastruktur in Radeberg zu alt. Wir haben teilweise Leitungen aus den 1940er-Jahren. Wir haben das möglich gemacht, was ging, und beizeiten den Stadtrat informiert.

In Ihrer ersten Stadtratssitzung als OB haben Sie ein Plädoyer abgegeben, die Gräben des Wahlkampfs zu schließen. Ist Ihnen das gelungen?

Ich denke, dass der Stadtrat in großen Teilen verstanden hat, für wen wir das hier machen. Wir machen das für die Bürger. Der ein oder andere hat es aber noch nicht verstanden. Das merkt man ja auch an den Diskussionen, dass manche Gräben tiefer werden. Aber am Ende müssen diejenigen, die solche Hahnenkämpfe ausfechten, sich bewusst sein, dass sie sich weiter vom Bürger entfernen. Ich persönlich arbeite mit allen zusammen. Auch mit Fraktionen, die mir im Wahlkampf nicht so wohlgesonnen waren.

Wo ist die Grenze zwischen einem Graben und einem legitimen politischen Diskurs?

In der Art und Weise, wie man das Ganze betrachtet. Wenn man versucht, die Verwaltung schlechtzumachen, dann halte ich schützend die Hand über meine Mitarbeiter. Denn ich bin der oberste Verwaltungschef. Die Verwaltung arbeitet gut. Wir könnten noch besser arbeiten, das ist uns bewusst. Aber es fehlt uns auch einfach an Personal. Es waren und sind sehr viele Schlüsselstellen vakant.

Nicht alle Ihrer Anträge werden im Stadtrat durchgewunken, es gab einige knappe Entscheidungen. Sie haben keine verlässliche Mehrheit, auf die Sie sich stützen können. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Ich kann gar keine verlässliche Mehrheit haben, da ich parteiunabhängig arbeite. Ich muss meine Anträge so gestalten, dass ich die Stadträte mitnehme. Die Entscheidungen fallen jetzt knapper aus, demokratischer. Ich lasse auch jede Diskussion zu, dafür sitzen wir ja im Stadtrat. Menschlich tut mir das nicht weh, es muss aber auf einer Sachebene sein.

Sie sind seit acht Jahren in Stadtpolitik engagiert, dennoch: Was hat Sie am meisten in Ihrer neuen Rolle als OB überrascht?

Die Vielzahl der Aufgaben, die im Hintergrund abgearbeitet werden, die weder der Stadtrat, noch die Bürger kennen. Damit der Bürger diese Prozesse künftig besser versteht, werden im kommenden Jahr einige Prozesse angestoßen. Die Verwaltung soll nicht gläsern, aber transparenter werden. Der Bürger denkt, die Verwaltung fängt um 8 Uhr morgens erstmal mit Kaffeetrinken an. Aber welche Arbeit hier geleistet wird, das ist unvorstellbar.

Was ist das Schönste an Ihrem Job?

Die Arbeit mit den Bürgern, die Offenheit, die ich erfahre. Ich rede mit jedem, der mit mir reden möchte. Und das riesige inhaltliche Spektrum, das man als OB abdeckt. Mir gefällt auch der enge Austausch mit den Bürgermeistern aus der Umgebung, das will ich noch weiter ausbauen.

Und das Anstrengendste?

Dass Radeberg auf Landkreisebene präsenter wird, ist eine Mammutaufgabe. Der Landkreis muss uns mitdenken, wir sind Teil des Landkreises. Wir sind das Tor zur Oberlausitz. Und wir sind die, die miteinander arbeiten wollen. Wenn das 28 Jahre nicht so gelebt wurde, kann ich das nicht in einem halben Jahr aufholen. Gleichzeitig sind wir ja einer der größten Zahler. Dass die Kreisumlage für das neue Jahr um zwei Prozent erhöht wurde, schmerzt uns. Sie erhöht sich von 9,2 auf 9,8 Millionen Euro. Die knappe dreiviertel Million Euro hätten wir gerne in Radeberg investiert.

Auf welche Herausforderungen muss sich Radeberg einstellen, vor allem finanziell?

Wir wollen neue Wege gehen, wir suchen nach einem neuen Standort für eine Kita, es stehen Bauprojekte an wie die Sanierung und der Neubau der Grundschule Süd. Auch die Sanierung der Straßenbeleuchtung wird eine Mammutaufgabe. Wo genau wir den Gürtel enger schnallen müssen, kann ich noch nicht sagen. Wir befinden uns mitten in den Haushaltsverhandlungen.