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Radeberger Start-up "Trimt" will Krebstherapie revolutionieren

Das Radeberger Start-up "Trimt" forscht an neuartigen Krebstherapien, die Tumorzellen mit leicht radioaktiven Stoffen bekämpfen sollen. Der Standort ist für sie nahezu ideal, doch eine Sache bereitet den Unternehmern Bauchschmerzen.

Von Verena Belzer
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Jakub Simecek (r.) und Johannes Notni haben gemeinsam mit dem Radeberger Dirk Freitag-Stechl das Start-up "Trimt" gegründet.
Jakub Simecek (r.) und Johannes Notni haben gemeinsam mit dem Radeberger Dirk Freitag-Stechl das Start-up "Trimt" gegründet. © TRIMT GmbH

Radeberg. An Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken, ist relativ unwahrscheinlich. Laut der Deutschen Krebsgesellschaft stellt Bauchspeicheldrüsenkrebs bei Frauen die sechst- und bei Männern die zehnthäufigste Krebsart dar. Doch was nützen einem Zahlen, wenn man eben doch betroffen ist?

"Die Überlebensrate bei Bauchspeicheldrüsenkrebs ist sehr gering", erklärt Jakub Simecek, Chemiker und Geschäftsführer des Radeberger Start-ups "Trimt". "Nur zehn Prozent der Erkrankten lebt noch länger als fünf Jahre." Und vor allem: In den vergangenen 50 Jahren habe sich bei Diagnostik und Therapie kaum etwas getan. Und da kommt "Trimt" ins Spiel.

Leicht radioaktive Stoffe können Krebszellen aufspüren

"Trimt" wurde im März 2021 von drei Männern gegründet, neben Jakub Simecek waren das noch der Radeberger Dirk Freitag-Stechl und der Thüringer Johannes Notni. Alle drei sind Chemiker mit Erfahrung und Expertise auf dem Feld der Radiopharmaka - das sind leicht radioaktive Arzneimittel, mit deren Hilfe Tumorzellen sowohl aufgespürt als auch bekämpft werden können.

Wer nun jedoch "radioaktiv" hört und dabei an Atomkraft, Tschernobyl oder die Atombombe denkt, der irrt. Die Radiopharmaka werden in sehr kleinen Mengen verabreicht. Sie bleiben nur über einen kurzen Zeitraum im Körper und werden mittels normaler Körperfunktionen, vorwiegend über den Harn, ausgeschieden.

Sie sind als ungefährlich und haben zudem außergewöhnliche Fähigkeiten: "Wir haben eine radiopharmazeutische Substanz entwickelt, die mit einer Spritze verabreicht wird", erklärt Geschäftsführer Jakub Simecek. "Wenn die Substanz im Körper auf eine Tumorzelle stößt, fängt sie an, dort zu kleben." Das sei wie beim Schlüssel-Schloss-Prinzip.

Frühe Krebs-Diagnose steigert Überlebenschancen

Mithilfe der radioaktiven Strahlung der Substanz können dann im Körper die entsprechenden Tumorzellen lokalisiert werden. "Diese Art von Diagnostik funktioniert viel früher als eine herkömmliche Computertomografie", sagt Simecek.

Oft käme die Krebsdiagnose viel zu spät, "und oft ist der Krebs dann nicht mehr operabel". Eine frühere Diagnose steigere demnach massiv die Überlebenschancen.

Im besten Fall auch Krebstherapie möglich

Das Herzstück von "Trimt", das sogenannte Krebs-Integrin, kann aber nicht nur die Diagnostik um ein Vielfaches verbessern - sondern im besten Fall auch therapieren. "Das hoffen wir zumindest", sagt Jakub Simecek. "Momentan gibt es dafür aber noch keine Bestätigung."

Bei einer Standard-Chemotherapie wird der Körper mit Gift geflutet - so sollen auch die Krebszellen absterben. "Unsere Substanz, eine abgewandelte Version der Diagnose-Substanz, erkennt wieder die Tumorzelle und zerstört sie da, wo sie ist. Und nur die Tumorzelle." Die Folge: eine massive Reduktion von Nebenwirkungen. "Die Substanz wirkt lediglich da, wo wir sie wirklich brauchen", erklärt der Geschäftsführer.

Der Zulassungsprozess dauert Jahre - und kostet viel Geld

Freuen sich über die Auszeichnung von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD, 2.v.l.): Dirk-Freitag-Stechl (l.), Verkaufschef Matthias Keck und Jakub Simecek. Rechts steht Marina Heimann von FutureSAX, einer Innovationsplattform des Freistaates Sachsen.
Freuen sich über die Auszeichnung von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD, 2.v.l.): Dirk-Freitag-Stechl (l.), Verkaufschef Matthias Keck und Jakub Simecek. Rechts steht Marina Heimann von FutureSAX, einer Innovationsplattform des Freistaates Sachsen. © TRIMT GmbH

Diese beiden Gebiete - die Diagnose und die Therapie von Krebszellen - sind das Kerngeschäft von "Trimt". Kürzlich ist die Radeberger Firma für ihre Erfolge mit dem 3. Platz beim Sächsischen Innovationspreis und dem 1. Platz in der Kategorie Transferpreis ausgezeichnet worden. Doch wie geht es nun weiter?

"Wir haben für unser Diagnostikum sowie Therapeutikum einen australischen Lizenznehmer gefunden, der nun den Zulassungsprozess für Australien, USA, Japan, China und Hongkong startet." Bis ein solches Therapie-Medikament zugelassen werde, könne sieben bis zehn Jahre dauern, erklärt "Trimt"-Chef Jakub Simecek. "Aber das ist natürlich das Ziel." Beim Diagnostikum hofft "Trimt" auf eine Zulassung in den kommenden drei Jahren.

Die zahlreichen klinischen Proben und Studien und alles, was zum Zulassungsprozess gehöre, das koste auch enorm viel Geld. "Geld, das auch nicht jeder hat", sagt Simecek. Ist ein Medikament zugelassen, kann ein Pharmahersteller mit der Produktion beginnen.

Mit dem Geld, das "Trimt" mithilfe dieses Lizenzgeschäfts verdient, will die Firma weiterforschen. Die entwickelte Substanz könne etwa 20 verschiedene Karzinome entdecken, sagt Simecek. Es gebe aber über 200 verschiedene Krebsarten.

"Wir haben viele neue Ideen, wie wir in der Krebsforschung weitermachen wollen." Man wolle sich auf die eigene Stärke in der Forschung konzentrieren. "Alles andere geben wir ab."

Unverständnis für Montagsdemonstranten

Zum Standort Radeberg hat Jakub Simecek indes gemischte Gefühle. "Sachsen ist ganz klar der Standort in Deutschland für unsere Branche. Hier sind wir mit unserer Technik zu Hause."

Sachsens Wirtschaftsförderer haben dafür gar ein neues Schlagwort: Nach dem Silicon Saxony um die Mikrochipfabriken entsteht nun in der Biotechnologie ein Radiopharmaceutical Valley. In und um Dresden seien auf dem Arbeitsmarkt auch genügend gut ausgebildete Fachkräfte vorhanden, sagt Simecek.

Doch es gebe auch eine Sache, die ihm Bauchschmerzen verursache, wenn er an Radeberg denkt: "Dass hier jeden Montag Neonazis trommeln, das finde ich irritierend. Ich verstehe nicht, dass so etwas möglich ist."

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