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Junge Leute schauen in Radebeul Ferrari unter die Haube

Das Sportwagen-Autohaus in Radebeul hat erstmals potenzielle Azubis zum Schnuppertag eingeladen. Ferraris faszinieren, verlangen aber auch Respekt ab.

Von Silvio Kuhnert
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Nicht nur in Rot, auch in Gelb gibt es Ferrari-Sportwagen im Radebeuler Autohaus.  Geschäftsführerin Sibylle Thomas-Göbelbecker erklärt Lino, Eric und Finn (v. l. n. r.) die Technik und Funktionsweise des schnittigen Flitzers.
Nicht nur in Rot, auch in Gelb gibt es Ferrari-Sportwagen im Radebeuler Autohaus. Geschäftsführerin Sibylle Thomas-Göbelbecker erklärt Lino, Eric und Finn (v. l. n. r.) die Technik und Funktionsweise des schnittigen Flitzers. © Norbert Millauer

Radebeul. Auf dem Parkplatz vor dem Ferrari Autohaus in Radebeul ist an diesem Sonnabend nicht nur der spezielle Formel-1-Sound eines roten Flitzers mit zwölf Zylindern unter der Motorhaube zu hören. An gestrigen Sonnabend fuhren ganz „normale“ Pkw wie VW oder Opel auf das Gelände von Thomas Sportwagen GmbH in der Meißner Straße 34. Aus den Wagen steigen Teenager mit ihren Eltern. Andere Jugendliche kommen von der Straßenbahnhaltestelle in der unmittelbaren Nähe.

Schüchtern sagt der 14 Jahre alte Friedrich aus Wendischbaselitz bei Kamenz: „Ich bin hier, um Ferraris anzugucken. Die Autos sind sehr interessant.“ Und er will schauen, ob der Beruf Kfz-Mechatroniker für ihn als Ausbildung infrage kommt. Aus diesem Grund ist auch der 18-jährige Colin aus Pirna in die Lößnitzstadt gereist. Und er bringt die Faszination für die Sportwagen auf den Punkt: „Ferraris sind megageil.“

Ferrari-Standort seit über 20 Jahren

An diesem Sonnabend haben die 13 offiziellen Ferrari-Händler in Deutschland und Österreich erstmals zu einem „Tag der offenen Tür“ zu sich eingeladen, um einen Einblick in die Arbeitswelt der 1947 vom ehemaligen Rennfahrer Enzo Ferrari in Italien gegründeten Automobilmarke zu geben. Sie suchen dabei im Rahmen der „Woche der Ausbildung“ der Bundesagentur für Arbeit nach potenziellen Azubis - so auch Sibylle Thomas-Göbelbecker, Geschäftsführerin der Thomas Sportwagen GmbH. „Für uns ist es immer etwas schwerer, Auszubildende zu finden, weil sich viele nicht trauen, sich bei uns zu bewerben“, sagt sie.

Auch unter die Motorhaube dürfen die drei jungen Männer mit der Autohauschefin blicken.
Auch unter die Motorhaube dürfen die drei jungen Männer mit der Autohauschefin blicken. © Norbert Millauer

Im April 2002 unterschrieb sie den Händlervertrag, 2003 feierte sie die Eröffnung ihres Ferrari-Autohauses. Seit über 20 Jahren ist der Radebeuler Standort der einzige in den fünf neuen Bundesländern. Dort werden nicht nur die aktuellen Acht- und Zwölf-Zylinder Modelle verkauft, sondern auch in der Werkstatt gewartet und repariert und ältere Modelle auf Wunsch aufbereitet. Ein Team von rund 20 Mitarbeitern zählt Thomas-Göbelbecker allein in der Ferrari-Sparte. An ihrem Standort in Radebeul-Ost führt sie auch die Luxusmarken Rolls-Royce, Aston Martin, Bentley und Lamborghini.

Technisches Knowhow gefragt, Googlen hilft nicht

Ferrari-Klassiker, die 30 und mehr Jahre alt sind, kommen ebenfalls auf die Hubbühne. In diesen Wagen steckt noch viel Mechanik. „Allein die Technik ist ein Traum. Hier wird ein junger Mann ein stückweit gefordert“, sagt die Autohauschefin. Doch dieser Schnuppertag richtet sich nicht nur an Jungs. Auch Mädchen nehmen dieses Angebot wahr.

Was Thomas-Göbelbecker meint, demonstriert Sven Erdmann in der Werkstatt. Er lässt die Azubi-Aspiranten in und unter einen F 365 „Daytona“ blicken. Dieser Sportwagentyp wurde von 1969 bis 1973 gebaut. Bei diesem Wagen sind Motor oder Abgasanlage noch nicht hinter Verkleidungen versteckt. Auch eine Fehleranalyse kann bei diesem Modell nicht über das Auslesen per Computer erfolgen. „Ob Zündverteiler, Zündspule oder Kraftstoffpumpe - es gibt keinen Diagnosestecker“, berichtet der gelernte Kfz-Mechaniker. Auch jeder der zwölf Zylinder muss einzeln händisch eingestellt werden. Dafür benötigt es Erfahrung und beispielsweise auch ein gutes Gehör.

„Vor allem auch Lernbereitschaft“, fährt Erdmann fort. Denn so ein Klassiker oder Oldtimer stellt einen Mechaniker immer wieder vor neue Herausforderungen. Da helfe auch nicht Google, wie Erdmann auf eine Wortmeldung eines Jugendlichen bemerkt. Stattdessen schlägt er in Handbüchern nach, greift auf ein Netzwerk an Kontakten zu anderen Mechanikern zurück, fragt auch mal im italienischen Stammhaus nach oder berät sich mit Kollegen vor Ort, wie etwa Ringo Richter. Der hat vor rund 20 Jahren als Azubi im Ferrari-Autohaus angefangen und ist heute Serviceleiter.

Erdmann demonstriert an einem Ferrari 812 Superfast, dass der italienische Hersteller nicht nur Autos für Nostalgiker baut, sondern die neuen Modelle auch mit viel Elektronik ausgestattet sind, die sich etwa per Touch am Lenkrad bedienen lässt. Für die Fehleranalyse nimmt er einen PC zur Hand. Um diese Fahrzeuge zu warten und zu reparieren, bedarf eines Kfz-Mechatronikers, der das Knowhow der früher getrennten Berufe Kfz-Mechaniker und Kfz-Elektroniker vereint.

E-Ferrari ab 2025

Neben Ferraris mit Verbrennungsmotoren gibt es auch welche mit Hybridantrieb. 2025 soll ein rein elektrischer auf den Markt kommen. An einem E-Ferrari scheiden sich die Geister. Gordon, 17 Jahre alt und aus Meißen, schließt für sich kategorisch aus, an einem Elektrofahrzeug herumzuschrauben.

Die Jugendlichen, die diesen Tag der offenen Tür nutzen, sind sehr unterschiedlich. Unter ihnen sind viele Schüler, deren Abschluss erst im nächsten oder übernächsten Jahr ansteht. Es gibt aber auch Teilnehmer wie Fritz, 24 Jahre alt, und Julius, 21 Jahre. Beide haben bereits einen Berufsabschluss als Medientechnologe beziehungsweise Drechsler, wollen sich jedoch beruflich neu orientieren.

Preise verlangen Respekt ab

Unter den weiblichen Besucherinnen ist Angelina. „Ich schaue, wie ein praktischer Beruf aussieht“, sagt die 17-jährige Dresdnerin, die ein berufliches Gymnasium besucht. An Ferrari fasziniert sie die Verbindung, von Funktionalität, Geschwindigkeit und Design. Der 15-jährige Finn aus Dresden-Übigau liebäugelt bereits mit einer Lehre zum Kfz-Mechatroniker. Ferraris findet er ganz spannend. Die Marke verlangt ihm aber auch Respekt ab. Denn so ein Sportwagen ist sehr teuer.

Auf der Internetseite des Autohauses sind beispielsweise ein 812 Superfast 2019 für 299.990 Euro oder ein 812 GTS aus 2022 für 499.990 Euro zu finden. Kunden kommen vor allem aus Sachsen und Thüringen, aber auch Nachbarländern wie Tschechien und Polen. Wie viele Sportwagen das Autohaus im Jahr verkauft, möchte die Chefin nicht verraten. Laut Datenbank des Kraftfahrtbundesamtes sind zum Stichtag 1. Januar 2024 bundesweit 14.448 Ferraris zugelassen, ein Anstieg um 4,5 Prozent gegenüber dem 1. Januar des Vorjahres.

Den Schnuppertag nutzen 25 junge Menschen, die in Workshops auch ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen müssen. Für eine Ausbildung im Ferrari-Autohaus sind neben technischem Verständnis, Teamfähigkeit und den bereits oben erwähnten Eigenschaften besonders auch Leidenschaft für die Marke gefragt. „Es freut uns, dass die Resonanz groß ist“, sagt Thomas-Göbelbecker über den ersten Zukunftstag und kann sich eine Fortsetzung vorstellen. Ein bis zwei Azubis möchte sie pro Jahr einstellen.