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Das andere Italien - Reisetipp Istrien

Das kroatische Istrien hat viel mit dem Nachbarn jenseits der Adria gemeinsam – und macht ihm zunehmend Konkurrenz.

Von Steffen Klameth
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Schweißtreibender Aufstieg zur Altstadt von Motovun.
Schweißtreibender Aufstieg zur Altstadt von Motovun. © Steffen Klameth

Was Männer aus Liebe zu einer Frau machen, könnte ganze Bücher füllen. Und ein Kapitel wäre dem römischen Kaiser Vespasian auf jeden Fall sicher: Der Regent durchkreuzte einst die Baupläne für die Arena in Pula und ließ sie ein paar Nummern größer und schicker ausfallen – nur um seiner Geliebten, einer freigelassenen Sklavin aus Pula, zu imponieren.

So erzählt man sich die Geschichte in der Hafenstadt. Ob wahr oder nicht: Die Arena macht mächtig Eindruck – auch heute noch. Das kolossale Bauwerk aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. präsentiert sich in einem erstaunlich guten Zustand und ist heute das sechstgrößte seiner Art weltweit.

Viele römische Relikte

Gladiatoren treten hier freilich nur noch im Rahmen von Shows auf; ansonsten dient die Arena im Sommer als Bühne für Popstars und für ein Filmfestival.

Das Amphitheater ist nicht das einzige Relikt aus der Römerzeit. Mitten in Pulas Zentrum steht der Augustustempel, gleich daneben sind Reste des Dianatempels in das Rathaus integriert. Es gibt Relikte der alten Stadtmauer und noch ein zweites, kleineres Amphitheater. So viele antike Schätze auf einem Fleck findet man nicht so schnell wieder. Nicht mal in Italien.

Relikt aus der Römerzeit: In der Arena von Pula treten heute Weltstars auf.
Relikt aus der Römerzeit: In der Arena von Pula treten heute Weltstars auf. © Steffen Klameth

Denn wir sind gar nicht in Italien, sondern in Kroatien. Genauer: in Istrien, jener Halbinsel, die vieles mit dem Nachbarland jenseits der Adria gemeinsam hat. Was auf den zweiten Blick auch gar nicht verwundert, denn über Jahrhunderte hatten hier Römer und später die Venezianer das Sagen.

Und genau genommen gehört auch heute noch ein Stück Italien (und ein Streifen Slowenien) zu Istrien. Den weitaus größten Teil beansprucht allerdings Kroatien für sich; manche ziehen die Grenze sogar weit in die Kvarner Bucht und zu den nördlichen Inseln wie Cres und Losinj.

Mit Rad oder zu Fuß gratis

Die meisten Urlauber kommen zum Baden nach Istrien. Gepflegte Strände, klares Wasser und ausgedehnte Ferienanlagen bieten beste Bedingungen. Entsprechend voll (und teurer) ist es im Sommer entlang der Küsten. Deutlich entspannter geht es in der Vor- und Nachsaison zu, auch das Wetter ist dann erträglicher.

Zum Beispiel für eine Fahrradtour auf dem Kap Kamenjak. Das Naturschutzgebiet bildet den südlichsten Zipfel von Istrien. Wer mit dem Auto kommt, muss eine Gebühr zahlen. Zu Fuß oder mit dem Rad ist der Eintritt gratis.

Tief im Süden: Das Kap Kamenjak markiert die Spitze der Halbinsel und ist ein Naturparadies.
Tief im Süden: Das Kap Kamenjak markiert die Spitze der Halbinsel und ist ein Naturparadies. © Steffen Klameth

Wir leihen uns Räder in Premantura aus, einem kleinen Dorf am Eingang zum Naturpark. Schon nach wenigen Kilometern sind wir mitten im Paradies. Ein schmaler Weg führt rund um die Halbinsel, von Bucht zu Bucht, von Strand zu Strand, immer entlang des smaragdgrünen Wassers. Wer genügend Zeit für die 30 Kilometer lange Rundtour mitbringt, kann einen Abstecher zum Dino-Lehrpfad machen und echte Dino-Spuren entdecken.

Das größte Exemplar, das hier unterwegs war, soll über elf Meter lang und drei Meter hoch gewesen sein. Wer es eiliger hat, sollte zumindest einen Stopp an der kultigen Safari- Bar einlegen. Die Sangria, die hier ausgeschenkt wird, ist legendär, und der Wein, den man sich an der Theke zapft, zumindest schön kühl.

Wobei es für Weinliebhaber auf der kroatischen Halbinsel zweifellos noch bessere Adressen gibt. Dafür geht unsere Fahrt vom blauen ins grüne Istrien – ins hügelige Hinterland im Norden, zum Weingut Veralda. Hier bewirtschaftet Familie Visintin 25 Hektar Rebfläche. Alles Bio, alles Handlese. In dem kleinen Verkaufsraum, der nahtlos in den privaten Küchenbereich übergeht, reichen sich die Kunden die Klinke in die Hand.

Alte Rebsorten neu gedacht

Es hat sich herumgesprochen, dass man bei Veralda aus den alten Rebsorten Malvazija (Malvasia) und Refosk (Refosco) – einer Untergattung des Teran – außergewöhnliche Tropfen produziert. „Wir experimentieren viel“, erklärt Marina Visintin. Das Ergebnis ist unter anderem ein trockener Rosé-Sekt, der 2016 auf der Londoner Fachmesse als beste Rotwein-Variation geadelt wurde.

Wer es noch ausgefallener mag, fährt in das etwa 25 Kilometer entfernte Städtchen Motovun. Es thront auf einem Hügel über dem Mirna-Tal, ist von zwei Stadtmauern umgeben und erinnert überhaupt stark an mittelalterliche Trutzsiedlungen in Italien. Umso größer ist die Überraschung, wenn man das Hotel und Weingut Roxanich unterhalb der Altstadt betritt.

Das Weingut ist regelrecht in den Berg hineingegraben, auf fünf Etagen verteilt und topmodern ausgestattet. Besucher verharren gern auf Etage vier: Hier stehen aus Georgien importierte und in die Erde versenkte Amphoren, gefüllt mit Chardonnay. Im Hintergrund läuft Musik von Mozart und Beethoven.

Viel Sonne, wenig Regen

„Für meinen Vater ist Wein ein Lebewesen“, sagt Tochter Sara. Vor gerade mal 15 Jahren hat Mladen Rozanic seinen ersten Wein abgefüllt, heute zählt der 63-jährige Autodidakt zu Kroatiens Top-Winzern. Seine Spezialität: Orange Wine, also Weißwein, bei dem wie beim Rotwein die Beeren mit Schale vergoren werden. Manche nur ein bis zwei Stunden, andere mehrere Wochen. Das alles kann man auf dem Etikett nachlesen, genauso wie das Lesedatum, die Niederschlagsmenge und die Sonnenstunden.

Viel Sonne, wenig Regen – darüber freuen sich in Istrien nicht nur die Urlauber. Auch Tedi Chiavalon aus Vodnjan hat es so am liebsten. Tedi produziert mit seinem Bruder Sandi feinstes Olivenöl. Ein Handwerk mit uralter Tradition: Als Istrien noch von den Römern beherrscht wurde, galt das hiesige Öl als das beste überhaupt.

Damit war spätestens im sozialistischen Jugoslawien Schluss: „Da zählten nur noch Industrie und Tourismus, niemand kümmerte sich um die Olivenbäume“, erzählt Tedi Chiavalon.

Tedi Chiavalon gehört zu Istriens Spitzenproduzenten.
Tedi Chiavalon gehört zu Istriens Spitzenproduzenten. © Steffen Klameth

Sein Großvater besaß noch etwa 50 alte Bäume, als er plötzlich erkrankte. Die Brüder übernahmen die Olivenhaine, pflanzten jedes Jahr neue Bäume (inzwischen sind es fast 10.000), investierten in eine Hightech-Mühle und errichteten ein Verkaufs- und Präsentationsgebäude.

Besucher lernen hier, warum es drei Ernten gibt, wie man Olivenöl richtig verkostet und welche Sorte zu welchem Gericht passt. Bei Wettbewerben heimst das Familienunternehmen regelmäßig Preise ein. Die aktuelle Ausgabe der Fachbibel „Flos Olei“ erklärte Istrien zum achten Mal in Folge zur Nummer eins aller Anbauregionen. Tedi Chiavalon drückt es etwas bescheidener aus: „Wir können mit der Toskana mithalten.“

Radweg nach Italien

Zurück nach Motovun, jener mittelalterlichen Stadt auf dem steilen Hügel. So schön wie der Ausblick von oben ist eine Umrundung im Tal. Früher konnte man das mit der Eisenbahn machen: Ab 1902 dampfte sie von Triest bis Parenza (Porec), beförderte Personen und Güter von einem Hafen zum anderen, mit 33 Stopps und quer durchs Land, das damals von Österreich-Ungarn regiert wurde.

Dann war Schluss mit der Monarchie und 1935 auch mit der Bahn. Die Schienen wurden demontiert und verschifft; wohin genau, wurde nie richtig aufgeklärt.

Ist eigentlich auch egal: Heute dient die Parenzana-Trasse als Radweg, der drei Länder verbindet: Italien, Slowenien, Kroatien. Von den insgesamt 130 Kilometern gilt der Abschnitt zwischen Motovun und dem Künstlerdorf Groznjan als der schönste – so gut wie autofrei, mit mehreren Tunneln und Viadukten sowie herrlichen Ausblicken. Nicht nur Klimaschützer dürfen sich daran erfreuen.

Fahrradfahrer haben Vorfahrt: Die Parenzana verbindet Kroatien, Slowenien und Italien.
Fahrradfahrer haben Vorfahrt: Die Parenzana verbindet Kroatien, Slowenien und Italien. © Steffen Klameth

Zwei Landessprachen

Na, was denn nun: Novigrad oder Cittanova? Beides stimmt. In Istrien ist Italienisch eine gleichberechtigte Landessprache, und zwar sowohl im kroatischen als auch im slowenischen Teil. Viele Ortsschilder tragen deshalb zwei Namen. Etwa sechs Prozent der Einwohner im istrischen Teil von Kroatien zählen sich zu den Italienern, sie leben vor allem an der Westküste – wie beispielsweise in Novigrad, das auf einer Insel erbaut wurde und so zu seinem Namen kam: Neustadt. Erst seit dem 18. Jahrhundert ist es mit dem Festland verbunden.

Novigrad oder Cittanova? Beides stimmt.
Novigrad oder Cittanova? Beides stimmt. © Steffen Klameth

Man zahlt mit Euro

  • Anreise: Mit dem Auto rund 1.000 km, in Österreich, Slowenien und Kroatien wird Maut kassiert.
  • Einreise: Personalausweis genügt.
  • Geld: Seit diesem Jahr gilt in Kroatien der Euro; Kreditkarten werden fast überall akzeptiert. In den Badeorten ist das Preisniveau ähnlich wie in Deutschland, im Hinterland wohnt und speist man meist günstiger.
  • Reisezeit: Empfehlenswert sind Mai/Juni sowie der September. Im Juli und August ist es vor allem an der Küste ziemlich heiß, voll und teurer.
  • Parenzana-Radweg: Die 130 km lange Strecke ist gut in drei Tagen zu bewältigen – vorzugsweise mit Mountainbike.
  • Pauschal: Bei der Busreise „Kroatische Riviera“ mit SZ-Reisen geht es u. a. nach Pula, Porec und Rovinj (7 Ü/HP ab 869 Euro im DZ).
  • Die Recherche wurde vom Tourismusverband Istrien unterstützt.