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Radebeul: Ukrainekrieg bremst Lößnitzdackel aus

Die Lößnitzgrundbahn erlebte 2023 einen Einbruch bei den Fahrgastzahlen und büßte seine Spitzenposition unter den Schmalspurbahnen in Sachsen ein. Das hat verschiedene Gründe.

Von Markus van Appeldorn & Silvio Kuhnert
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Auf das Bild eines Dampfrosses der Lößnitzgrundbahn, wie dieses die Meißner Straße in Radebeul quert, muss derzeit verzichtet werden. Um Kohle zu sparen, legt der Lößnitzdackel seit vorigem Jahr im März eine Fahrpause ein.
Auf das Bild eines Dampfrosses der Lößnitzgrundbahn, wie dieses die Meißner Straße in Radebeul quert, muss derzeit verzichtet werden. Um Kohle zu sparen, legt der Lößnitzdackel seit vorigem Jahr im März eine Fahrpause ein. © Arvid Müller, Archiv

Radebeul. Schweigen beim Lößnitzdackel – die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft (SDG) und der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) haben in den vergangenen Jahren meist im Februar zu einer Jahrespressekonferenz geladen. Auf dieser stellten beide ihre Pläne und Bauvorhaben sowie wichtige Termine im Veranstaltungskalender der kommenden Monate vor. Zudem präsentierten sie die Fahrgastzahlen des Vorjahres.

Doch dieses Jahr blieb eine Einladung zur Pressekonferenz überraschend aus. Der Grund wird in der neuesten Ausgabe des "Dampfeisenbahnmagazin", das die Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft (Soeg) im eigenen Verlag "SSB Medien" herausgibt, ersichtlich. Denn die SDG als Betreiber der Lößnitzgrundbahn hat für 2023 keine tollen Passagierzahlen zu berichten. Der Zuspruch ist gegenüber dem Vorjahr sogar regelrecht eingebrochen. Zudem hat der Lößnitzdackel die führende Position unter den sächsischen Schmalspurbahnen verloren. Über Jahre konnten die Züge von Radebeul-Ost über Moritzburg nach Radeburg und wieder zurück die besten Fahrgastzahlen im Freistaat vorweisen. Diesen Rang musste die Lößnitzgrundbahn jetzt an die Zittauer Schmalspurbahn abgeben.

Weit weniger als 200.000 Passagiere

Laut dem Bericht von Christian Sacher im Dampfeisenbahnmagazin verzeichnete der Lößnitzdackel im vergangenen Jahr nur rund 170.000 Fahrgäste, was nur 64 Prozent des Vorjahres beziehungsweise 63 Prozent des Rekordjahres 2019 entspricht. In der Passagierzahl sind auch die Nutzer der Zugfahrten des Traditionsbahnvereins Radebeul enthalten. Dieser konnten in seinen historischen Zugabteilen rund 11.000 Mitfahrer begrüßen. Die SDG wollte sich trotz Anfrage von Sächsische.de und SZ zu den Fahrgastzahlen 2023 sowie den Gründen für den Rückgang weit unter 200.000 jetzt noch nicht äußern.

Zum Vergleich: 2022 zählte die SDG rund 265.000 Fahrgäste, dies entsprach damals einer Steigerung um 45 Prozent. Man freute sich, dass man sich dem Niveau der Vor-Corona-Zeit wieder annäherte. 2019 gab es reichlich 275.000 Fahrgäste. Die Passagierzahl 2023 entspricht dagegen die des ersten Coronajahres. 2020 fuhren ebenfalls nur rund 170.000 Leute mit der Lößnitzgrundbahn. Damals standen jedoch während des ersten Lockdowns von Anfang März bis Mitte Mai die Räder 49 Tage still.

Ukraine-Krieg brachte neue Probleme

Die positive Fahrgastzahl 2022 war unter anderem auf das 9-Euro-Ticket zurückzuführen. Besonders publikumsstark waren die Sommermonate Juni, Juli und August, in denen diese Monatskarte bundesweit galt. Allein im August 2022 verzeichnete die SDG 63.768 Fahrgäste bei der Lößnitzgrundbahn. Die Züge waren proppenvoll und das Zugpersonal arbeitete an der Belastungsgrenze.

Bereits auf der Jahrespressekonferenz vor einem Jahr, auf der SDG-Bahnbetriebsleiter Mirko Froß die positiven Fahrgastzahlen verkünden konnte, sprach er auch Probleme an, vor die der Ukraine-Krieg die Dampfrösser seit dem russischen Überfall am 24. Februar 2022 stellt. So habe sich der Preis für Kohle gegenüber 2021 verdreifacht. Die SDG betreibt neben der Lößnitzgrundbahn auch die Weißeritztalbahn und die Fichtelbergbahn. Um die Lokomotiven der drei Schmalspurbahnen unter Dampf zu setzen, werden rund 1.800 Tonnen Steinkohle jährlich benötigt.

Fahrangebot eingeschränkt

Doch diese war durch den Kriegsausbruch nicht mehr so einfach zu bekommen. Ein Großteil der Kohle kam stets aus Polen. Als Polen aber wegen eines Embargos die Einfuhr preisgünstiger russischer Kohle stoppte, wurde in Polen die heimische Kohle in Haushalten verfeuert und deren Export massiv gedrosselt. In der Folge musste unter anderem die Lößnitzgrundbahn ihre Fahrleistungen einschränken. So wird seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2022 auf den werktäglichen Frühzug verzichtet. Zudem fährt in der warmen Jahreszeit der Abendzug nicht mehr. Des Weiteren wurde zusätzlich zu den gewöhnlichen Streckensperrungen im November eine weitere im Frühjahr eingeführt. Seit Anfang dieser Woche bis 22. März dieses Jahres legt der Lößnitzdackel wieder eine Pause ein.

Das Ausdünnen des Fahrplans macht die Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft als Grund für den dramatischen Verlust von Fahrgästen bei der Lößnitzgrundbahn aus. Dessen Geschäftsführer Ingo Neidhardt hat nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges anders gehandelt. "Wir haben uns noch mit Kohle eingedeckt, als sie noch erschwinglich war und sind so gut durch die ganz teure Zeit gekommen", sagt er.

Neuer Fahrgast-Spitzenreiter ist das Zittauer Boahnl

Weil man außerdem manche Dampf-Umläufe zeitweise mit einer Diesellokomotive gefahren sei, habe man jeden vom Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien bestellten Kilometer auch leisten können. Und im April geht jetzt auch noch die gerade auf Ölfeuerung umgebaute Dampflok beim Boahnl in Betrieb. "Das ist eine Investition in die Zukunft", sagt Neidhardt, und: "Wir sind immer in vollem Umfang gefahren, weil wir wussten, dass eine Reduzierung uns am Ende doppelt kosten würde."

Die Fahrgastzahlen geben ihm offenbar recht. Im vergangenen Jahr konnte die Zittauer Schmalspurbahn 243.667 Passagiere begrüßen. Das ist das beste Ergebnis aller Bahnen auf schmaler Spur in Sachsen im Jahr 2023. Wenn man einmal das Rekordjahr 2019 beim Lößnitzdackel und den Sondereffekt durch das 9-Euro-Ticket 2022 außen vor lässt, waren solche Zahlen im vorigen Jahrzehnt bei der Lößnitzgrundbahn normal. Unter die 200.000-Marke fielen die Fahrgastzahlen in jüngster Zeit nur in der Corona-Krise 2020 und 2021.