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Wo einst der Gasthof Zitzschewig stand – Radebeul bietet Grundstück als Bauland an

Der Gasthof Zitzschewig hatte Geschichte. Sogar einen Bierstreit gab es. Doch seit 15 Jahren ist das Gebäude Geschichte. Nun will sich die Stadt von dem Grundstück trennen.

Von Silvio Kuhnert
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Nach dem Abriss des ehemaligen Gasthofes ließ die Stadt Radebeul die Brache an der Ecke Meißner Straße, Altzitzschewig mit Gras einsäen und einen Holzzaun einfrieden. Nun soll das Areal aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden.
Nach dem Abriss des ehemaligen Gasthofes ließ die Stadt Radebeul die Brache an der Ecke Meißner Straße, Altzitzschewig mit Gras einsäen und einen Holzzaun einfrieden. Nun soll das Areal aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden. © Arvid Müller

Radebeul. Das Grundstück an der Ecke Meißner Straße, Altzitzschewig ist unscheinbar. Ein Holzzaun umgibt eine grüne Wiese mit ein paar kleinen Obstbäumen. Viele Autos fahren täglich an der Brachfläche vorbei, ohne von dieser groß Notiz zu nehmen. Doch das Grundstück hat Geschichte.

Auf dem Flurstück mit der Nummer 62 a der Gemarkung Zitzschewig stand einst der Gasthof des Radebeuler Stadtteils. Es handelte sich um eine der fünf historischen Brauschenken der Lößnitz. 1479 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt, die Wurzeln waren damals sicher schon älter. Sogar einen Zitzschewiger Bierstreit gab es, wie dem Stadtlexikon zu entnehmen ist. Im 16. Jahrhundert lagen der Rat zu Dresden und der Meißner Bischof im Clinch. Den Zwist löste der damalige Herzog Georg der Bärtige. 1529 verfügte er, dass in der Schenke neben der Eigenproduktion – aus 50 Scheffeln Gerste – nach eigenem Ermessen Dresdner und Meißner sowie von Donati bis Michaelis (7. August bis 29. September) auch Freiberger Bier kredenzt werden dürfen.

Eine Blüte erlebte der Gasthof ab 1683. Damals wurde ein regelmäßiger Postkutschenverkehr zwischen Dresden und Leipzig eingerichtet. Zitzschewig war die erste Poststation nach der sächsischen Residenzstadt. 1839 ging dieser Status mit der Inbetriebnahme der Eisenbahn verloren. 20 Jahre später brannte die Schenke ab. An deren Stelle wurde "ein Neubau mit Ballsaal und Gästegarten errichtet, letzterer erfreute sich später insbesondere bei Radwanderern großer Beliebtheit", heißt es im Stadtlexikon.

Verfall nach der Wende

Doch nach dem Zweiten Weltkrieg setzte der Niedergang ein. Ab 1954 wurde das Gebäude als Fabrik und Lager für Schädlingsbekämpfungsmitteln und chemische Präparate genutzt. Mit politischer Wende und der deutschen Wiedervereinigung war damit Schluss. Der einstige Gasthof verfiel zusehends. Im Jahr 2004 erwarb die Stadt das marode Haus für 55.800 Euro von einer Privatperson, wie Daniela Bollmann, Leiterin Kommunikation, Stadtmarketing und Tourismus im Radebeuler Rathaus, informiert.

Von dem einstigen Gasthaus ist heute nichts mehr zu sehen. Im Jahr 2008 erfolgte der Abriss. Grund war der Ausbau der Meißner Straße zwischen Coswiger Straße und Gerhart-Hauptmann-Straße, wie die Stadtverwaltung berichtet. Knapp 44.000 Euro haben die Abrissarbeiten gekostet. Es gab eine Förderung von 75 Prozent. Unter anderem wurden für den Abbruch Mittel aus einem Brachflächenprogramm verwendet. Dieser Fördertopf sah vor, dass das Areal grün eingesät wird und zehn Jahre lang nicht weiter genutzt, vor allem nicht neu bebaut wird.

Jetzt möchte sich die Stadt von dem rund 925 Quadratmeter großen Areal trennen. Sie bietet das Grundstück in einem sogenannten offenen Bieterverfahren an. Bis Ende März 2024 können Interessierte ein Kaufangebot im Rathaus einreichen.

Wohnen, Gewerbe oder beides möglich

Wie die Stadtverwaltung informiert, ist auf der Fläche der Bau von Wohnhäusern, stilles Gewerbe oder eine Mischung aus beidem möglich. Allerdings stellt sie Bedingungen. Es dürfen maximal zwei Wohneinheiten oder zwei Hauptgebäude auf dem Grundstück entstehen. Erlaubt sind zudem nur zwei Vollgeschosse und ein Satteldach. Wer nach Abgabe seines Kaufgebots den Zuschlag erhält, muss innerhalb von vier Jahren sein Vorhaben umsetzen.

Derzeit liegt das Grundstück noch im Überschwemmungsgebiet, eines sogenannten HQ 100. Damit sind Elbfluten gemeint, die statistisch gesehen alle 100 Jahre vorkommen und Pegelstände wie im August 2002 und Juni 2013 haben. Eine Bebauung wäre damit nicht möglich. Doch seither wurde unter anderem zum Hochwasserschutz der Deich bei Naundorf gebaut. Nach den neuesten Risikobewertungen der Landestalsperrenverwaltung steht die Fläche erst bei einem HQ 200 unter Wasser. Die Stadtverwaltung hofft, dass dies bei der Neubewertung von Überschwemmungsgebieten berücksichtigt wird. Im Landratsamt in Meißen läuft ein entsprechendes Verfahren zur Überprüfung der Hochwassergefahrenkarten.

Zu einem Mindestgebot macht die Stadtverwaltung keine Angaben. Laut Bodenrichtwertkarte sind rund um dem historischen Dorfkern von Zitzschewig Bodenpreise von 427 Euro pro Quadratmeter üblich. Es können auch Teilflächen erworben werden. Voraussetzung allerdings ist, dass deren Käufer gleichzeitig den Kaufpreis an die Stadt überweisen.

Zu den Gründen, warum sich die Stadt jetzt von der Brachfläche trennen möchte, teilt die Stadtverwaltung mit: "Die Bindefrist ist abgelaufen und wir möchten jungen – möglichst Radebeuler – Familien ein attraktives Baugrundstück zur Verfügung stellen."