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Made in Radeberg: Wie das Modelabel "Tibelinchen" den Krisen trotzt

Nachhaltige Kleidung für Kinder und Erwachsene: Eine Radebergerin hat das Modelabel "Tibelinchen" gegründet. Was daran besonders ist – und wie die Gründerin schwierigen Zeiten trotzt.

Von Verena Belzer
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Liane Mörtl in ihrem Atelier in Radeberg. Hier entsteht "Tibelinchen".
Liane Mörtl in ihrem Atelier in Radeberg. Hier entsteht "Tibelinchen". © Marion Doering

Radeberg. Olivgrüne Mützchen, flaschengrüne Knickerbocker und beige-farbene Pullis: Liane Mörtl hat sich für ihr Modelabel "Tibelinchen" für einen klaren, zeitlosen und schnörkellosen Stil entschieden. Doch das war nicht immer so. "Ich habe mit 16 zum Geburtstag eine Nähmaschine geschenkt bekommen", erzählt die 37-jährige Radebergerin. "Da konnte ich damit noch gar nichts anfangen." Das jedoch änderte sich, als sie Mutter wurde.

Sie fing an, für ihren Sohn Pumphosen zu nähen, "in bunt und mit vielen Mustern. Mit Sternen, Ankern und Baustellenfahrzeugen". Liane Mörtl lacht, wenn sie das heute erzählt. Denn das, was sie heute im Nebenerwerb in ihrer Nähwerkstatt in Radeberg näht, ist alles andere als klassische Kindermode.

Das Nähen hat sich Liane Mörtl selbst beigebracht

Liane Mörtl stammt ursprünglich aus Pirna und ist gelernte Heilerziehungspflegerin. Seit das Näh-Fieber sie während ihrer ersten Elternzeit gepackt hat, ist sie Feuer und Flamme. Schon seit vielen Jahren gibt sie in Radeberg Nähkurse, sowohl mobil als auch in den Räumen der Radeberger Stoffmeisterei in der Hauptstraße.

"Ich habe mir alles selbst beigebracht und mit der Zeit das Niveau gesteigert", erzählt sie. Und schnell merkte sie dabei, dass es ihr unendlich viel Spaß macht, mit den Händen etwas zu erschaffen, das bleibt. Etwas, an dem sich auch andere erfreuen. Etwas, das nachhaltig ist und von hoher Qualität. Liane Mörtl verarbeitet ausschließlich GOTS-zertifizierte Stoffe. GOTS ist ein weltweit anerkannter Textilverarbeitungsstandard für Bio-Fasern.

Ihr Alleinstellungsmerkmal: neutrale und schlichte Stoffe

Zeitlose, nachhaltige Kindermode - das ist der Stil von "Tibelinchen".
Zeitlose, nachhaltige Kindermode - das ist der Stil von "Tibelinchen". © Marion Doering
Liane Mörtl arbeitet ausschließlich mit GOTS-zertifizierten Stoffen. GOTS ist ein Textilverarbeitungsstandard für Bio-Fasern.
Liane Mörtl arbeitet ausschließlich mit GOTS-zertifizierten Stoffen. GOTS ist ein Textilverarbeitungsstandard für Bio-Fasern. © Marion Doering
Mittlerweile hat Liane Mörtl auch Kleidung für Erwachsenen im Sortiment - so können Partnerlooks für Kinder und Eltern entstehen.
Mittlerweile hat Liane Mörtl auch Kleidung für Erwachsenen im Sortiment - so können Partnerlooks für Kinder und Eltern entstehen. © Marion Doering

2018 entstand ihr Modelabel "Tibelinchen" - eine Abkürzung der Namen ihrer Söhne Tim und Ben und ihres eigenen Vornamens. "Und mit der Verniedlichung sollte gleich jeder verstehen, dass es um Kindermode geht", sagt Liane Mörtl.

Und weil der Markt für Kindermode voll war mit bunten Stoffen mit Tieren und anderen Motiven, entschied sich die Radebergerin für das Gegenteil. "Ich brauchte ein Alleinstellunsgmerkmal." An den bunten Stoffen habe sie sich einfach sattgesehen.

So entstanden neutrale und schlichte Kinderpullis, Hosen und Mützchen aus Bio-Stoffen, alle selbst genäht in Radeberg. Später kam auch Mode für Erwachsene dazu. "Und so ist es heute ein Modelabel für die ganze Familie", sagt sie.

Seit Corona wurden die Gewinne immer kleiner

Liane Mörtl betreibt einen eigenen Online-Shop, aber ihren Hauptumsatz macht die Radebergerin auf Handmade-Märkten und Kreativmessen in Sachsen und Thüringen. Ihren Job als Heilerziehungspflegerin hatte sie aufgegeben, so gut lief es mit "Tibelinchen". Doch dann kam Corona. Und die Energiekrise im Zuge des russischen Überfalls der Ukraine und die Inflation.

"Ich war im vergangenen Jahr auf 33 Märkten", sagt Liane Mörtl. "Aber ich habe deutlich gemerkt, dass die Leute ihr Geld mehr zusammenhalten." Sie arbeitete immer mehr und mehr, doch die Gewinne wurden weniger. Und so musste sie in diesem Jahr eine Entscheidung treffen.

"Tibelinchen" ist ein Radeberger Label - denn hier ist Liane Mörtl glücklich

Seit Mai dieses Jahres arbeitet sie nun wieder 20 Stunden pro Woche in ihrem erlernten Beruf, angestellt beim Epilepsiezentrum Kleinwachau. Wie ein Scheitern fühle sich das für sie aber nicht an, sagt Liane Mörtl. "Im Gegenteil. Es ist immer alles im Wandel. Und jede Veränderung ist auch ein Fortschritt."

So sind nun die Fixkosten ihres Alltags gedeckt - die restliche Zeit wird "Tibelinchen" gewidmet. Und so ein Modelabel bedeutet beileibe nicht nur Nähen. "Das Nähen nimmt ungefähr 30 Prozent der Zeit in Anspruch", sagt sie. "Ich muss den Online-Shop pflegen, Fotos machen, Buchhaltung, Steuer, die Märkte organisieren."

Und das alles in ihrem Zuhause in Radeberg. Hier fühlt sie sich wohl, hier ist sie glücklich. "Ich mag es übersichtlich und dass es nicht so voll ist. Die Kinder können sich frei bewegen, alles ist fußläufig erreichbar."

Nur eine Sache sei schade: "Mehr Einzelhandel in der Innenstadt wäre toll. Für viele Sachen fahre ich dann eben nach Dresden." Für Klamotten aber eben nicht. Die näht sie sich selbst.

Wer sich selbst ein Bild von Liane Mörtls Mode für Groß und Klein machen möchte, kann das am kommenden Wochenende beim Dresdner HandmaDDe-Markt im Alten Schlachthof tun. "Tibelinchen" hat hier einen Stand.

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