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Wie die 4-Tage-Woche bei zwei Arbeitgebern im Landkreis Meißen funktioniert

Ein Friseur und eine Ergotherapeutin berichten von Vor- und Nachteilen, wenn das Team an vier Tagen eine Vollzeitwoche absolviert. Ein deutsches Modellprojekt geht jetzt noch einen Schritt weiter.

Von Lucy Krille
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Die Friseurin Julia Wunder (l.) arbeitet im Salon Inkognito in Radebeul, wo die 4-Tage-Woche Alltag ist. Auch Ergotherapeutin Elisa Preiß (r.) aus Riesa bietet ihrem Team flexibles Arbeiten an.
Die Friseurin Julia Wunder (l.) arbeitet im Salon Inkognito in Radebeul, wo die 4-Tage-Woche Alltag ist. Auch Ergotherapeutin Elisa Preiß (r.) aus Riesa bietet ihrem Team flexibles Arbeiten an. © SZ/Norbert Millauer/Elisa Preiß

Vier Tage arbeiten, drei Tage frei - und das bei vollem Gehalt. Was für manche Branchen nicht machbar klingt, ist in anderen Betrieben schon längst gelebter Alltag. So etwa bei Inkognito Friseur in Radebeul. Hier bleibt der Laden von Sonnabend bis Montag geschlossen. Normalerweise ist der erste Tag der Woche bei vielen Friseuren ein Ruhetag, weil die Mitarbeitenden auch am Sonnabend im Laden stehen. Viele Kunden und Kundinnen sind dankbar für die Möglichkeit, sich am Wochenende die Haare schneiden zu lassen.

Doch bei Inkognito haben die Mitarbeitenden seit 2020 auch das komplette Wochenende frei. "Der Sonnabend ist immer dünner geworden", sagt Chef Marcel Menzel. Die Regel seien Kunden mit Trockenhaarschnitt gewesen, etwa ein Mann mit Kind. Deswegen hat Menzel, der 2016 bei Inkognito als Friseur neu durchgestartet ist, die 4-Tage-Woche ausprobiert. "Die Idee kam von den Mitarbeitern", sagt Melzer. Doch auch ihm habe es in die Karten gespielt.

An seinem Entschluss hat er bis heute festgehalten. "Es ist viel praktischer, wenn das Team erholt ist", sagt Melzer. Trotz eines Arbeitstages weniger, können die Mitarbeitenden, die es wollen, in Vollzeit arbeiten. "Jeder schreibt seinen Dienstplan selbst", sagt Menzel. Einen Monat im Voraus planen sie so ihre Wochen, sodass auch Zeit für die Kinder oder Zahnarztbesuche bleibt. Durch die längeren Arbeitstage stünden die Mitarbeitenden dann auch mal bis um acht oder neun abends im Laden. Dennoch seien sie ausgeschlafen.

Radebeuler Friseur: "So wenige Kranke wie noch nie"

"Die Kunden hätten es eisern runtergewürgt", beschreibt Melzer die Reaktion auf den zusätzlichen Schließtag. Zu Beginn sei es schwierig gewesen, weil Termine vor Hochzeiten und Jugendweihen nun wegfielen. Doch Melzer nimmt das zugunsten der Mitarbeiterzufriedenheit in Kauf. Auch für ihn habe es einen positiven Effekt: "Wir hatten noch nie so wenige Kranke", freut sich Menzel. Und für die Kunden und Kundinnen gebe es genügend andere Anbieter in der Region, wenn sie auf einen Termin am Wochenende angewiesen sind.

Bei der Agentur für Arbeit in Riesa sieht man schon länger einen Trend zu neuen Arbeitszeitmodellen, auch wenn es keine Zahlen dazu gibt, wie viele Arbeitgeber im Landkreis die 4-Tage-Woche anbieten. "Wir beobachten seit Jahren, dass die Unternehmen im Landkreis Meißen bei der Anzahl der wöchentlichen Arbeitsstunden und deren Verteilung zunehmend flexibel reagieren, um Arbeitnehmerwünsche und unternehmerische Anforderungen zu vereinbaren und zu realisieren", sagt Pressesprecherin Berit Kasten.

In den Verträgen würden die Arbeitsstunden individuelle auf die einzelnen Wochentage verteilt. Dabei müsse beachtet werden, dass nicht mehr als zehn Stunden am Tag gearbeitet werden soll. Ausnahmen gelten etwa bei Rufbereitschaft. Um Vollzeit zu arbeiten, sind in einigen Branchen mittlerweile auch nicht mehr 40 Wochenstunden nötig. Es gebe inzwischen viele Tarifverträge, die Arbeitszeiten ab 35 Stunden vorsehen, sagt Kasten und nennt als Beispiel das Baugewerbe, die Arbeitnehmerüberlassung - also Zeitarbeit - oder den öffentlichen Dienst.

Je größer das Team, desto einfacher die 4-Tage-Woche

In der Ergotherapie Aktiv Erleben von Elisa Preiß in Riesa bedeutet Vollzeit 37,5 Stunden Arbeit pro Woche. Bei ihr nehmen zwei Mitarbeiterinnen regelmäßig das Angebot in Anspruch, nur vier Tage die Woche im Einsatz zu sein. Sie starten bereits am Freitag ins Wochenende. Patienten und Patientinnen müssen an den restlichen Tagen kommen oder notfalls zu einer Kollegin wechseln. "Das ist der Preis der 4-Tage-Woche", sagt Preiß. Doch am Ende sei alles eine Frage der Kommunikation.

Die 4-Tage-Woche gibt es noch nicht immer bei Aktiv Erleben. "Wir hatten nach Corona umgestellt", berichtet Preiß. Damals sei das Team auf sieben Mitarbeitende gewachsen, was es einfacher gemacht hat, das Modell auszuprobieren. Gerade ist Preiß wieder auf der Suche nach Unterstützung im Team. "Dann ist auch die 4-Tage-Woche besser umsetzbar." Im Grunde sei es egal, wann ihr Team arbeitet, wichtig sei nur, dass ein bestimmter Umfang erreicht werde. Preiß betont zudem, wie wichtig es sei, dass ihre Mitarbeitenden zufrieden sind. Gerade in einer so kleinen Praxis sei die Unzufriedenheit zeitig spürbar. "Wir sitzen alle in einem Boot."

Elisa Preiß und Marcel Menzel sind sich einig, dass die 4-Tage-Woche mehr Vor- als Nachteile für sie bringt. Jedoch wird in Riesa und Radebeul nur Arbeitszeit verschoben. Anderswo in Deutschland geht man gerade noch einen Schritt weiter. Ein Pilotprojekt mit 45 Unternehmen setzt für mindestens sechs Monate explizit auf eine Vier-Tage-Woche, bei der die Arbeitszeit reduziert wird, Gehalt und angestrebte Leistung aber gleich bleiben sollen. In Sachsen nehmen zwei Unternehmen teil. Mehr als die Hälfte von ihnen hat weniger als 49 Mitarbeitende. Die meisten Unternehmen kommen aus IT & Technologie, Beratungs- und Dienstleistungen und Handel und Verkauf. Von den sächsischen Teilnehmern ist einzig eine Planungsgesellschaft aus Chemnitz bekannt.