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Warum Radebeuler Straßen in den Villenvierteln gewölbt sind

Etliche Straßen in der Ober- und Niederlößnitz haben ein auffälliges Profil. Dieses wandten bereits die Römer an. Doch die Straßen machen in Radebeul heute Probleme.

Von Silvio Kuhnert
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Die Maxim-Gorki-Straße gehört zu jenen in Radebeul, die ein gewölbtes Querprofil haben und wo der Asphalt am Straßenrand ganz schön bröckelt.
Die Maxim-Gorki-Straße gehört zu jenen in Radebeul, die ein gewölbtes Querprofil haben und wo der Asphalt am Straßenrand ganz schön bröckelt. © Arvid Müller

Radebeul. Der Zustand der Maxim-Gorki-Straße gibt Grund zur Sorge. Bereits zahlreiche Flickstellen zieren den Asphalt. Und dieser bröckelt am Fahrbahnrand zusehends. Zudem weist der Radebeuler Straßenzug, der in Ost-West-Richtung durch das Villenquartier Oberlößnitz parallel zur Meißner Straße führt, eine ungewöhnliche Neigung auf. Autos liegen leicht schief, besonders wenn sie am Fahrbahnrand entlang fahren.

Im Gerinne liegen größere Wackersteine ebenfalls schief wie krumm und gleichen Stolperfallen. Nicht nur wegen der Unebenheiten meiden Fahrradfahrer den äußersten Fahrbahnrand. Auch wegen der ungewöhnlichen Wölbung im Querprofil, dessen Neigung zum Fahrbahnrand stärker ausfällt, wollen Pedaleure lieber mittig fahren. So wie die Maxim-Gorki-Straße sind etliche Straßen nördlich der Meißner Straße in der Ober- und Niederlößnitz gewölbt.

Wegen Wölbung und bröckelnder Fahrbahn merkte SPD-Stadtrat Thomas Gey auf der jüngsten Sitzung des Bauausschusses an, dass er auf den Nebenstraßen bislang Angst um sein Auto hatte. Doch jüngst war er mit einem Drahtesel unterwegs. "Ich hatte Angst um mein Leben. Am Rand kann man wegen des abgebrochenen Asphalts nicht fahren", beklagt Gey.

Straßen lassen sich nicht einfach flicken

Seit Anfang September dient die Maxim-Gorki-Straße als Alternativroute zur gesperrten Meißner Straße. Wahnsdorfer, die vom Oberland ins Stadtzentrum wollen, müssen diese als Umleitung nehmen, da die Kreuzung am Trafohäuschen seit einem halben Jahr gesperrt ist. Auf der jüngsten Ortschaftsratssitzung brachte ein Wahnsdorfer seine Sorge über den Zustand der Maxim-Gorki-Straße zum Ausdruck und fragte bei Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) nach, ob denn die Stadt eine Sanierung plant, wenn der Straßenzug nicht mehr als Umleitung benötigt wird.

Das Stadtoberhaupt informierte, dass im nächsten Jahr, wenn die Meißner Straße im Zentrum von Radebeul-Ost wieder frei ist, die Waldstraße gemacht werden muss. Diese Route hat im Straßennetz der Lößnitzstadt eine größere Bedeutung. Zudem bilden sich immer mehr Risse in der oberen Deckschicht. Die Fahrbahnsanierung sollte ursprünglich vor der Großbaustelle auf der Hauptverkehrsader erfolgen, musste jedoch verschoben werden.

Die Maxim-Gorki-Straße lasse sich dagegen nicht einfach flicken. "Es ist eine historische Straße mit Gewölbe", informiert das Stadtoberhaupt. Daher komme auch die halbrunde Form. "Sie kann nur grundhaft ausgebaut werden", so das Stadtoberhaupt.

Wölbung ist ein Uhrglas- oder Graderprofil

Was der Rathauschef Gewölbe nennt, wird in der Geschichte des Straßenbaus eigentlich Uhrglas- oder Graderprofil genannt. "Es ist eine historische Bauform, die bei ungebundenen Wegen genutzt wurde und noch heut im ländlichen Wegebau zum Einsatz kommt", klärt Tiefbauamtsleiter Oliver Lange auf. Im mittleren Bereich weist solch ein Weg eine Querneigung von zwei bis drei Prozent auf. Der Achsenlast kann der Weg so gut Stand halten, wenn das Fuhrwerk mittig rollt. Zum äußeren Bereich erhöht sich die Querneigung auf acht bis zwölf Prozent. So kann laut Lange Regenwasser schnell an den Wegesrand abfließen. Das Graderprofil wandten bereits die Römer für den Bau ihrer Straßen an. Ohne solch eine Wölbung bilden sich auf flachen Wegen Pfützen, aus denen Löcher und Krater werden.

Im Untergrund ist wohl eine sogenannte Packlage vorzufinden, die im 19. bis Anfang des 20. Jahrhundert die unterste Befestigungsschicht im Straßenbau bildete und die damals die gängigste Bauart war. Diese Lage besteht aus unterschiedlich großen Steinen. "Unten liegen große", erläutert Lange. Nach oben werden sie immer kleiner und feiner, bis schließlich die oberste Deckschicht aus Schotter und Kies folgt. Durch die verschiedenen Größen sind die Steine der Packlage miteinander verzahnt und verzwickt. Würde man wie bei einem Gewölbe einen Stein herausnehmen, bricht die Packlage und damit die Straßenbefestigung zusammen.

Für Belastung von Pferdewagen ausgelegt

Derartige Straßen mit Graderprofil sind laut Lange hauptsächlich in den alten Weinbaugebieten der Nieder- und Oberlößnitz anzutreffen. Dort dienten sie als Wirtschafts- und Weinbauwege. Viele der heutigen Straßen in diesen Gebieten waren ehemalige unbefestigte Wege mit Packlage. "Sie waren für die Belastung von Pferdewagen ausgelegt", informiert Lange. Später wurden die Wege nur mit einer dünnen Asphaltschicht versehen.

Sanieren lassen sich diese Straßen nicht, damit sie den Gewichten von Pkw und besonders Lkw standhalten. Hier muss ein grundhafter Ausbau mit dem kompletten Programm, das vom Einbau von Frostschutz über Tragschicht bis hin zu Asphalt reicht, erfolgen. In der Breite muss dafür das gesamte Straßenprofil aufgegraben werden. In der Länge lassen sich Abschnitte bilden. Die Menge an Nebenstraßen in der Ober- und Niederlößnitz, die auf einen Aufbau nach heutigem Standard warten, lässt erahnen, dass die Stadt Radebeul hier vor einer Generationsaufgabe steht.