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Die schwierige Suche nach Leuten mit Courage

Landtagsmitglied Frank Richter und Friedenskirche-Pfarrerin Annegret Fischer wollen den Radebeuler Couragepreis-Verein neu beleben.

Von Peter Redlich
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Der Meißner Landtagsabgeordnete Frank Richter (SPD) in der Radebeuler Friedenskirche an dem Tisch, an welchem der Friedensvertrag zwischen Sachsen und Schweden im 30-jährigen Krieg 1645 geschlossen wurde.
Der Meißner Landtagsabgeordnete Frank Richter (SPD) in der Radebeuler Friedenskirche an dem Tisch, an welchem der Friedensvertrag zwischen Sachsen und Schweden im 30-jährigen Krieg 1645 geschlossen wurde. © Arvid Müller

Radebeul. Lange nichts gehört vom Radebeuler Couragepreis-Verein. Als der Verein vor 17 Jahren gegründet wurde, sorgte das bundesweit für Aufsehen. Couragierte Bürger aus Radebeul und dem Kreis Meißen, aber auch Menschen, die vor allem in Osteuropa für Menschenrechte eintreten, wurden geehrt. Es gab Querelen und Missverständnisse in der Vereinsführung. Der Gründer Ulfrid Kleinert ist ausgetreten. Eine Zeit lang hat Radebeuls OB Bert Wendsche die Vereinsführung übernommen. Jetzt hat der Verein einen neuen Vorstand gewählt. Den Vorsitz hat der Meißner SPD-Landtagsabgeordnete Frank Richter. Seine Stellvertreterin ist die Pfarrerin der Friedenskirche, Annegret Fischer. Die SZ hat nachgefragt, wie es weitergehen soll.

Annegret Fischer ist Pfarrerin der Friedenskirche Radebeul und engagiert sich im Vorstand des Couragepreis-Vereins.
Annegret Fischer ist Pfarrerin der Friedenskirche Radebeul und engagiert sich im Vorstand des Couragepreis-Vereins. © Friedenskirche Radebeul

Frau Fischer, Herr Richter, wer gehört jetzt zum Vorstand?

Im November wurde ein neuer Vorstand gewählt. Vor dieser Wahl gab es einen längeren Prozess der Selbstverständigung. Zuletzt waren immer wieder Vereinsmitglieder ausgetreten und wir stellten uns die Frage: Hat der Radebeuler Couragepreis e.V. noch eine Zukunft? In einer offenen Mitgliederversammlung im Oktober 2020 haben wir diese Frage öffentlich gestellt. An dieser Versammlung nahm auch Frank Richter teil, der sich für die Arbeit des Vereins interessiert und von einem Vereinsmitglied für den Vorstand angefragt war. Der neue Vorstand wurde in geheimer Wahl bestimmt und setzt sich aus folgenden Personen zusammen: Frank Richter, Annegret Fischer, Dr. Christian Werner, ehemaliger 2. Bürgermeister von Radebeul, Margret Schubert-Erkrath, Lehrerin in Radebeul, SPD-Stadtrat Thomas Gey und Schriftsteller Thomas Gerlach.

Herr Richter, sind Sie nur politische Galionsfigur für den Verein, oder wollen Sie richtig mit aktiv werden? Sie haben ja noch Ihre eigentliche Aufgabe als Landtagsabgeordneter.

Der Aufwand ist mit einer Handvoll Treffen im Jahr nicht so übermäßig groß. Ich stehe dem Verein sehr nahe, war auch eine Zeit lang Mitglied, habe dreimal die Laudatio bei der Verleihung gesprochen. Und ich habe viele Freunde in Radebeul. Der Inhalt der Arbeit ist mir also auf den Leib geschrieben.

Frau Fischer, neue Gesichter verändern den Verein, wie zum Beispiel?

Ja, wir wollen frischen Wind, Aufbruch und neue Dynamik. Das Thema des Vereins ist aktuell. Frieden und Zivilcourage in unserem Land und in Europa. Wir brauchen mutige und engagierte Menschen, um die Probleme unserer Zeit anzugehen. Welche kreativen und neuen Wege müssen wir einschlagen, um eine Zukunft in Frieden und Freiheit zu ermöglichen? Der Verein will solche Kräfte in Radebeul, in Sachsen und darüber hinaus hervorheben, bestärken und ermutigen.

Klingt noch ziemlich allgemein. Was bringen Sie ein, Herr Richter?

Meine Erfahrung und Fähigkeiten zur Vermittlung in der Gesellschaft, das kann ich einbringen. Dass ich das kann, habe ich bewiesen in den Bürgerdialogen der Landeszentrale für politische Bildung und auch in den Pegida-Debatten. Eine meiner Thesen lautet: Mediation ist gute Politik. Wir haben einen Mangel an Vermittlung. Wir müssen Win-win-Situationen erzeugen, nicht dauernd Gewinner und Verlierer.

Was meinen Sie beide, warum war der Verein so müde geworden?

Alles hat seine Zeit. Und manchmal braucht auch so ein Verein eine Pause. Vielleicht waren das Jahre, in denen Freiraum für Neues entstehen konnte. Mit dem weiten europäischen Ausgriff bis nach Osteuropa besteht die Sorge, dass sich der Verein übernimmt. Vor allem in der weiteren Begleitung dieser Personen weit über die Auszeichnung hinaus.

Was gibt es bisher als Preis?

Die internationale Auszeichnung ist mit 5.000 Euro dotiert. Gespendet von der Stadt Radebeul. Der einheimische Preisträger wird mit einem Stein, eingelassen vorm Rathaus, auf dem der Name steht, geehrt.

Die internationale Vergabe des Preises ist umstritten – so honorig die Preisträger waren – aber die Bürger hier hatten dazu kaum Bezug.

Ja, diese Schwierigkeit ist uns bewusst und wurde immer wieder innerhalb des Vereins thematisiert und verhandelt. Auch das ist ein Grund für die aktuelle Arbeit an der Satzung des Vereins.

Dieses Jahr ist keine Preisvergabe, warum?

Wir haben uns im Vorstand dagegen entschieden. Das liegt vor allem daran, dass wir uns als Vorstand noch finden wollen: Unsere Gedanken, Ideen, Zielvorstellungen miteinander austauschen und den gemeinsamen Weg auftun. Das braucht Zeit. Außerdem arbeiten wir aktuell an einer Satzungsänderung. Auch das stand schon lange zur Diskussion innerhalb des Vereins. Jetzt fassen wir das an. Eine Preisverleihung muss sehr gut und langfristig vorbereitet werden. Wir freuen uns schon auf eine Preisverleihung 2022. Dafür werden wir bereits nach den Sommerferien mit den Vorbereitungen starten.

Wie wollen Sie preiswürdige Personen oder Organisationen finden?

Bei der Suche nach Preisträgern sind wir immer wieder auf die Hinweise der Radebeuler, der Bürger überhaupt angewiesen. Zur letzten Preisverleihung gab es sehr interessante Vorschläge. Wer sucht, der wird finden. Wir sind optimistisch.

Herr Richter, ohne dass diejenigen gleich ausgezeichnet werden, wer wäre denn aus Ihrer Sicht preiswürdig?

Mir fallen sofort Menschen in der Region ein. Die Leute, die sich um die Käthe-Kollwitz-Gedenkstätte kümmern. Leute, die sich in Meißen um Obdachlosenversorgung bemühen. Die Initiativen, die sich um den Ehrenhain in Zeithain kümmern, sind würdig.

Der Verein will sich auch über die Auszeichnung am 27. August hinaus - dem Tag des Friedenschlusses von Kötzschenbroda im Dreißigjährigen Krieg - in Radebeul deutlicher zeigen. Wie?

Es gibt in jedem Jahr vier Termine, die uns besonders wichtig sind: der 27. Januar, der 8. Mai, der 27. August und der 9. November. Für den 8. Mai haben wir eine Friedensandacht in der Friedenskirche etabliert. Diese Andacht entstand zusammen mit Schülern des Lößnitzgymnasiums und findet immer mehr Zuspruch. Auch in diesem Jahr haben wir am 8. Mai zur Friedensandacht eingeladen. Wir werden am 18. Juni zu einem abendlichen Vortrag von Professor Magnus Brechtken in den neuen Gemeindesaal der Lutherkirchgemeinde einladen. Thema: „Der Wert der Geschichte. Zehn Lektionen für die Gegenwart“. Auch eine Foto-Ausstellung ist geplant. Bei uns gibt es noch viele Ideen. Wir hoffen, dass wir bald wieder mehr wahrgenommen werden und viele Radebeuler zu uns stoßen.