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Zwei Petitionen zum Mohrenhaus im Umlauf

Die eine hat eine Namensänderung der Kita in Radebeul zum Ziel, die andere möchte eine Umbenennung verhindern. Letztere findet bislang mehr Unterstützer.

Von Silvio Kuhnert
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Das Mohrenhaus steht in einer weitläufigen Parkanlage am Westhang des Leimgrundes. Der Name geht auf die Bezeichnung für zwei Hügel zurück, die vom Elbtal aus wie Mohrenköpfe ausgesehen haben.
Das Mohrenhaus steht in einer weitläufigen Parkanlage am Westhang des Leimgrundes. Der Name geht auf die Bezeichnung für zwei Hügel zurück, die vom Elbtal aus wie Mohrenköpfe ausgesehen haben. © Arvid Müller

Radebeul. Sollen Mohrenstraße und Mohrenhaus neue Namen bekommen? Die von einer Schülergruppe aus Radebeul und Umgebung angeregte Debatte zu einer Umbenennung, weil der Begriff "Mohr" rassistisch sei, schlägt große Wellen. Das zeigen nicht nur Leserbriefe, die die Sächsische Zeitung erreichen. Auch im weltenweiten Netz füllen sich Kommentarspalten.

Derzeit sind im Internet bei der Plattform Openpetition zwei Online-Petitionen am Start. Die eine spricht sich gegen eine Namensänderung der vom Ortsverband des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) betriebenen Kita an der Moritzburger Straße aus. Bei den Petenten handelt es sich um eine Initiative von Eltern, die ihre Kinder in der schlossartigen Villa betreuen lassen.

1.763 Unterstützer gegen Namensänderung

Laut Angaben der Plattform gibt es für die Forderung "Mohrenhaus soll Mohrenhaus bleiben!" bis Mittwochmittag 1.763 Unterstützer, davon 992 aus Radebeul. Eines ihrer Argumente ist, dass der Name Mohrenhaus historisch gewachsen sei und mit Rassismus nichts zu tun habe. Sowohl das Haus als auch die Straße hießen schon lange so und gehörten zur Lößnitzstadt. Sie seien Teil der Stadtgeschichte. Ein Umbenennen sei daher unnötig.

Andere sprechen sich gegen eine vermeintlich linke Bilderstürmerei aus. Sie empfinden die ganze Diskussion als Blödsinn und Zeitverschwendung. "Um dem links-alternativen Schwachsinn ein Ende zu bereiten. Was kommt als Nächstes? Warum nicht Karl-Marx-Straße und die Lutherkirche umbenennen? Das waren bekennende Antisemiten. Gleiches für Gleiches", meint beispielsweise Frank Oertel.

Es gibt aber auch moderate Töne, die dem Ansinnen der Jugendlichen, gegen Rassismus vorzugehen, etwas abgewinnen können, die Debatte aber deplatziert finden. "Im über 200 Jahre lang gebräuchlichen Namen Mohrenhaus, dessen Motivation nicht eindeutig geklärt ist, mag damals ein (zu der Zeit entschuldbares) Stereotyp mitgeschwungen haben. Seine Tilgung würde ich gleichwohl bedauern. Sie trüge meiner Ansicht nach nichts zum wichtigen Anliegen des Kampfes gegen Alltagsrassismus bei. Mit solchen kleinkrämerischen Stellvertretergefechten wird ein wichtiges Anliegen der Lächerlichkeit preisgegeben", lautet der Beitrag, der unter dem Namen Frank Andert gepostet wurde.

683 Unterstützer für Umbenennung

Die zweite Petition greift das Ansinnen der Schülergruppe "Rassismus ist keine Alternative", kurz: Rika, auf und fordert die Umbenennung von Mohrenstraße und Mohrenhaus. In zwei Schreiben, eins an den Radebeuler Stadtrat und das andere an den DKSB-Ortsverband, verweisen die Jugendlichen darauf, dass mit der Bezeichnung "Mohr" schwarze Menschen auf äußere Merkmale ihres Aussehens wie Hautfarbe und Frisur reduziert werden. Und so meinen auch die Petenten, dass der Begriff "Mohr" überholt sei und über einen diskriminierenden, rassistischen Charakter verfüge. Sie wünschen sich einen Namen, der dem heutigen Zeitgeist entspricht.

„Die Welt ist im Wandel. Auch beim Thema Sprache sollten wir nicht in der Vergangenheit bleiben, sondern immer wieder reflektieren und respektieren und uns verbessern. Ich denke, diese Petition trägt einen kleinen Teil dazu bei“, schreibt beispielsweise Benjamin Lau.

Über dem Portal befindet sich ein leeres Wappenfeld, das von zwei Mohrenknaben gehalten wird. Die Darstellung soll aus dem Jahr 1911 stammen.
Über dem Portal befindet sich ein leeres Wappenfeld, das von zwei Mohrenknaben gehalten wird. Die Darstellung soll aus dem Jahr 1911 stammen. © Arvid Müller

Diese Meinung teilt auch Jana Bachmann: "Weil sich die Sprache weiterentwickelt. ‚Mohr‘ ist ein Relikt einer Zeit, in der andere Völker im Zoo ausgestellt wurden." Mit der Umbenennung sollte ein Zeichen gesetzt werden, dass alle Menschen gleichwertig seien. Bachmann unterbreitet auch einen Vorschlag, wie die Kita neu getauft werden könnte, und zwar in "Haus der internationalen Kinderrechte". Das ist aus ihrer Sicht ein tolles Statement für die Gleichbehandlung und den Schutz aller Kinder.

Die Petition pro Namensänderung fand bislang 683 Unterstützer. 75 kommen laut Openpetition aus Radebeul. Beide Unterschriftensammlungen laufen noch 16 Tage.

Ältestenrat entscheidet über Umgang mit Petitionen

Die Petitionen richten sich an die Stadt Radebeul oder Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos). Das Petitionsrecht ist im Freistaat grundlegend im Paragrafen 12 der Sächsischen Gemeindeordnung geregelt. Danach hat jede Person das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen in Gemeindeangelegenheiten mit Vorschlägen, Bitten und Beschwerden an die Gemeinde zu wenden. Ergänzend dazu gibt es den Paragrafen 5 Absatz 1 in der Hauptsatzung der Stadt. "Danach ist der Ältestenrat für die Festlegung des weiteren Verfahrensganges zuständig", informiert Stadtsprecherin Ute Leder. In dem Gremium sind üblicherweise die Fraktionsvorsitzenden und der OB vertreten.

Das Thema mit der Namensänderung von Mohrenstraße und Mohrenhaus hat die Fraktion Bürgerforum/Grüne/SPD in den Stadtrat eingebracht. Eine Vorberatung, ob und wie es auf die Tagesordnung des Stadtparlaments kommen könnte, soll im Bildungs-, Kultur- und Sozialausschuss behandelt werden. "Es ist davon auszugehen, dass der Ältestenrat sich dieser Verweisung, die sich an den festgelegten Zuständigkeiten der Ausschüsse orientiert, auch hinsichtlich der Behandlung der beiden Petitionen anschließen wird", so Leder.

Ist die Stadt aber auch der richtige Ansprechpartner? Im Falle der Mohrenstraße ist sie es klar und deutlich. Das Vergeben von Straßennamen und damit auch von Namensänderungen fällt in ihre Zuständigkeit, da der Stadt die Straße gehört. Und wie ist das beim Mohrenhaus? "Die Stadt ist Eigentümer des Objektes", teilt Leder mit.

Der Name „Mohrenhaus“ sei ein historisch überlieferter Begriff, der über Jahrhunderte als Bezeichnung für dieses Gebäude in der Stadt verwendet werde. "Es ist davon auszugehen, dass selbst eine formale Änderung an der Bezeichnung im Volksmund nichts ändern wird", heißt es aus dem Rathaus. Der Pächter des Areals sei natürlich frei, sich eigene Bezeichnungen zu geben. "Dies unterliegt keiner Zustimmungspflicht", so Leder.

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